Züpfe zum Zmorge und Klimaerwärmung als Tatsache

  22.09.2017 Lauenen

Am diesjährigen Züpfe-Zmorge gestern im Hotel Alpenland wurden neben einem reichhaltigen Frühstück und frischer Züpfe auch knallharte Fakten geliefert. Der Referent Thomas Stocker, Physikprofessor an der Universität Bern, sorgte mit fundierten Informationen in einem kurzweiligen Vortrag für nachdenkliche Gesichter und einige Diskussionen im Anschluss.

JENNY STERCHI
Bereits zum achten Mal luden das Hotel Alpenland und die Firma Ammann Schweiz AG aus Langenthal zum Züpfe-Zmorge nach Lauenen ein. Wie in den vergangenen Jahren folgten gestern Morgen rund 90 Saanerinnen und Saaner dieser Frühstückseinladung.

Kaffeeduft und frische Züpfe
«Das Züpfe-Zmorge ist eine Herzensangelegenheit für uns», sagte Yvonne Blatter, Geschäftsführerin im Hotel Alpenland in Lauenen und Organisatorin des Anlasses. Gemeinsam mit Daniela Aeschlimann-Schneider, Mitbesitzerin des Hotels, organisieren sie jeweils diese Einladung zum Morgenessen. Auch die Referenten werden in Zusammenarbeit der beiden Initiantinnen ausgewählt. Dabei versuchen sie, ein aktuelles Thema aufzugreifen. Heisser Kaffee, frische Züpfe und feiner Käse kamen am gestrigen frostigen Morgen sehr gut an bei den Gästen.

Wohl denen, die ihren Teller schon leer gegessen hatten, bevor der Referent Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern, seine Ausführungen zum Thema «Klimaerwärmung, wie viel wollen wir noch?» startete. Denn was er in den folgenden 40 Minuten zu berichten hatte, liess einem die Lust am Essen für einen Moment vergehen.

Fakten zur Klimaerwärmung
Er präsentierte Temperatur- und Kohlendioxidmesswerte der vergangenen 140 Jahre, die keinen Zweifel an der Klimaveränderung auf unserer Erde zuliessen. Demnach ist die Konzentration des Kohlendioxids zum heutigen Zeitpunkt um ein Vielfaches höher als im Jahr 1880. Auch die Temperaturkurve ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts tendenziell immer angestiegen. Stocker selber ist Mitglied im Weltklimarat und hat an der wissenschaftlichen Basis für die UN-Klimakonferenz in Paris 2015 mitgearbeitet.

Der These «Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem ist klar», die im Protokoll der Klimakonferenz zur Verhandlung aufgeführt ist, wurde in Paris von allen Nationen zugestimmt. Laut Stocker sei dies ein erster richtiger Schritt, um die Klimaerwärmung effizient zu verlangsamen. Auch der drastisch klingenden Behauptung im Klimabericht, dass eine weitere Erwärmung drastische, weitreichende und unumkehrbare Auswirkungen auf die Menschen und Ökosysteme habe, stimmten alle Nationen zu. Mit dieser Vereinbarung, die am Ende der Pariser Klimakonferenz getroffen wurde, einigten sich alle teilnehmenden Länder auf einen Klimaschutz, der aus der Reduktion des Kohlendioxids resultieren soll.

«Morgenschocker» mit Negativszenarien
Thomas Stocker zeigte auf, in wieweit sich eine Klimaerwärmung im aktuellen Tempo in den nächsten 80 Jahren auswirken würde im Vergleich mit einem Klimaschutzszenario, bei dem man erneuerbare Energieträger ins Zentrum stellt. Würden auf der Welt weiterhin so viele fossile Energieträger genutzt, weiterhin Monokulturen wie Palmenplantagen angelegt und tropischer Regenwald im gleichen Masse abgeholzt wie bisher, würde sich eine Klimaerwärmung um vier Grad nicht verhindern lassen.

Temperatur sei der Treiber für sämtliche meteorologischen Veränderungen wie Extremniederschlägen neben grossen Trockenheiten. Der Meeresspiegel stiege bis zum Ende des Jahrhunderts um rund 70 cm, würde die Menschheit «haushalten» wie bis anhin.

Die Schweiz würde mit der aktuellen Entwicklung ihr Erscheinungsbild in kurzer Zeit verändern. Gletscher verschwinden bis zum Ende des 21. Jahrhunderts.

Die Schneefallgrenze stiege um 870 Meter, heftige Niederschläge würden vor allem die Wintermonate prägen. In der anschliessenden Fragerunde dankte ein ernüchterter Zuhörer dem Referenten für den «Morgenschocker» und fragte nach weiteren Auswirkungen speziell auf die Schweiz. Stocker führte neben dem Gletscherzerfall auch die Gemeinde Bondo als aktuelles Beispiel für geologische Veränderungen an. Der Bergsturz im Bergell sei ein Zeichen dafür, dass die Erwärmung sich auch auf die Gesteinsformationen auswirke.

Dem Einwand aus dem Publikum, Stocker habe die Kernenergie ausser Acht gelassen, begegnete der Referent mit dem hohen Risikopotenzial und der ungeklärten Entsorgungsfrage, die diese Energieform in sich birgt. Die Frage nach der Entsorgung von Solarpanels, die von einer Zuhörerin in den Raum gestellt wurde, konnte er ebenso klar beantworten. Die graue Energie, die laut einer weiteren Zuhörerin für die Materialien in der erneuerbaren Energiegewinnung stecke, sei laut Stocker verhältnismässig gering. Nach kurzer Zeit übersteige die Effizienz dieser Energieträger die zur Produktion aufgewendete Energie. Mit Antworten, souverän und profund, konnte er auf die doch zahlreichen Fragen der Zuhörer reagieren.

Appell für politische Aktivität
Die Lösung liegt laut Stocker in einer erneuten industriellen Revolution, die er als Dekarbonisierung bezeichnet. Dabei würde jedes Land unabhängig und dezentral für seine Energiemenge sorgen. Zur Verfügung stehen Wind-, Wasser- und Sonnenenergie. Die Menschen sollten sich zunehmend ressourcenschonend bewegen und sich des Problems der Klimaerwärmung bewusst sein.

Für Stocker ist die Teilnahme eines jeden Bürgers an einer politischen Entscheidung zum Thema «Klimaerwärmung und Energiewende» die Voraussetzung für den Klimaschutz.

Mit der Züpfe, die jedem Zuhörer im Anschluss an den Anlass überreicht wurde, und dem Kopf voll Informationen machten sich die Gäste auf den Heimweg. Die, die mit dem Velo unterwegs waren, gingen vielleicht mit einem etwas besseren Gewissen nach Hause oder an die Arbeit.


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