Der Campus von Le Rosey in Rolle: grosszügig, beeindruckend und zukunftsweisend

  09.01.2018 Bildung, Gstaad, Kunst, Schule

Die internationale Privatschule Le Rosey ist im Saanenland verwurzelt – dies, weil die gesamte Schule seit über 100 Jahren im Winter für zwei Monate nach Gstaad zieht. Gestern hat das diesjährige Winterquartal im Saanenland begonnen. Doch wie sieht der Campus in Rolle aus, wo die Schule ansässig ist?

BLANCA BURRI
Die Fahrt von Gstaad nach Rolle am Genfersee beträgt knapp zwei Stunden. Dort befindet sich der Hauptcampus der Privatschule Le Rosey. Die alte Schlossanlage liegt nicht direkt am See, sondern einen knappen Kilometer vom Ufer entfernt hinter dem Dorfkern. Eine weitläufige Parkanlage umfasst das Institutgelände. Um zur Schulanlage zu gelangen, passiert man ein Tor mit Security-Check. Danach folgt man einer Allee, bis man zum futuristischen Konzertsaal und Lernzentrum gelangt. Der Weg führt weiter zu einem grossen Parkplatz.

Exklusives Internat
Das Le Rosey gilt als eine der teuersten und exklusivsten Privatschulen der Welt. Die Eltern der rund 400 Schüler bezahlen pro Jahr rund 100 000 Franken. Der Campus vereint modernste Lerntechnik mit traditionellen Werten. Trotz des hohen Schulgeldes leben die Schüler nicht im Luxus, vielmehr sind die Zimmer einfach und zweckmässig eingerichtet, die regulären Schulzimmer ebenfalls. Man setzt auf kleine Klassen und speziell eingerichtete Laboratorien sowie Übungslokale. Durch das hohe Schulgeld ist die Schule nicht auf Sponsoren angewiesen und muss sich somit auch keiner Doktrin unterwerfen. Der Schule liegen die Lerninhalte und die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Schüler, die alle zwischen 8 und 18 Jahre alt sind, am Herzen. Der Alltag beginnt früh morgens nach dem Frühstück. Ein straffer Stundenplan zieht sich bis in die Nachmittagsstunden hinein. Danach geht es für Schüler und Lehrer zum Nachmittagsprogramm über, wo diverse Fachclubs und Sportkurse besucht werden. Ein intensiver Schultag endet nicht selten mit Hausaufgaben bis spät in die Nacht. Die Wochenenden verbringen die Schüler ebenfalls im Internatumfeld, oft werden Exkursionen unternommen oder Sportveranstaltungen besucht, von chillen ist keine Rede. Wenn man die Schüler während dem Winteraufenthalt in Gstaad beobachtet, erhält man vielleicht einen anderen Eindruck. «In Gstaad haben die Schüler ein etwas weniger gedrängtes Programm», so Christophe Gudin, Direktor und Mitbesitzer der Schule. Weil die Wohn- und Schulräume in Gstaad auf verschiedene Lokalitäten verteilt sind, müssen sie auch mehr dislozieren als in Rolle. «Unsere Schüler geniessen den etwas anderen Rhythmus in Gstaad sehr», weiss der Direktor. Für den Wintersport nutzen die Jugendlichen die lokalen Infrastrukturen wie die Bergbahnen, die dazugehörenden Skipisten oder das Eishockeyfeld und mischen sich so ganz natürlich mit der einheimischen Bevölkerung. «Das ist höchst willkommen», betont Gudin.

Schweizer Internat, Schweizer Werte
«Das Le Rosey ist ein Schweizer Internat mit internationalen Schülern», erklärt Christophe Gudin in seinem modernen, grosszügigen Büro im neuen Lernzenter in Rolle. «Natürlich ist es der Standort Rolle, der die Schule schweizerisch macht.» Das sei aber nur einer von mehreren Gesichtspunkten. Vielmehr seien es auch die Werte, die Traditionen und die Schulgepflogenheiten, welche typisch schweizerisch seien. Weit weg von Zuhause sei es aber trotzdem wichtig, dass die Schüler ihre Wurzeln zu ihrem Herkunftsland behielten. Dies geschehe durch die Muttersprache, die meistens auch im Rosey weiter studiert werde, zum Beispiel Türkisch, Bulgarisch, Mandarin, Urdu oder Swhaili.

Gemeinsam leben und lernen
Rund 170 Lehrer betreuen die Schüler. Der Ausdruck «betreuen» verwendet Christophe Gudin deswegen, weil ein Teil der Lehrer nicht nur für den Unterricht zuständig ist, sondern die Schüler auch durch den Alltag begleitet. Sie essen gemeinsam, wohnen im selben Gebäude und haben ein offenes Ohr für ihre Sorgen. «Dass die Lehrer mit den Kindern zusammenwohnen, macht unsere Schule einzigartig und ist typisch schweizerisch, denn in anderen Ländern gibt es meist externe Betreuungspersonen, die sich um die Freizeit und Unterkunft der Schüler kümmern.» Durch das Zusammenleben entstehe zwischen Schülern und Lehrern ein besonderes Band, das in der Alumni-Organisation weitergelebt werde.

Jungen- und Mädchensektion
Der Campus ist in eine Jungen- und eine Mädchensektion aufgeteilt. Für die Jüngsten gibt es sogar das Juniorcamp, wo Schüler ab 8 Jahren aufgenommen werden und in vier Klassen separat von den älteren unterrichtet und betreut werden. «Damit die Jüngeren dem Alter entsprechend aufwachsen können, leben sie in einem separaten Campus. Ein Campus im Campus sozusagen, wo auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen wird», erklärt Christophe Gudin.

Für die 12- bis 16-jährigen werden alle Fächer zweifach geführt, einmal in Englisch und einmal in Französisch, sodass die Schüler zweisprachig aufwachsen. «Die Schüler wählen selber aus, welches Fach sie in welcher Sprache absolvieren.» Das kreiere nicht nur ein grosses Verständnis für die Sprache, sondern auch für die Kultur, denn «beide Kulturen werden im jeweiligen Unterricht mit all ihren Eigenheiten gelebt und unterrichtet», so Gudin. «Wir verlangen von unseren Lehrern, dass sie auch die Mentalität, die hinter den zwei Sprachen liegt, weitergeben.»

Eliteuniversitäten
Mit 16 Jahren müssen sich die Roseyaner entscheiden, welchen Abschluss sie zwei Jahre später anstreben: das internationale «Baccalaureate» (70 %) oder das französische «Baccalauréat» (30 %). «Obwohl die Minderheit den französischen Abschluss macht, ist er für Le Rosey essenziell, denn so können wir beide Kulturen leben und sie unter einem Dach vereinen», sagt Gudin. Nach dem erfolgreichen Abschluss studierten die jungen Erwachsenen an diversen Universitäten auf der ganzen Welt – die meisten aber in den USA und in Grossbritannien, so der Direktor. «Rund 70 % der Schulabgänger besuchen sehr gute Universitäten, 30 % sogar Eliteuniversitäten», betont er.

Die Roseyaner verbringen im Schnitt vier Jahre in der Privatschule, die meisten absolvieren den Abschluss in Rolle, was bedeutet, dass nicht alle im selben Alter zum Le Rosey stossen.

Den Geist öffnen
Den Schulunterricht bezeichnet Gudin als ganzheitlich mit dem Ziel, die besonderen Fähigkeiten und Begabungen der Kinder zu entdecken und zu fördern. «Wir möchten, dass die Kinder aufgeweckt und neugierig durchs Leben gehen», argumentiert der 32-jährige Institutionsleiter. Das heisse aber auch, dass das Rosey den Kindern und Jugendlichen eine breite Fächerauswahl anbiete. Darunter befinden sich Naturwissenschaften, Geistes- und Sozialwissenschaften, Sprachen, Mathematik, Kunst und Musik. «Der Schulstoff wird mit vielen Aktivitäten im Freien, mit Exkursionen im In- und Ausland sowie mit Kulturbesuchen gefestigt.» Zusätzlich zum regulären Schulunterricht sind auch sportliche Aktivitäten und Clubs wie Bücherclubs, Kunstworkshops oder Theater Teil der Ausbildung der jungen Leute. Dazu gehören auch klassische Konzerte, die in der «Carnal Hall» stattfinden und die von den Jugendlichen besucht werden müssen. «Die Kinder sind zu jung, um sich bereits zu spezialisiern, vielmehr wollen wir, dass sie ihren Blickwinkel öffnen, ohne die Grundbildung zu vernachlässigen.»

Grosse Infrastruktur
Der Campus in Rolle ist 28 ha gross und bietet Platz für fast alle Wünsche: Praktisch jede Sportart, Freilichttheater und andere Aktivitäten können auf dem Gelände ohne Einschränkung ausgeführt werden. «Die Geländewahl war von den Gründern 1880 sehr vorausschauend», sinniert Gudin. Denn eigentlich sei der Kauf des Terrains etwas verrückt gewesen: «Das Grundstück bestand einzig aus einem alten Schloss, das ohne weitere Infrastruktur inmitten einer grossen Wiese stand.» Die heutige Besitzerin, die Familie Gudin, kann das Internat dank dieser Voraussicht weiterentwickeln, so wie sie es schon in den vergangenen Jahren gemacht hat.

«Meine Eltern haben den Campus kontinuierlich ausgebaut und erweitert, sodass die Schule pädagogisch gesehen immer am Puls der Zeit war.» Der letzte Wurf ist das grosszügige Kunst- und Lerncenter «Carnal Hall», das im futuristischen Look daherkommt. «Hier wollen wir ohne Schranken eines Klassenzimmers Lehren und Lernen, so sehen wir unsere Zukunft.» Der nächste Schritt wird die konkrete Anwendung von Wissenschaft und Unternehmertum sein. «Wir entwickeln zurzeit ein Wissenschaftsgebäude mit diversen Laboratorien, wo neben dem Unterricht auch Prototypen hergestellt werden können.» Dort sollen auch Start-ups von ausserhalb Platz finden. Der Austausch der Start-ups mit den Studenten erachtet Gudin als befruchtend und fördernd. Das neue Gebäude soll in den nächsten vier bis fünf Jahren realisiert werden und wird ähnlich gross dimensioniert sein wie die «Carnal Hall».

In Rolle integriert
Der Bau der «Carnal Hall» hat nicht nur den Unterricht beeinflusst, vielmehr auch die Rolle von Le Rosey in Rolle. Denn der Campus war bisher ein eigenes, in sich geschlossenes System. «Die Schüler haben alles auf dem Campus, was sie brauchen, und gehen nur selten ins Dorf», so Gudin. Im neuen Konzertsaal fänden regelmässig öffentliche Veranstaltungen statt, die von der Bevölkerung aus der Nachbarschaft besucht werden. «Dadurch gibt es eine engere Beziehung zwischen den Schülern und der einheimischen Bevölkerung», freut sich Gudin. Somit könne sich Le Rosey in der Gemeinde besser integrieren. «Das ist in Gstaad ganz anders, wo die Schüler oft im Dorf präsent sind, weil die Unterrichts- und Schlafräume auf unterschiedliche Standorte verteilt sind und es ganz natürlich ist, dass die Roseyaner mit Einheimischen in Kontakt kommen.»

Strenge Richtlinien
Damit ein Campus mit 400 Schülern überhaupt funktionieren kann, braucht es strikte Regeln. Es gibt drei, die nicht gebrochen werden dürfe – wenn doch, kann es zu einem Schulverweis kommen. Es dürfen keine Drogen konsumiert werden. «Mit regelmässigen unangekündigten Drogentests überprüfen wir die Schüler», hält Gudin fest. «Stehlen dulden wir nicht, denn beim Zusammenleben in einer Institutanlage muss man sich gegenseitig vertrauen können», sagt er zum zweiten Punkt. Aus sicherheitsgründen dürfen die Schüler das Gebäude nach dem Lichterlöschen nicht mehr verlassen. Dies habe mit der Sicherheit der Schüler zu tun, schliesslich studieren die Kinder aus Königshäusern, von internationalen Führungskräften und Politikern am Le Rosey. Die Sicherheit ist überhaupt ein grossgeschriebenes Thema und wird durch eine eigene Abteilung sichergestellt.

Zusammenleben, zusammenwachsen
Wie erwähnt kommen die Schüler von Le Rosey aus 70 verschiedenen Nationen. Sie durchlaufen ein strenges Aufnahmeverfahren. Für die jährlich rund 80 Plätze, die frei werden, bewerben sich rund 400 Schüler.

«Pro Nation nehmen wir höchstens 10 % Schüler auf.» Christophe Gudin begründet diese Regel damit: «Wir achten darauf, dass alle Schüler immer in der Minderheit bleiben. Das gewährleistet, dass die Studenten offen bleiben, immer auf ihr Gegenüber zugehen müssen und sich mit ihnen austauschen.» Die Herzensangelegenheit von Le Rosey ist eine echte kulturelle Durchmischung. Diese Regel gilt auch für Schweizer, obwohl sich die Schule auf Schweizer Boden befindet. Die Länder mit den meisten Schülern (5–10 %) sind die Schweiz, Frankreich, Russland, USA, England und China.

Le Rosey ist also eine Institution, die viel Wert auf Bildung, auf das Zusammenleben verschiedener Kulturen und die Entwicklung ihrer Schüler hin zu Führungspersonen mit Ethik legt. Wenn man dem Bericht von «Galileo» auf «ProSieben» Glauben schenkt, ist die Eliteschule kein Zuckerschlecken. Vielmehr durchlaufen die Schüler ein auf viel Fleiss bauendes Programm. Ein Programm, das ihre Sinne schärft, ihre Neugierde weckt und sie zu ihren Talenten hinführen soll.

https://www.rosey.ch


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