Ausgrenzen, demütigen, schlagen

  13.03.2018 Gstaad

Mobbing macht auch vor den Schulhäusern des Saanenlandes nicht halt. Für Mobbing braucht es einen Anführer, eine applaudierende Gruppe, eine wegschauende Mehrheit und ein Opfer.

BLANCA BURRI
Ein Junge macht sich für den Turnunterricht bereit. Gerne würde er beim Aufstellen der Unihockeytore helfen. «Ich mach das schon», schnaubt ein Mitschüler. Daraufhin wird der Junge angerempelt. «Geh aus dem Weg», ruft ein anderer. Der Junge steht nun etwas verloren an der Turnhallenwand. Der Lehrer kommt. Die Mannschaften werden gewählt. Der Junge wird bis zum Schluss nicht aufgerufen. Nach der Turnstunde kleiden sich die Schüler um. Der Junge wird ausgelacht, als «Stinker» hingestellt. Durch die ständigen Demütigungen traut er sich nicht unter die Dusche. Irgendeinmal ist der Topf voll. Er schlägt zurück. In diesem Moment betritt der Lehrer den Umkleideraum. Wer ist aus der Sicht des Lehrers wohl der Schuldige für das agressive Verhalten? Richtig: Der gedemütigte Junge. Schliesslich hat der Lehrer nicht mitbekommen, wie er dauernd geplagt wurde.

Mobbing ist …
Doch was ist Mobbing? Eine Querele auf dem Pausenplatz? Ein Streit um den besten Sitzplatz? «Mobbing bedingt ungleichmässige Machtverhältnisse», hält Andreas Kohli von der Stiftung Berner Gesundheit fest. Die Attacken bestehen aus wiederholten, gezielten Demütigungen über eine längere Zeit, die absichtlich vollzogen werden. Weil die Situation kein Entfliehen erlaubt, verspürt das Opfer einen grossen Leidensdruck.

Mobbing hat Folgen
Die Folgen von Mobbing können gravierend sein. Angst vor der Schule und körperliche Beschwerden wie Schlafprobleme oder Bauchschmerzen sind nur die geringsten. Viel schlimmer sind der tiefe Selbstwert, den Mobbingopfer haben, und die Depressionen, die sich entwickeln können. In einigen Fällen führt Mobbing bis zum Freitod.

Mobbing feststellen
«Für uns Lehrpersonen ist es schwierig, Mobbing festzustellen, weil die Kinder sehr geschickt vorgehen», betont Christa Cairoli, stellvertretende Schulleiterin an der Schule Rütti. Deswegen seien sie auf Hinweise der Eltern angewiesen. «Bitte teilen Sie uns mit, wenn Sie spüren, dass sich ihr Kind Sorgen macht.» Dabei sei der Ton aber ausschlaggebend, wie Andreas Kohli fordert. «Wenn Eltern mit Anschuldigungen ins Haus platzen, ist das eine ungünstige Basis.» Vielmehr solle man die Lehrer fragen, ob sich ihre Beobachtungen mit dem decken, was das Kind Zuhause erzählt hat. Man solle die Lehrer auffordern, ein Auge auf die Situation zu werfen.

Mobbing unterbrechen
«Wichtig ist, dass die Erwachsenen hinschauen und Stellung beziehen», betont Kohli. Die mobbenden Kinder müssten spüren, dass dieses Verhalten nicht richtig sei und die Opfer müssten geschützt werden, soweit das gehe.Wenn zum Beispiel das Plagen auf dem Schulweg passiere, lohne es sich, sie so spät wie möglich auf den Schulweg zu schicken, um den Aufenthalt auf dem Pausenplatz zu verkürzen. «Man muss Massnahmen ergreifen, die pragmatisch sind und wirklich helfen», so Kohli. Sonst verlören die gemobbten Kinder das Vertrauen in die Erwachsenen und würden nichts mehr erzählen, sondern den Schmerz in sich hineinfressen und leiden.

Mobbing auch im Saanenland
Diese Informationen erhielten die Eltern vergangene Woche in der Schule Rütti. Andreas Kohli zeigte zu Beginn zwei Kurzfilme: «Wie Jungen mobben» und «Wie Mädchen mobben» (siehe Artikelanfang).

Es gebe immer wieder Mobbingfälle, beantwortete Christa Cairoli eine etsprechende Frage aus dem Publikum. Weil die Schule aktiv etwas dagegen unternehmen will, hat sich das Lehrerkollegium intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und zum Elternabend eingeladen. Um erfolgreich gegen Mobbing vorzugehen, müssten die Lehrpersonen und die Eltern ganz eng zusammenarbeiten, wie Kohli betonte. Nur dann könne es gelingen, diesen schleichenden und sehr undurchsichtigen Vorgang zu unterbrechen. «Dazu gehört auch, dass sich die Eltern am Küchentisch gegen Gewalt ausprechen.» Wenn man seinem Sohn auf die Schultern klopfe, wenn er einen Schulkameraden, den er nicht mag, verprügelt hat, sei das wirklich nicht gut.

http://www.schulen.saanen.ch/de/reglemente/? action=info&pubid=13453 https://www.facebook.com/Schule-Gstaad-R%C3%BCtti-1259905587371058/


REGELN

Damit sich alle in einer Klasse oder Gemeinschaft wohlfühlen können, gelten folgende Reglen:

– Alle reden miteinander, nicht über einander.
– Alle verzichten auf kränkende Spitznamen und Schimpfwörter.
– Alle lachen andere nicht aus, wenn sie einen Fehler machen oder etwas nicht können.
– Alle sehen hin und helfen, wenn jemandem Unrecht geschieht.
– Alle bilden keine Gruppen gegen Einzelne.
Stiftung Berner Gesundheit


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