«Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.»

  17.11.2017 Gstaad, Kirche

Am Dienstag, 14. November fand im Kirchgemeindehaus Gstaad die erste gemeinsame Kirchgemeindeversammlung der reformierten Kirchgemeinden Saanen und Gsteig statt. Die zweijährigen Fusionsverhandlungen und die Kirchgemeindeversammlung standen ganz unter dem Motto der Vision 21 der reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn: «Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.»

ROBERT SCHNEITER
Zum ersten Mal waren die reformierten Kirchenmitglieder von Saanen und Gsteig zu einer gemeinsamen Kirchgemeindeversammlung eingeladen. 59 Mitglieder nahmen die Einladung an und versammelten sich am Dienstagabend, 14. November im Kirchgemeindehaus Gstaad. Die Lieder und Jutze, welche die Mitglieder des Jodlerklubs Gsteig während des Abends sangen, verwandelten diesen historischen Moment in einen echten Festakt.
Am 1. September 2015 unterzeichneten beide Kirchgemeinden den Vertrag für die Fusionsabklärungen. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Gemeinden und Raumordnung und begleitet von Hansruedi Spichiger, ehemaliger Beauftragter für kirchliche Angelegenheiten, machten sich die Mitglieder beider Kirchgemeinderäte, die Sekretärin Silvia Bircher und das Pfarrteam an die Arbeit. Die Details wurden in drei verschiedenen Projektgruppen besprochen und dank der guten Zusammenarbeit aller waren nur sieben interkommunale Sitzungen nötig bis zur Unterzeichnung des Fusionsvertrags. Nicht nur für die beiden Kirchgemeinden war es Neuland, sondern auch für die reformierte Kirche Bern-Jura-Solothurn. Denn zum ersten Mal haben im bernischen Kirchengebiet eine grosse und eine kleine Kirchgemeinde miteinander fusioniert.

Auf die Frage: «Wie habt ihr den ‹Fusionsweg› erlebt?», sagten Brigitte Zahnd, Ratspräsidentin von Saanen, Franz Zjörien, Ratspräsident von Gsteig, Silvia Bircher, Sekretärin der Kirchgemeinde Saanen, und Hansruedi Spichiger, Präsident des Kirchgemeindeverbands, alle das Gleiche. Es sei ein eindrücklicher, positiver und rasanter Prozess gewesen. Dank des Engagements des Pfarrteams und aller Beteiligten, dank der guten Zusammenarbeit und Konsensbereitschaft beider Räte und dank der kompetenten fachlichen Begleitung sei es möglich gewesen, die Fusion in so kurzer Zeit und zur Zufriedenheit aller abzuschliessen. Im Gegensatz zur Kirchgemeinde Saanen gab es im Gsteig unter den älteren Leuten hie und da die leise Befürchtung, die Kirche würde nach der Fusion nicht mehr im Dorf bleiben. Aber an der gemeinsamen Kirchgemeindeversammlung am Dienstagabend haben alle Verantwortlichen noch einmal bestätigt, dass nach der Fusion nicht nur die Kirchen in den Dörfern bleiben werden, sondern dass zusätzlich das kirchliche Leben in den Dörfern ganz neu belebt werden soll.

Wahlen
Zum kirchlichen Anlass passend wurde der Abend und das Wahlgeschäft vom Jodlerklub Gsteig mit dem «Gloggejodel» eröffnet. Damit die Wahlen in den neuen Kirchgemeinderat neutral durchgeführt werden konnten, wurde Hansruedi Spichiger, der den Fusionsprozess beratend begleitet hatte, zum Tagespräsidenten gewählt. Da aber gleich viele Wahlvorschläge vorlagen wie Sitze zu vergeben waren, konnte er die vorgeschlagenen Räte und Rätinnen gleich für die erste Amtszeit von 2018– 2021 als gewählt erklären. Im neuen Kirchgemeinderat sind vertreten: Stephan Friedli, Gstaad; Arthur Haldi, Gstaad; Martin Kurmann, Saanen; Brigitte Linder, Gsteig; Isabelle Matti, Turbach; Kathrin Perreten, Gsteig; Jann Reichenbach, Gsteig; Adolf Schlunegger, Gsteig; Monika Steiner, Grund; Brigitte Zahnd, Schönried, und Hans Zeller, Gstaad. Mit einem grossen Applaus wurden alle von der Versammlung bestätigt. Ebenfalls mit Applaus wurden Brigitte Zahnd als Präsidentin und Jann Reichenbach als Vizepräsident gewählt. Im Namen des gesamten neuen Kirchgemeinderates dankte Brigitte Zahnd für das grosse Vertrauen. Sie bestätigte, dass der Rat nach bestem Wissen und Gewissen alles, was im Vertrag steht und was der Kirche dient, getreu umsetzen wolle. Stellvertretend für die anwesenden Gemeindeglieder brachte der Jodlerklub Gsteig die Freude über die gelungene Fusion mit einem fröhlichen Jutz zum Ausdruck.

Finanzplan 2018–2022 und Voranschlag 2018
Auch die neue Kirchgemeinde muss haushälterisch mit dem Geld umgehen. Dank der grossen Investitionen in den vergangenen Jahren in beiden bisherigen Kirchgemeinden müssen ausser der Orgelrevision in Gsteig (ca. Fr. 150 000.–) keine grösseren Investitionen vorgesehen werden. Obwohl schon im ersten Jahr ein Ausgabenüberschuss budgetiert werden muss, steht die neue Kirchgemeinde finanziell auf gesunden Beinen. Dem Fremdkapital von Fr. 509 000.– steht ein Eigenkapital von Fr. 3 523 000.– gegenüber.

Mit einem Kirchensteuersatz von 5 % der einfachen Staatssteuer zählt die Kirchgemeinde Saanen-Gsteig in Zukunft zu den günstigsten im Kanton Bern. Nur neun Kirchgemeinden haben einen noch tieferen Kirchensteuersatz. Für die Saaner bedeutet dieser Steuersatz eine leichte Erhöhung, für die Gsteiger eine leichte Vergünstigung. Doch wegen der grossen Investitionen in den letzten Jahren hätte Saanen die Kirchensteuer für das kommende Jahr auch ohne Fusion leicht erhöhen müssen. Zu den grössten Ausgabenposten im kommenden Jahr zählen die Personalkosten (Fr. 631 390.–) und die Sachkosten (Fr. 611 736.–). Die Steuereinnahmen sind mit Fr. 1 617 857.– und die Vermögenserträge mit Fr. 138 367.– budgetiert. Bei total Fr. 2 176 469.– Erträge und Fr. 1 977 724.– Aufwendungen rechnet man mit einem Ausgabenüberschuss von Fr. 198 744.–. All diesen vielen Zahlen konnten die Stimmberechtigen ohne Gegenstimme zustimmen.

Informationen
Unter dem Traktandum «Verschiedenes» erwähnte Brigitte Zahnd das neue Landeskirchengesetz. In der Septembersession hat der Grosse Rat mit grosser Mehrheit die Forderung der Grün-Liberalen, die Beiträge an die Kirchen massiv zu kürzen, verworfen. Diese Rückweisung sei ein starkes, aber auch ein verpflichtendes Zeichen für die Kirchen, sagte die Kirchgemeinderatspräsidentin.

Trotzdem ändere sich in Zukunft aber vieles für die Landeskirchen, sagte sie. Denn die Landeskirchen würden 2019 vom Staat getrennt. Das heisst: Die Personalverantwortung und die Besoldung der Pfarrer gehen ganz an die Landeskirchen über. Der Kanton übernimmt jedoch weiterhin einen grossen Teil der Kosten und leistet für die nächsten sechs Jahre eine Finanzierungsgarantie. Die Kirchgemeinden bleiben aber auch in Zukunft dem Gemeindegesetz unterstellt.

Brigitte Zahnd erinnerte zum Schluss an das Motto der Vision 21 der reformierten Kirche Bern-Jura-Solothurn: «Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.» Sie betonte, dieses Motto sei auch für die zukünftige Arbeit in der Kirchgemeinde Saanen-Gsteig wichtig und erwähnte die sieben Grundsätze dieser Vision 21: «Auf die Bibel hören – nach den Menschen fragen. Vielfältig glauben – Profil zeigen. Offen für alle – solidarisch mit den Leidenden. Die Einzelnen stärken – Gemeinschaft suchen. Bewährtes pflegen – Räume öffnen. Vor Ort präsent – die Welt im Blick. Die Gegenwart gestalten – auf Gottes Zukunft setzen.»

In diesem Sinn dürfe und müsse die Kirchgemeinde Saanen-Gsteig im kommenden Jahr Neues wagen, und vielleicht etwas, das bisher zu wenig beachtet worden ist, auch aufgeben, betonte die Präsidentin.

Brigitte Zahnd dankte allen Beteiligten für das gute Gelingen der Fusion, und der Bevölkerung dankte sie für die Unterstützung und das Wohlwollen. Einen ganz besonderen Dank richtete sie an Hansruedi Spichiger für sein sachkundiges Begleiten und an Silvia Bircher, Sekretärin der Kirchgemeinde Saanen, für die Bereitschaft, immer wieder Seite um Seite zu verfassen und zu protokollieren. Ein herzliches Dankeschön richtete sie schliesslich auch an den Jodlerklub Gsteig, der unter der Leitung von Urs Kohli den Abend mit den wohlklingenden Liedern in einen festlichen Anlass verwandelte.

Die Präsidentin schloss die erste Kirchgemeindeversammlung der neuen Kirchgemeinde mit der Einladung zum reichhaltigen Apéro und dem Wunsch, dass die Fusion der beiden Kirchgemeinden für Gsteig und Saanen zu einer guten und erfreulichen Sache werden darf.


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