Der Verein Gstaad2020+ wurde aufgelöst

  19.01.2018 Gstaad, Vereine

Der Verein Gstaad2020+ war für diverse Neuerungen in der Destination verantwortlich. So war er auch Diskussionsplattform für die gemeinsame Destinationsstrategie. Jetzt wurde er aufgelöst. Gründungsmitglieder Hans-Ueli Tschanz und Christian Hoefliger erklären, weshalb.

BLANCA BURRI

Gstaad2 020+ hat in den letzten Jahren politische Entscheide mitgeprägt Weshalb wurde der Verein aufgelöst?
Christian Hoefliger:
Wir haben bemerkt, dass es Gstaad2020+ nicht mehr braucht. Deswegen wollten wir professionell sein, zogen die Konsequenzen und machten den Vorschlag zur Auflösung des Vereins.

Aus welchem Grund braucht es den Verein nicht mehr?
Hans-Ueli Tschanz:
Er hat ein vorübergehendes Vakuum ausgefüllt. Es fehlte nämlich eine Plattform, auf der sich alle Anspruchsgruppen über strategisch relevante Themen austauschen konnten. Früher hatte dies der Gemeinderat von Saanen sehr aktiv zelebriert. Als aber happige Themen wie die Bergbahnen, die Zweitwohnungsinitiative etc. kamen, wurde der institutionalisierte Austausch – vielleicht wegen Zeitmangel – etwas vernachlässigt. Mit der neuen Legislatur hat sich der Gemeinderat auf die Fahne geschrieben, die strategische Führung wieder in seine Hände zu nehmen. Ich gehe davon aus, dass das wiederbelebte Gremium die Sitzungen im ähnlichen Rahmen abhält wie Gstaad2020+. Ich bin gespannt.

Hat Sie die Gemeinde aufgefordert, den Verein aufzulösen?
Christian Hoefliger:
Nein, überhaupt nicht! Als wir erfahren haben, dass die Gemeinde die Volkswirtschaftskommission wiederbeleben will, haben wir uns getroffen, um zu hören, wie sie sich organisieren wird. Als wir vernommen haben, dass die Arbeiten in einem ähnlichen Rahmen weitergehen, wie wir es handhabten, hat es uns bestärkt, den Verein aufzulösen. Die strategischen Aufgaben liegen aus meiner Sicht in der Kernkompetenz der Gemeinde – es braucht auch keine Doppelspurigkeiten.

Ist der Bedarf, über zukünftige strategische Themen zu sprechen, heute geringer?
Hans-Ueli Tschanz:
Im Gegenteil. Er ist noch grösser geworden. Die Zeiten haben sich geändert. Wir tragen eine nicht geringe Verantwortung für die kommenden Generationen in der Destination Gstaad-Saanenland. Dieser wollen wir gerecht werden.
Christian Hoefliger: Die Herausforderungen sind ungleich höher, als sie noch vor zehn Jahren waren. Die Veränderungen im Tourismus, die Klimaveränderung und der eingeschränkte Zweitwohnungsbau fordern das Wirtschaftsmodell des Saanenlandes heraus. Trotz der einmaligen Region, in der wir leben dürfen: Wir müssen eruieren, welches Wirtschaftsmodell unter den künftigen Gegebenheiten erfolgreich funktioniert. Ich denke schon, dass wir hier alle gefordert sein werden.

Gibt es konkrete Hinweise darauf, dass es Anpassungen braucht?
Hans-Ueli Tschanz:
Ich glaube schon. Das möchte ich an einem Beispiel erklären: Vor kurzem erhielt ich von einem treuen Mäzen des Gstaad Menuhin Festival & Academy einen Anruf. Er sagte, dass er sein imposantes Chalet verkauft habe und weggezogen sei. Als Grund gab er die für seine Bedürfnisse zu geringe medizinische Versorgung im Saanenland an. Das und anderes geben mir zu denken.

Wie können wir uns die regulären Denkfass-Zusammenkünfte vorstellen, die Gstaad2 020+ organisiert hat?
Hans-Ueli Tschanz:
Es war ein sogenanntes Debattiergremium. Wir haben also für die Region relevante Themen wie Flugplatz Saanen, Bergbahnen, Jugend und ihre Zukunft im Saanenland, Hotellerie und die Jahreszeiten, Les Arts Gstaad oder Swiss Open Gstaad – um nur einige wenige zu nennen – aufgegriffen. Diese wurden erst von ausgewiesenen Fachpersonen vorgestellt, danach diskutiert. Da keine Beschlüsse gefasst wurden, haben wir eine grosse Narrenfreiheit genossen. Weil die Fachpersonen vor Ort waren, gab es profunde und relevante Diskussionen. Zwar haben wir auch zwei Positionspapiere verfasst, wichtiger waren aber die Diskussionen.

Welches Denkfass ist Ihnen besonders unter die Haut gegangen?
Christian Hoefliger:
Die öffentliche Veranstaltung im Hotel Bellevue im vergangenen März bezüglich der Bergbahnen. Es ist ein Beispiel dafür, wie das Thema BDG in einem wichtigen Moment der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und sich die Verantwortlichen der Diskussion stellten. Das war eine Veranstaltung, die es in dieser Form vorher nicht gab. Natürlich folgten daraus keine Beschlüsse. Auch war die Stimmung verständlicherweise sehr emotional. Aber zumindest gab es den Leuten die Möglichkeit, sich zu äussern und sich mit Führungskräften der BDG und der Gemeinde auszutauschen. Ich vergleiche es mit dem Speakers Corner, der in verschiedenen Ländern «in» war und bei dem man sich öffentlich über irgendein Thema äussern konnte. Wie erwähnt: Auch wenn aus diesem Denkfass kein direkter Beschluss hervorging, diente es sicherlich der Entkrampfung und «man sprach miteinander».

Wenn man sich öffentlich äussert, birgt das immer auch ein Risiko.
Christian Hoefliger:
Ja, der Weg der Denkfässer war nicht immer einfach, sondern durchaus auch steinig und mühsam. Es gab eine Situation, bei der ein Denkfass kurzfristig abgesagt werden musste, weil sich eine Partei plötzlich zurückgezogen hatte. Und zwar, weil sie sich zum Thema trotz vorheriger Zusage nicht öffentlich äussern wollte. Aber solch schwierige Momente konnten wir immer auch akzeptieren, man muss stetig nach vorne blicken und die diversen Interessensgruppen in ihrer Meinung auch respektieren.

Einen Moment lang waren Sie auch sehr konkret mit Arbeitsgruppen und Projektleitern unterwegs …
Christian Hoefliger:
Ja, wir wollten vom Denken ins Handeln übergehen. Wir haben hauptsächlich touristische und gesellschaftliche Themen in den Arbeitsgruppen bearbeitet. Weil es ein Milizsystem war, konnte das Kollektiv aber nicht die Kraft entwickeln, die wir uns alle erhofft hatten. Da stimmte die Wunschvorstellung nicht mit dem Resultat überein.

Einige Projekte wurden trotzdem erfolgreich weitergeführt.
Christian Hoefliger:
Produkte wie die riesigen, als Tisch nutzbaren Fondue-Caquelons, welche an den schönsten Orten der Destination zu finden sind, oder Gstaad Authentique wurden erfolgreich umgesetzt und laufen nun weiter. Sie gingen an Gstaad Marketing respektive den Gewerbeverein über.

Man hatte den Eindruck, dass das Grenzüberschreitende in Ihrem Gremium wichtig war.
Christian Hoefliger:
Ja, wir hatten nicht nur die relevanten Anspruchsgruppen aus der Region, sondern auch die vier Gemeinden Saanen, Lauenen, Gsteig und Zweisimmen in der Runde. Wir sind ja ein Wirtschaftsraum.


GSTAAD2020+
Wer?
– Tourismus (GST)
– Hotellerie
– Bergbahnen
– Gewerbeverein
– Schneesportlehrer und Bergführer
– Privatschulen
– Landwirtschaft
– Events
– Politik (Gemeinden Saanen, Zweisimmen, Gsteig und Lauenen)

Zeitspanne
– Die Idee entstand und erste Treffen fanden Ende 2009 zwischen dem Hotelierverein und GST, damals in der Person von Roger Seifritz, statt.
– Umwandlung eines losen Verbundes in einen Verein: 2012
– Auflösung: Januar 2018

Denkfassthemen 22 Themen wurden diskutiert, darunter:
– Flugplatz Saanen
– Gesundheitsversorgung
– Les Arts Gstaad
– Sportzentrum Gstaad
– Elevation 1049
– Touristische Destinationsstrategie


GEMEINDE WILL VOLKSWIRTSCHAFT MEHR GEWICHT GEBEN

Der Gemeinderat von Saanen hat sich auf die Fahne geschrieben, der Volkswirtschaft einen höheren Stellenwert in der Gemeinde zu geben. Aus diesem Grund wurde der bisherige gemeinderätliche Ausschuss Volkswirtschaft, der laut Toni von Grünigen (Gemeindepräsident) in den letzten Jahren kaum aktiv gewesen war, überarbeitet. Das neue Gremium soll «Gemeinderätliches Kontaktgremium Volkswirtschaft» heissen.

Ziel ist es, die Strategie zu den zukünftigen, nachhaltigen volkswirtschaftlichen Herausforderungen der Destination zu definieren und zu bearbeiten.

Laut Toni von Grünigen unterstehen die Änderungen dem fakultativen Referendum und werden in Kürze publiziert. Wird das Referendum nicht ergriffen, soll der neue Ausschuss schon bald tagen, auch regelmässige Zusammenkünfte im grösseren Rahmen sind vorgesehen.


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