Depression – eine Krankheit wirft Schatten

  14.11.2017 Saanen

Über 150 Frauen besuchten das Frühstückstreffen von Frauen für Frauen im Landhaus Saanen. Offenbar stiess das Thema Depression auf grosses Interesse, auch wenn zu erwarten gewesen war, dass es sich um ein herausforderndes und komplexes Thema handeln würde.

VRENI MÜLLENER
Sich an einen schön dekorierten Frühstückstisch zu setzen und zusammen mit anderen Frauen ein feines Zmorge zu geniessen, gehört zur Auszeit, die sich Frauen im Rahmen des Frühstückstreffens von Frauen für Frauen gönnen. Myrta von Mühlenen und Susi Reichenbach umrahmten den Morgen mit ihren Akkordeonklängen, was ein echter Farbtupfer an diesem Novembertag war.

Wann spricht man von einer Depression?
Andrea Signer-Plüss, Fachpsychologin für Psychotherapie, beleuchtete das Krankheitsbild aus verschiedenen Perspektiven. Sie betonte, dass ein Stimmungstief, das jeder Mensch kennt, noch keine Depression ausmache. Erst wenn Symptome wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Schuldgefühle kombiniert auftreten und über mindestens zwei Wochen anhalten, bestehe der Verdacht auf eine Depression. Sich Wissen über das Krankheitsbild anzueignen, um Licht ins Dunkel zu bringen, könne hilfreich sein, riet die Psychotherapeutin aus Grosshöchstetten, die in ihrem Berufsalltag oft mit depressiven Menschen zu tun hatte. Wenn einfachste Aufgaben zur Qual werden und den normalen Alltag erschweren, sind das Warnsignale, die ernst genommen werden sollten. Hilfe bieten ambulante Psychotherapien, psychiatrische Kliniken, Tageskliniken, aber auch die dargebotene Hand (Tel. 143). «Die meisten Depressionen klingen früher oder später von allein wieder ab, eine Therapie aber kürzt den Leidensprozess ab und bietet Schutz bei Suizidalität», betonte die Fachfrau. Während der Psychiater bei Bedarf passende Medikamente verschreibt, werden in der Therapie innere Themen wie Alltagsbewältigung, Stressmanagement oder der Umgang mit schwierigen Gefühlen besprochen. Ergänzend zu ihren Ausführungen zeigte Andrea Signer Ausschnitte aus dem Film «Depressionen – Ohnmacht und Herausforderungen» von Dieter Gränicher, in dem Betroffene selbst zu Wort kommen. Eindrücklich war auch ein Kurzvideo zu den Comics von Matthew und Ainsley Johnstone, in dem die Depression als grosser schwarzer Hund dargestellt wird, den es an die Leine zu nehmen gilt.

Depression und Angehörige
Wenn ein Mensch depressiv erkrankt ist, leiden auch Angehörige und Freunde mit: die Schwere kann ansteckend wirken. Zudem werden Beziehungen durch die Symptomatik, die auch Rückzug und Aggressivität beinhalten kann, belastet. Die Kommunikation gerät ins Stocken. Wenn Hilfsangebote nicht angenommen und Unterstützung abgelehnt würden, sollten Angehörige dies nicht persönlich nehmen. Betroffene in ihrem Zustand ernst zu nehmen, auch wenn ihr Leiden schwer nachvollziehbar sei, sei etwas vom Wichtigsten. Auch gelte es zu akzeptieren, dass Ohnmacht, Unsicherheit, Konflikte und schwierige Gefühle ein natürlicher Bestandteil der Beziehung mit einem depressiven Menschen sind. Umso mehr sollten Angehörige und Freunde auch zu sich selber Sorge tragen und bei Bedarf Hilfe in Anspruch nehmen. «Abgrenzung und Auszeiten sind unerlässlich, um neue Kraft für das Unterwegssein mit Betroffenen zu tanken. Auch eine therapeutische Begleitung kann eine wertvolle Unterstützung für Angehörige sein.»

Depression und Glaube
Der Glaube an Gott kann in einer Leidenszeit eine Ressource, aber auch eine Last sein. Es besteht die Gefahr eines «frommen Drucks» oder einer Glaubenskrise, wenn Gebete nicht so erhört werden, wie man sich das wünscht. «Wie kann Gott eine depressive Erkrankung zulassen?» Diese Frage beantwortete die theologisch versierte Rednerin mit der Feststellung: «Seelische Regungen und Nöte sind ein Teil des Menschseins. Gott mutet uns schwierige Lebensabschnitte zu. Er verspricht aber auch, uns im dunklen Tal nicht allein zu lassen.» Dabei dürften wir bei Gott durchaus klagen, das sei eine legitime Zuwendung zu Gott. Ein grosses Geheimnis seien Stellvertreter, die für einen Menschen, der dazu nicht mehr in der Lage sei, im Gebet einstünden und damit stellvertretend hofften und glaubten. Zudem könne es auch eine Chance sein, eine Lebenskrise durchzustehen, betonte Andrea Signer, die aktuell in der VBG und als Pastoralassistentin in der FEG Grosshöchstetten tätig ist. Mit dem Bild eines dampfenden Misthaufens veranschaulichte sie, dass nicht selten aus Mist Dünger wird, der nötig ist, um neues Wachstum zu ermöglichen.

CDs mit dem ganzen Referat können bei Therese Beetschen, Tel. 033 744 89 45, bestellt werden. Alle Angebote von Andrea Signer-Plüss unter www.andreasigner.ch


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