Wo bleibt die Nachfrageseite oder die Zweitwohnungsbesitzer?

  15.08.2017 Leserbeiträge, Schönried

Als Besucher des Saanenlands seit über vierzig Jahren und Zweitwohnungseigentümer seit zwanzig Jahren verfolge ich die schon länger laufende Debatte um die Tourismusstrategie im Allgemeinen und die Strategie der BDG im Besonderen mit grossem Interesse, allerdings auch mit einer gewissen Frustration, weil meines Erachtens wichtige Themen kaum oder gar nicht angesprochen werden.

1. Es wird ständig überlegt, wie man neue Kunden anlocken könnte. Herausragendes Beispiel dafür ist die derzeitige Biker-Mania. Dabei wird aber kaum jemals die Frage gestellt, ob die neuen Kunden nicht möglicherweise das Geschäft mit den bisherigen Kunden beeinträchtigen könnten. Verschiedene touristische Nutzungen desselben Raums können sich gegenseitig stören. Dafür gibt es viele Beispiele. In diesem Fall ist vom Bruttonutzen der zusätzlich gewonnenen Kunden der Verlust bei den bisherigen Kunden abzuziehen. Der Nettonutzen der neuen Kunden ist dann geringer und kann sogar negativ werden. Das Thema verdient daher eine gründliche und vorurteilsfreie Diskussion.

2. Damit hängt ein zweiter Punkt zusammen. An der Strategiedebatte nehmen immer dieselben einheimischen Protagonisten von der Angebotsseite teil. Das ist natürlich richtig und notwendig. Aber wo bleibt eigentlich die Nachfrageseite? Mir ist nicht bekannt, ob es jemals eine umfassende Befragung der Kundschaft gegeben hat. Ich lese nur hin und wieder meist sehr kritische Leserbriefe und bin nicht sicher, ob man die kritischen Stimmen einfach ignorieren kann mit dem Argument, die Zufriedenen sagten ohnehin nie etwas. Das hat etwas, aber auch bei den Unzufriedenen braucht es viel, bis sie sich äussern. Eine umfassende Befragung wäre in jedem Fall nützlich, und dabei wäre eben gerade auch Gelegenheit, nach den zuvor erwähnten Konfliktmöglichkeiten zu fragen.

3. Alle wollen eine hohe Wertschöpfung, und diese ist am «leichtesten» mit dem Luxustourismus zu erreichen. Soweit so gut. Aber die Kehrseite der Medaille ist eine höhere Volatilität, also ein höheres Risiko. Es steht nirgendwo geschrieben, dass die Jungen, Schönen und Reichen auch besonders treu seien. Das Gegenteil ist eher zu vermuten, nicht zuletzt deswegen, weil ihnen natürlich ständig von allen Seiten verlockende Angebote gemacht werden. Die Verdrängung des schweizerischen Mittelstands, der einmal zu den Ankerkunden gehörte, ist in vollem Gang und erhöht die Volatilität.

4. Und in diesem Zusammenhang ist, teilweise überlappend mit den vorherigen Punkten, auch ein Wort zum Stellenwert der Zweitwohnungen in der Strategiedebatte zu sagen. Man gewinnt den Eindruck, dass sie nur als Zahler von Steuern, Gebühren und Kurtaxen wahrgenommen werden. Ein kommunaler Beamter in Saanen hat es mir gegenüber im Zusammenhang mit der unseligen Idee, auf dem Plätzli in Schönried einen Winterparkplatz einzurichten, einmal so auf den Punkt gebracht: «Wenn Sie verkaufen, kauft ein anderer. Das ist uns gleich.» Diese Denkweise ist zu kurz gegriffen. Wohnungseigentümer gehören eindeutig zu den Ankerkunden und können im Familien- und Freundeskreis grosse Werbewirkung, aber eben auch das Gegenteil bewirken. Zudem lassen sie im Laufe ihres Lebens im hiesigen Gewerbe, Einzelhandel, Gastgewerbe, etc. bedeutend mehr Geld liegen als die Tages- und Last-minute-Touristen, um die sich alles dreht. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, die Wohnungseigentümer habe man ohnehin auf sicher, man könne sich daher ausschliesslich dem Zusatzgeschäft widmen. Der gegenwärtige Kater nach der jahrelangen Immobilienparty sollte das eigentlich wieder einmal ins Gedächtnis rufen.

5. Das ist nun schon eine beachtliche, aber nicht vollständige Liste von wichtigen Punkten. So lange diese nicht geklärt sind, ist die Tourismusstrategie auf Sand gebaut. Und das soll das Fundament für Investitionen von erheblichem Ausmass und mit grossen langfristigen Folgekosten sein?

HENNER KLEINEWEFERS, GRENG/FR UND SCHÖNRIED


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