«Es braucht nicht den grossen Wurf»

  12.09.2017 Saanenland, Saanen

Der Gemeinderat von Saanen hat die Legislaturziele 2017–2020 verabschiedet. In erster Linie gehe es darum, die hohe Lebensqualität zu halten und zu fördern, sagt Gemeindepräsident Toni von Grünigen im Gespräch mit dem «Anzeiger von Saanen».

ANITA MOSER

Toni von Grünigen, inwiefern unterscheiden sich die Legislaturziele von den vorangegangenen?
Die Oberziele haben sich seit der letzten Legislatur nicht verändert, sie wurden allenfalls leicht angepasst. Wir wollen die hohe Lebensqualität für Einwohner und Gäste halten und fördern. Diesem Ziel ist alles untergeordnet.

Was heisst das konkret?
Unser Landschaftsbild ist unser Kapital. Konkret heisst das, wir müssen einerseits Sorge tragen zum intakten Landschaftsbild, und zwar zur Kulturund Naturlandschaft und wirtschaftlich wollen wir uns dafür einsetzen, dass alle nachhaltig profitieren.

Welches ist der Hauptschwerpunkt der aktuellen Legislatur?
Das ist ganz klar die Volkswirtschaft. Es gibt ein Kontaktgremium Volkswirtschaft, darin vertreten sind die Gemeinde, das Gewerbe, die Landwirtschaft, der Dienstleistungssektor sowie der Tourismus. Wir pflegen einen intensiven Austausch. Wir wollen zusammen eine Entwicklung vorgeben, planen, erarbeiten. Damit man eine breitere Abdeckung hat, wollen wir das Kontaktgremium etwas ausweiten.

Weshalb?
Mit der Destinationsstrategie haben wir die touristische Ausrichtung definiert. Die Gemeinde steht voll hinter dieser Strategie – es steht aber noch ein langer Weg bevor. Es braucht aber auch eine wirtschaftliche Strategie, eine, die alle Bereiche des Lebens abdeckt, vom Kleinkind über die Schule bis zum Altersheim.

Gibt es konkrete Ziele, Projekte?
Ziel ist es, dass man hier ein Auskommen hat, dass junge Leute eine Perspektive haben, Entwicklungsmöglichkeiten, damit sie nicht wegziehen müssen, um sich zu entfalten. Der grossen Mehrheit geht es im Moment relativ gut. Aber es geht nicht nur um Wohlstand. Wohlfahrt – das Gemeinwohl – trifft es besser. Es braucht nicht den grossen Wurf, sondern wir müssen zu dem, was wir haben, Sorge tragen.

Das neue Raumplanungsgesetz ist sehr restriktiv. Neueinzonungen sind kaum mehr möglich. Und bestehende Bauten ausserhalb der Bauzone dürfen seit etwa einem Jahr in der Regel nicht mehr erweitert werden. Wie steht die Gemeinde Saanen dazu?
Einerseits müssen wir die kantonalen Gesetze sowie die des Bundes umsetzen. Andererseits gilt es in Anwendung dieser Gesetze, das Potenzial für innere Verdichtung herauszufinden. Bei der Nutzung von bestehenden Bauten bestehen in der Tat noch Differenzen mit Bund und Kanton. (Der Bund hatte 2016 den Kanton angewiesen, eine strengere Praxis bei Ausnahmebewilligungen für Erweiterungen des Gebäudevolumens bei altrechtlichen Wohnbauten ausserhalb der Bauzone anzuwenden/Anm. der Redaktion). Die Oberländer Gemeinden haben sich zusammengetan und eine entsprechende Resolution verabschiedet. Unser Ziel ist es, die enge Auslegung des Gesetzes wieder rückgängig zu machen. Unterstützt werden wir auch von Grossräten und von eidgenössischen Parlamentariern, so auch von Nationalrat Erich von Siebenthal.

Mit dem geplanten neuen Campus für das Institut Le Rosey oder mit dem Kulturbau Les Arts Gstaad stehen zwei Grossprojekte an. Was bedeuten diese in Bezug auf die Legislaturziele? Hilft die Gemeinde zum Beispiel aktiv mit bei der Suche nach einem Standort für das Rosey?
Beide Projekte haben für uns eine hohe Wichtigkeit. Die Verantwortlichen vom Le Rosey haben sich eine Auszeit von einem Jahr genommen, um ihre Strategie zu überdenken. Bei Les Arts ist die Planung weit fortgeschritten, die Finanzierung aber noch nicht gesichert.. Wir sind im Gespräch mit den Verantwortlichen aller Grossprojekte und wir werden diese unseren Möglichkeiten entsprechend unterstützen.

Der Bäuertanspruch gab bei den letzten Wahlen zu reden. Wird er gekippt?
Es sind gewisse Anpassungen beim Organisationsreglement und der entsprechenden Verordnung sowie dem Abstimmungs- und Wahlreglement notwendig. Der Bäuertanspruch ist sicher ein Punkt, den es zu diskutieren gilt.

Ihnen ist es ein Anliegen, bei den Jugendlichen das Interesse für die Politik zu wecken respektive deren Bedürfnisse zu erfahren. Gibt es schon Erkenntnisse?
Ich bin mit Jugendlichen vom OSZ zusammengekommen und wir hatten eine gute Diskussion. Dabei ist stark herausgekommen, dass das – fehlende – Ausgangs- und Unterhaltungsmöglichkeiten dasjenige ist, was sie mit Abstand am meisten brennt. Da besteht klar Handlungsbedarf. Wenn die Jugendlichen konkrete Ideen und Projekte vorbringen, werden wir sie unterstützen.

Fehlende Ausgangsmöglichkeiten für die Jugendlichen sind seit Jahren ein Thema. Seit bald sieben Jahren gibt es das Jugendund Freizeitzentrum im Oeyetli. Was braucht es mehr?
Das Zentrum wird vor allem von Schülern und Jugendlichen genutzt. Es fehlt aber an Angeboten für junge Erwachsene zwischen 18 und 25 Jahren. Sie sind mobil, fehlt es an Angeboten hier, gehen sie weiter weg. Eine Projektgruppe ist daran, das Konzept des Jugendund Freizeitzentrums zu überprüfen. Allenfalls kann man etwas Ergänzendes für diese Altersgruppe anbieten.

Wie steht es um den Finanzhaushalt der Gemeinde mit Blick auf die neue Legislatur?
Damit wir die Steueranlagen und Gebühren weiterhin auf einem attraktiven Niveau halten können, ist ein ausgeglichener Finanzhaushalt wichtig. Im Moment ist der Selbstfinanzierungsgrad unter 100 Prozent. Den möchten wir erhöhen, damit wir jene Projekte, die wir bauen wollen, selber finanzieren können. Es stehen grosse Ausgaben an: für die Bergbahnen oder für unseren Teil von Les Arts Gstaad – die Zufahrt, das Parkhaus und den Busbahnhof. Diese Ausgaben sind fix eingeplant im Finanzplan.

Stichwort Bergbahnen: Die BDG will nur noch das Grundangebot finanzieren, was darüber hinausgeht, soll mit Leistungsaufträgen finanziert werden.
Wir möchten langfristig planen – zusammen mit allen involvierten Gremien, namentlich mit der BDG, dem Hotelierverein, dem Gstaad Saanenland Tourismus usw.

Ist eine Steuererhöhung geplant, um Schulden abzubauen?
Ich gehe nicht davon aus. Ich rechne damit, dass mit der Änderung der amtlichen Bewertung der Liegenschaften die Steuererträge steigen.

In den letzten Jahren wurden mehrere Schulhäuser geschlossen. Geht es in diesem Stil weiter?
Nein, wir wollen nicht weiter zentralisieren. Uns ist eine dezentrale Schulstruktur ganz wichtig. Nach Möglichkeit sollen also keine Schulhäuser mehr geschlossen werden.

Gilt das auch für das Gymnasium und die Wirtschaftsschule?
Die Erwachsenenbildung hat eine grosse Bedeutung. Wir werden alles daran setzen, dass die beiden Schulen hier bleiben. Ein Abbau ist derzeit aber kein Thema, es gibt keine entsprechenden Signale.

Gibt es weitere Herausforderungen im Ressort Bildung?
Wir wollen die Lehrkräfte bei der Umsetzung des Lehrplans 21 nach unseren Möglichkeiten unterstützen, ebenfalls die Anpassung der Stundenpläne an den ÖV-Taktfahrplan.

Die Gemeinde Saanen besitzt viele Liegenschaften. Was steht diesbezüglich an?
Bei den Schulliegenschaften müssen wir uns überlegen, was mit der alten Turnhalle im Ebnit geschehen soll. Im Moment wird sie für den Mittagstisch genutzt. Die gemeindeeigenen Wohnungen müssen wir in Stand halten. Geplant ist, dass wir alle zwei Jahre ein Wohngebäude sanieren.

Apropos Wohnungen: Ist Wohnraum für Einheimische nach wie vor ein prioritäres Thema?
Eigentlich nicht. Die Situation hat sich entspannt. Es hat zurzeit genügend leere Wohnungen, damit ein gewisser Markt besteht.

In vielen Gemeinden sorgt die Unterbringung von Asylbewerbern für Diskussionsstoff. Hier hört man kaum etwas.
Das ist so. Wichtig ist uns, dass wir die Asylbewerber sinnvoll beschäftigen und ihnen somit einen Tagesinhalt geben.


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