Die fabelhafte Welt der Jeanette de Vigier

  02.03.2010 Gstaad

Jeanette de Vigier hat einen vollen Terminkalender, verfolgt ein Projekt nach dem andern. Es scheint, als sei die 69-Jährige auf der ganzen Welt zu Hause. Doch Gstaad, so sagt sie, sei ihre Heimat.


Schon als Kind kam sie mit den Eltern in den Winterferien nach Gstaad. «Vor 60 Jahren war das. Damals wohnten wir – wie alle, die kamen – im Gstaad-Palace, dann kauften meine Eltern – wie alle, die kamen – ein kleines Chalet.» Jeanette de Vigier wurde in England geboren. Ihr Vater, Bill de Vigier, war aus gutem Haus in Solothurn. Entgegen den Wünschen des Vaters war er nicht Rechtsanwalt geworden, sondern ging mit gerade einmal hundert Pfund in der Tasche nach London. Dort gründete er als 24-Jähriger ein Unternehmen für flexible Baugerüste. Aus dem Kleinunternehmen wurde ein weltweites Erfolgsimperium. In England lernte Bill de Vigier seine Frau kennen und die beiden Töchter Jeanette und Anne wurden geboren. In London sind die Mädchen aufgewachsen, doch Jeanette de Vigier kommt heute nur noch nach England, um ihre Schwester oder Freunde zu besuchen. Sie gibt zu, London sei eine tolle Stadt, doch wer einmal die reine Luft in Gstaad geatmet habe, der könne in so einer Stadt nicht mehr leben. «Ich bin ein Naturmensch. Ich liebe die Berge, die frische Luft, den Sport und meine Freunde hier.» Die Schweiz hat sie schon als Kind geliebt, die Reisen nach Gstaad im Winter ebenso wie die warmen Sommer in Solothurn.

Zwei Bücher nach der Operation
Wer die aktive Frau heute sieht, der kann sich nur zu gut vorstellen, dass eine Operation an beiden Beinen im Jahr 2007, die sie drei Monate lang an einen Rollstuhl fesselte, eine Tortur gewesen sein muss. Aber Jeanette de Vigier wäre nicht Jeanette de Vigier, wenn sie nicht auch aus dieser misslichen Lage das Beste gemacht hätte. Sie nutzte die Zeit und schrieb für die Mitglieder des Skiklubs «Eagle-Club» das Buch zum 50-Jahr-Jubiläum. «Ach», sagt sie, «das habe ich mit Freude gemacht.» Und verschmitzt fügt sie hinzu: «Jedes Chalet sollte eines davon haben.» Es scheint, als habe sie damit eine neue Leidenschaft entdeckt: Ein Jahr später veröffentlicht sie das nächste Buch. «La famille de Vigier à Soleure et leur Sommerhaus» ist eine Hommage an das unter Heimatschutz stehende Schloss-Sommerhaus ihrer Familie in Solothurn und gleichzeitig eine Geschichte über die Familie de Vigier.
«Ich hatte bereits viele Jahre zuvor mit den Recherchen begonnen, aber es gelang mir nie, den Text zu Ende zu schreiben. Es war eine unglaubliche Arbeit.» Als letzte Stammhalterin der Familie wollte sie schon lange etwas veröffentlichen. «Ich habe so viele Jahre dieses Haus gepflegt, nun wollte ich etwas davon für alle Zeiten hinterlassen.» Noch vor dem Tod ihres Vaters im Jahr 2003, hatte sie ihm Arbeiten des unveröffentlichten Skripts gezeigt. «Das hat ihm so gut gefallen», erinnert sie sich. «Schon da wusste ich, dass ich es eines Tages würde veröffentlichen müssen.» Geschrieben hat sie es nicht nur zu Ehren ihrer Familie. Solothurn sei eine so wunderbare Stadt, sagt sie. «Eine Stadt, der auch die Schweizer viel zu wenig Aufmerksamkeit widmen.» Zwei Mal im Jahr ist der Park des Sommerhauses geöffnet. In diesem Jahr will sie erstmals ein Konzert mit der jungen Generation der «Amis de l’Orchestre de la Suisse Romande» aus Genf im Konzertsaal des Hauses organisieren. Das Konzert wird am 19. Juni 2010 stattfinden, wenn auch der Park des Sommerhauses geöffnet ist.

Als Medizin: neue Projekte und viel Lachen
Immer wieder etwas Neues wagen – das reizt sie am Leben. «Ich brauche Projekte, das bereitet mir so viel Freude», sagt sie, so als könne sie von Arbeit gar nicht genug bekommen. Dabei begann sie bereits als 19-Jährige im Unternehmen des Vaters zu arbeiten. «Doch eigentlich wollte ich immer auf die Hotelfachschule gehen», sagt sie lachend. «Kochen ist eine meiner Leidenschaften.»

Dass sie das Kochen nicht zu ihrem Beruf gemacht habe, sei allerdings kein Problem. Heute sei sie dafür umso lieber privat Gastgeberin. Zu ihren grossen Hobbies zählt auch der heimische Gemüsegarten, den sie mit Hingabe pflegt. Jeanette de Vigier geniesst ihr Leben, und jeden Tag beginnt sie mit einem Lächeln. «Lachen ist die beste Medizin», sagt sie. Sie sei ein «lucky girl», das wisse sie sehr wohl, doch «what you put into life, you get out of life», sagt sie. Dass sie bereits am nächsten Buch arbeitet, einer Biografie über ihren Vater, die 2012 – zu seinem 100. Geburtstag – im Sommerhaus in Solothurn vorgestellt werden soll, verwundert nicht. Und dann gibt es da noch all die anderen Projekte, über die Jeanette de Vigier gar nicht alles verraten möchte. In ihrem 70. Lebensjahr wird ihr Leben nicht ruhiger und schon gar nicht langweilig. Das sagt schon allein der Blick in ihren Terminkalender …


von Christine Eisenbeis


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote