«Die Berufslehre hat Zukunft»

  15.09.2017 Bildung, Gstaad, Saanenland, Schweiz

Rund zwei Drittel aller Jugendlichen, die vor der Berufswahl stehen, entscheiden sich für eine berufliche Grundbildung. Trotzdem bleiben immer mehr Lehrstellen unbesetzt. Der «Anzeiger von Saanen» traf drei gestandene Berufsleute, die für eine solide Grundbildung appellieren und mit gutem Beispiel zeigen, was heute mit einer Berufslehre möglich ist.

KERSTIN BÜTSCHI
Mitten in Gstaad, rund um den Cheseryplaz, stehen das Restaurant Chesery, das Goldschmiedeatelier Kunz und die Buure Metzg. Sie alle haben etwas gemeinsam: Sie werden von erfolgreichen Berufsleuten geführt, die Robert heissen. Sie haben alle unterschiedliche Hintergründe und komplett verschiedene Berufslehren absolviert: Robert Speth lernte Konditor/Confiseur, anschliessend Koch, Robert Kunz Goldschmied, zusätzlich Gemmologe (Edelsteinfachmann) und Robert Bratschi Metzger. Eines haben sie gemeinsam: Die Passion für den Beruf und das jahrzehntelange Führen ihrer Betriebe.

Gefragte Fachleute
In der Schweiz interessierten sich im April 2017 gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hochgerechnet 71 000 junge Leute für eine berufliche Grundbildung, freie Lehrstellen gibt es rund 79 000. Es zeigt sich: Auch dieses Jahr werden Lehrstellen unbesetzt bleiben. Auch im Saanenland macht sich die Tendenz nach weniger Lernenden bemerkbar. In der Schweiz können die Jugendlichen heute aus über 230 Lehrberufen auswählen, die Menschen sind mobiler und der Wohlstand ist gestiegen. «Heute ist die Auswahl enorm und Fachkräfte werden auf der ganzen Welt gesucht», erklärt Kunz. Es sei schwierig, Angestellte zu finden, die auf dem Land in einem Saisonbetrieb arbeiten wollen. «Viele kommen mit völlig falschen Vorstellungen ins Saanenland und suchen beim Spaziergang durch die Promenade die Innenstadt», erzählt Robert Speth lachend. Speth als Spitzenkoch hat seit einigen Jahren keine Anfragen mehr von Lehrlingen. Robert Kunz bildete infolge des saisonalen Betriebs und Kleinbetriebs keine Lernenden aus, stellte jedoch während 30 Jahren junge, ausgebildete Berufsleute nach der Lehrzeit zur Weiterbildung ein (früher waren es die nötigen Wanderjahre). Nur Robert Bratschi bildet momentan Lehrlinge aus, ausschliesslich in der Produktion. «Im Verkauf haben wir keine Lehrlinge, das ist schade.»

Den Jungen die Augen öffnen
Alle drei sehen zunehmend die Tendenz, dass die Eltern das Gefühl haben, dass ihre Kinder studieren müssen. «Ich empfehle jungen Leuten eher, zuerst eine Lehre zu machen und danach sich gezielt weiterzubilden und zu studieren. Wer weiss schon mit 15 Jahren, was einmal der richtige Weg und der richtige Beruf sein soll? Eine Berufslehre ist in den meisten Fällen eine sehr gute Basis und man wird langsam erwachsen, was auch hilft, sich ein klareres Bild für die Zukunft zu machen», erklärt Robert Kunz, während die anderen beiden zustimmend nicken. Hier gehe es darum, den Jungen die Augen zu öffnen. «Früher lernte man einen Beruf und übte ihn ein Leben lang aus», erklärt er weiter. Im dualen Berufsbildungssystem der Schweiz kann man sich jedoch heutzutage in allen Berufen weiterbilden. «In Amerika kennt man die vorbildliche und vielseitige Berufsausbildung, wie sie in der Schweiz üblich ist, nicht. Man bewundert unser System sehr. Ich habe jedoch manchmal das Gefühl, dass wir eher dazu tendieren, ihr System zu kopieren», erklärt Robert Kunz. Da man in den Vereinigten Staaten von Amerika die Berufslehre so nicht kennt, sollten die jungen Leute, wenn immer möglich, ein Studium absolvieren. Alle drei sehen darin auch Nachteile: «Es ist wichtig, dass die jungen Berufsleute der Berufslehre eine Wichtigkeit zuschreiben. Lernen, wie man Grundprodukte und Materialien verbessert, umändert oder gestaltet – ob in der Elektronik, Mechanik oder in der Gastronomie – ist sehr wichtig!» ertönt es einstimmig.

Der Werdegang von Robert Bratschi, Robert Kunz und Robert Speth zeigt, dass die berufliche Grundbildung auch Zukunft hat und Erfolg verspricht – solange man etwas daraus macht und seine Chancen nutzt.


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