«Liebe und Respekt sind am wichtigsten»

  12.01.2018 Bildung, Interview, Saanenland, Schweiz, Schule, Familie

Kay Matti ist der Inbegriff einer Spielgruppenleiterin im Saanenland. Die gebürtige US-Amerikanerin leitet die Sarina Playschool Group seit 31 Jahren und hat etlichen Kindern «Tschu-Tschu-Tschu en Isebahn chunt» beigebracht.

BLANCA BURRI

Kay Matti, Sie sind in Seattle geboren. Wie sind Sie in die Schweiz gekommen?
Ich habe in Kanada bei einer Firma gearbeitet, die mehrere Winterlodges mit Heliskiing betrieben hat. Ich habe als Gehilfin begonnen, war dann Köchin und schliesslich Lodgehausmanagerin. Dort habe ich meinen späteren Mann Hansueli Matti kennengelernt. Obwohl ich immer gesagt habe, dass ich nie einen Europäer heiraten möchte, bin ich mit ihm in die Schweiz gekommen (lacht herzlich).

Seit 31 Jahren sind Sie inzwischen Spielgruppenleiterin. Wie kam es damals dazu?
Als meine zwei Kinder klein waren, führte Debbie Hall Jutzeler die Sarina Playschool Group. Sie hatte die Spielgruppe gegründet und drei Jahre lang geführt. Eigentlich habe ich angeboten, ihr zu helfen, doch sie wollte sich beruflich verändern und hat mir die Spielgruppe übergeben. In meinen ersten beiden Jahren konnte ich Räumlichkeiten der Familie Sachs auf dem Oberbort nutzen. Als ich mit meiner Familie unser Haus auf der Wispile bezog, habe ich die Spielgruppe dort weitergeführt.

Sie waren Lodgehausmanagerin, danach Spielgruppenleiterin – das ist nicht ganz dasselbe …
Ich hatte selber zwei kleine Kinder und habe schnell gemerkt, dass ich in diesem Bereich arbeiten will. Im ersten halben Jahr habe ich mich hauptsächlich an die pädagogischen Prinzipien von Debbie Hall gehalten. Im Frühling, nachdem ich die Spielgruppe übernommen hatte, besuchte ich dann die Ausbildung zur Spielgruppenleiterin in Brienz, die einzige, die es damals gab. Später machte ich auch die Ausbildung zur Spieltherapeutin und ich habe auch weitere Weiterbildungen besucht.

Was gefällt Ihnen, wenn Sie mit Kindern arbeitet?
Bevor ich meine eigenen Kinder hatte, hatte ich wenig Bezug zu Kindern, aber danach hat es mich immer magisch zu ihnen hingezogen und umgekehrt ist es auch so. Ich liebe die Kinder, die tagtäglich zu mir kommen. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber es besteht meist sehr schnell ein unsichtbares Band zwischen ihnen und mir. Und ich spiele einfach gerne (lacht), ich sitze gerne am Boden oder am Tisch, um mit den Kindern zu spielen oder zu basteln, das finde ich toll.

Wie lange kommen die Kinder zu Ihnen?
Früher waren sie meist drei Jahre in der Spielgruppe. Seit sie mit vier Jahren in den Kindergarten müssen, kommen sie noch ein bis zwei Jahre zu mir.

Haben sich die Kinder verändert, seit Sie vor über 30 Jahren begonnen haben?
Eigentlich sind die Kinder nicht viel anders, als damals. (Überlegt lange.) Da die Kinder früher in der Spielgruppe ein Jahr älter waren, konnte man anders mit ihnen arbeiten. Heute kommen sie schon ab zweieinhalbjährig, wenn sie trocken sind. Sie haben ganz andere Bedürfnisse, als ältere Kinder. Was ich in all den Jahren tausende Male zu ihnen gesagt habe, ist: «Überlege und versuche, das Hirn einzuschalten.»

Sie unterrichten in Deutsch und Englisch. Welche anderen Sprachen kommen zusammen?
Dafür hole ich etwas aus: Früher war die Sarina Playschool Group die einzige Spielgruppe im Saanenland. Heute gibt es weitere sehr gute Spielgruppen und das ist gut so. Das heisst aber auch, dass die Kinder, die Schweizerdeutsch oder Deutsch als Muttersprache haben, in die Spielgruppen gehen, welche hauptsächlich in Deutsch geführt werden. Bei mir sind viele zweisprachige Kinder. Eine Kombination von Deutsch, Englisch, Französch, Spanisch oder anderen Muttersprachen ergibt sich.

In welcher Sprache erzählen Sie zum Beispiel eine Geschichte?
In Deutsch und in Englisch – oder in der Sprache, die es gerade braucht. Ich versuche die Kinder in Sprachgruppen einzuteilen, bis sie die andere Sprache besser verstehen.

In welcher Sprache sollen anderssprachige Eltern mit ihren Kindern sprechen?
Unbedingt in der Muttersprache, sonst kann es zu Problemen führen. Dadurch lernen sie die Muttersprache von Grund auf – auch die Finessen. Die Landessprache lernen sie später in der Spielgruppe und in der Schule. Kinder lernen so schnell, das geht meist ganz leicht.

Welche Momente geniessen Sie mit den Kindern besonders?
Ich finde es herzberührend, wenn ein Kind mich umarmt, aus spontanen Situationen heraus gibt es manchmal auch Gruppenumarmungen. Auch ich habe manchmal schlechte Tage. Ich erinnere mich an ein Mädchen, das dies immer gut gespürt hat und mich in solchen Situationen umarmt hat. Das hat geholfen.

Wie reagieren Sie, wenn eine Gruppe nicht so rund läuft, wenn es schwierige Kinder hat?
Ich versuche immer mit Liebe zu beginnen und mit Liebe weiterzufahren. Wenn ich merke, dass ich ein schwieriges Kind zu viel korrigiere und anfange zu nörgeln, versuche ich mich wieder zurückzunehmen. Es ist eigentlich egal, wo das Kind steht, wichtig ist einfach, dass es sich entwickelt.

Können Sie sich an eine besondere Geschichte erinnern?

Ich hatte ein Kind in der Spielgruppe, bei dem man merkte, dass mit ihm etwas anders war, aber man wusste nicht genau was. Es stellte sich heraus, dass es sehr grosse Mandeln hatte, die den Gehörgang beeinflussten und das Gehör verminderten. Wir nahmen an, dass dies der Grund war, wieso es sich schlecht ausdrücken konnte. Viel später wurde aber eine Form von Autismus diagnostiziert. Diese speziellen Kinder fordern mich zwar mehr als alle andern, aber das macht meinen Beruf auch sehr interessant. Ich überlege mir dann jeweils, wie ich mit diesen speziellen Kindern umgehen muss, damit wir es in der Spielgruppe gut haben.

Welche Rituale gehören zur Sarina Playschool Group?
Erst erzähle ich auf der Couch eine Geschichte, danach dürfen die Kinder eine Matte holen, auf der sie frei spielen können. Die Matte gibt an, wo ihr Revier ist, also welches Spielzeug ihnen gehört und welches dem Nachbarn. Natürlich können sie auch gemeinsam spielen. In all den Jahren ist mir besonders aufgefallen, dass die Kinder diese und andere klare Regeln brauchen. Sie sind auch auf die Meinung der Älteren, der Erwachsenen, angewiesen, an denen sie sich orientieren können.
Nach dem Spielen gibt es ein Znüni, das die Kinder helfen bereitzustellen. Wir nehmen die Wochentage und das Wetter durch und singen Fingerverse, bevor wir essen. Anschliessend basteln wir. Zum Schluss singen wir meistens ein Lied, spielen ein Kreisspiel oder Ähnliches. Es gibt jedes Jahr ein Weihnachtsfest und ein Schulabschlussfest im Sommer. Jedes zweite Jahr organisiere ich ein kleines Skirennen für die Familien.

Kay Matti, Sie sind inzwischen 66-jährig. Wie lange werden Sie die Spielgruppe noch leiten?
Das weiss ich noch nicht so genau. Ich würde gerne in Pension gehen, aber es wäre sehr schön, wenn ich erst noch eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger finden würde, der die Spielgruppe wiederum zweisprachig weiterführt.


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