«Irritiert und enttäuscht»

  19.09.2017 Gesundheitswesen, Kanton, Saanenland, Saanen, Zweisimmen

Die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) hat am vergangenen Freitag die Ablehnung des finanziellen Beitrags an die Spital STS AG kommuniziert. Die Spital STS AG ist «irritiert und enttäuscht», wie sie in der Medienmitteilung schreibt. Saanen bedauert den Entscheid, Zweisimmen ist bestürzt und die IG Spitalversorgung Simmental-Obersimmental fordert transparente Zahlen.

BLANCA BURRI
Im vergangenen Februar reichte die Spital STS AG beim Kanton ein Gesuch um eine jährliche Unterstützung von 3,4 Mio. Franken ein. Der Betrag sollte für den nachhaltigen Betrieb des Spitals in Zweisimmen verwendet werden. Aus der Sicht der STS AG müssten die Vorhalteleistungen von der öffentlichen Hand finanziert werden, um den nachhaltigen Betrieb des versorgungsnotwendigen Spitals Zweisimmen mit dem vorgeschriebenen Basispaket sicherzustellen. Der Verwaltunsrat machte geltend, dass der Standort Zweisimmen nicht kostendeckend betrieben werden könne und das entsprechende Betriebsdefizit, das seit Jahren anfalle, die Entwicklung des Hauptstandorts in Thun gefährde. Dieses Gesuch lehnte das GEF nun mit folgender Begründung ab: «Die Kosten müssen über den mit den Krankenversicherern ausgehandelten Tarif abgedeckt werden.» Weiter gebe es zu viele offene Fragen. Wenn diese beantwortet würden und die Tarife neu ausgehandelt worden seien, könne ein weiteres Gesuch geprüft werden.

Offene Fragen
Bei der Prüfung des Gesuchs habe der Kanton festgestellt, dass «es viele offene Fragen hinsichtlich des künftigen Betriebs und insbesondere des Angebotportfolios gibt», wie in der Medienmitteilung des GEFs steht. Das kann die Spital STS AG nicht verstehen: «In den sechseinhalb Monaten seit Einreichung des Antrags gab es von der GEF keinerlei Rückfragen zum Gesuch – insbesondere bezüglich allfälliger Qualität der Unterlagen respektive deren Vollständigkeit.» Weiter sei eine Delegation der STS AG am 28. Juni 2017 vom Kanton eingeladen worden, den Antrag eingehend zu präsentieren. Damals seien die Argumente, die nun zur Ablehnung des Gesuchs verwendet wurden, zu keinem Zeitpunkt angesprochen – weder von der GEF noch anderen Regierungsmitgliedern, heisst es. Deswegen irritierten die zu vielen offenen Fragen der GEF zum zukünfigen Betrieb und Leistungsangebot sowie dem Neubauprojekt die Spital STS AG. «Das Spitalunternehmen ist entsprechend enttäuscht.» Die Lösung des Problems rücke somit in weite Ferne.

Enttäuschung in Saanen
Gemeindepräsident Toni von Grünigen zeigte sich entsprechend enttäuscht zum Kantonsentscheid. «Wir bedauern diesen Entscheid, denn wir sind immer zum Neubauprojekt in Zweisimmen gestanden», betonte er. Der Kanton habe eine gewisse Hoffnung offengelassen, indem er sich offen zeigte, ein weiteres Gesuch zu prüfen. Nun sei es wichtig, dass sich die Bergregion Obersimmental-Saanenland weiterhin für den Spitalstandort Zweisimmen einsetze. «Wir können gemeinsam im Rahmen der Bergregion mehr erreichen.»

Bestürzung in Zweisimmen
«Der Gemeinderat von Zweisimmen hat den Entscheid des Regierungsrats, das budgetierte Betriebsdefizit nicht zu übernehmen, mit Bestürzung zur Kenntnis genommen», schreibt er in einer Medienmitteilung. Gleichzeitig sei der Gemeinderat enttäuscht, dass die Regierung nun offenbar auch grundsätzliche Fragen zum geplanten Neubauprojekt anstelle. Im Neubau sollen die drei Angebote Akutversorgung, Alterswohnen und Hausarztmedizin unter einem Dach betrieben werden. Die GEF schrieb, dass das grosse Neubauprojekt in der dargestellen Form nicht überzeuge. Aus Sicht der GEF fehlten ein hinreichend detailliertes Betriebskonzept, eine Kosten-Nutzen-Analyse und ein Hinterfragen des Preis-Leistungs-Verhältnisses. In diese Kerbe schlägt auch die IG Spitalversorgung Simmental-Saanenland, die fordert, dass «die Zahlen transparent und öffentlich gemacht werden.» Die STS AG schreibe insgesamt Gewinne, Boni in Millionenhöhe würden ausbezahlt. Deswegen fordert die IG, dass die Zahlen des Spitals Zweisimmen veröffentlicht würden und die Bevölkerung das angeblich stetig wachsende Defizit am Standort Zweisimmen nachvollziehen könne. Die IG äussert Befürchtungen, dass der Standort Zweisimmen durch Leistungsabbau und weniger Investitionen geschwächt würde. Die IG sei bereit, zusammen mit der gesamten Region eine autonome Lösung für das Spital Zweisimmen zu finden.

Die Spital STS AG wehrt sich gegen den Vorwurf der Ineffizienz. Die Spital STS AG habe dem Gesamregierungsrat aufzeigen können, dass sie ihren Auftrag äusserst kostengünstig erfülle.

Wie weiter?
«Der GEF ist bewusst, dass es eine besonders schwierige Herausforderung ist, eine akute Grundversorgung in der Region Simmental-Saanenland sicherzustellen», wie sie schreibt. Das aktuelle Gesuch könne sie aber nicht gutheissen. Die GEF sei bereit, ein allfälliges neues Gesuch zu prüfen, sobald die Tarifverhandlungen mit den Krankenversicherern für das Jahr 2018 abgeschlossen seien und die offenen Fragen zum vorgesehenene Neubau und dem Beriebskonzept geklärt seien.

Der Verwaltungsrat der Spital STS AG kommt zu einem anderen Schluss: «Die GEF will die Hauptanliegen der Spital STS AG nicht wahrhaben.» Das Spital Zweisimmen könne als Akutspital seit Jahren nicht annähernd kostendeckend geführt werden. Das jährliche Betriebsdefizit in Millionenhöhe im Spital Zweisimmen werde seit jeher vom Spital Thun getragen. Das führe dazu, dass damit auch der Hauptstandort Thun mittelfristig wirtschaftlich gefährdet werden könnte. Die Versorgungsnotwendigkeit des Spitals Zweisimmen umfasst das sogenannte gesetzlich vorgeschriebene Basispaket mit Innerer Medizin, Chirurgie und Rund-um-die-Uhr-Notfall. Der Verwaltungsrat sehe einen unlösbaren Zielkonflikt zwischen der Eigentümerstrategie und dem Aktienrecht, die Wirtschaftlichkeit, Werterhaltung und Vermögensschutz vorschrieben, und der vom Kanton «bestellten» Leistungen für das versorgungsnotwendige Spital Zweisimmen ausgesetzt.

Der Verwaltungsrat werde sich eingehend mit der neuen Situation auseinandersetzen», schreibt er. Grundfrage sei, wie und ob sich der politische Auftrag mit Versorgungsnotwendigkeit am Spitalstandort Zweisimmen überhaupt noch realisieren lasse.

Der Gemeinderat von Zweisimmen fordert indes, dass umgehend Gespräche unter den beteiligten Partnern (Spital STS AG, Alterswohnen STS AG, MEGSS und Gemeinden) stattfinden sollten. Er will darin eine aktive Rolle übernehmen.


MOTION SPITALVERSORGUNG

Im vergangenen März reichte Grossrat Thomas Knutti gemeinsam mit sieben Grossratskollegen die Motion «Gemeinsame Lösungssuche in der Spitalversorgung im Simmental-Saanenland» ein. Diese beantwortete der Regierungsrat nun. In der Motion wird gefordert, dass der Regierungsrat nach seinen Möglichkeiten in den Prozess Neubau Spital Zweisimmen Einfluss nimmt. Der Regierungsrat sei sich der Bedeutung der wohnortsnahen Grundversorgung bewusst, antwortet er. Er nehme an den regelmässigen Treffen mit dem Verwaltungsrat der Spital STS AG schon heute Einfluss. Die Motion fordert zudem eine schnelle, definitive und tragbare Lösung. Dazu sagt der Regierungsrat, dass der Regierungsrat keinen direkten Einfluss auf die Spitalinfrastruktur oder Bauprojekte nehmen könne. Wegen des künftig erwarteten Defizits am Standort Zweisimmen sei ein Antrag für die finanzielle Unterstützung der Vorhalteleistungen eingereicht worden. Werde ein nachhaltiges Projekt mit überzeugendem Betriebskonzept präsentiert, seien die GEF und der Regierungsrat gerne bereit, die Lösungsfindung zu unterstützen.


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