Fünf Velobegeisterte aus dem Saanenland auf Tour im Südtirol und Bündnerland

  22.09.2017 Gstaad, Sport, Schweiz, Natur

REISEBERICHT Während einer Woche waren fünf Saaner mit den Fahrrädern unterwegs im Südtirol und Bündnerland.

Mittwoch, 30. August: Start im Montafon
Hans fährt uns mit Auto und Anhänger von Gstaad ins Montafon. Am Mittwoch trafen sich frühmorgens Margrit und Hans Reuteler mit Ernst Linder zum Velo- und Gepäckverlad in Gstaad. Auf der Fahrt zum Startort in Frastanz bei Feldkirch im Vorarlberg gesellte sich Peter Hänni in Thun zu der kleinen Gruppe, die insgesamt aus sechs Velobegeisterten bestand. Dagobert Kuster und Bruno Schwager hatten sich bereits am Montag in Olten auf den Weg gemacht, um die Strecke von 250 km bis ins Vorarlberg zurückzulegen. Leider musste sich Dago in Siebnen infolge Sturz mit Verletzungsfolge von Bruno verabschieden – die Gruppe war nun auf fünf Teilnehmer reduziert. Dago wünschen wir auf diesem Weg gute Besserung.

Bei schönstem Hochsommerwetter trafen die Saaner am Mittwochmittag in Frastanz ein, wo Bruno sie bereits erwartete. Zu fünft strebten wir nun auf geteerten Radwegen in flottem Tempo durchs Montafon unserem Tagesziel Gaschurn entgegen. Im schmucken Vorarlberger Dorf genossen wir auf einer Hotelterrasse das Abendessen und den Humor unseres Kellners aus Slowenien.

Donnerstag, 31. August: von Gaschurn über die Bielerhöhe nach Landeck
In der Früh nahmen wir die Strecke unter die Räder. Die Wetterprognose zeigte klare Tendenz zu Regen und frostigen Temperaturen – der Herbst kündigte sich an. Nach einem zweistündigen Aufstieg mit teils ruppigen Steigungen von über 10 % erreichten wir gegen 11 Uhr die Passhöhe der Silvretta-Hochalpenstrasse. Obwohl wir im Aufstieg von einem kurzen Regenguss überrascht wurden, zeigte sich nach wenigen Minuten wieder die Sonne, die Temperaturen waren recht angenehm mit 12 bis 15 Grad.

Nach einer rasanten Abfahrt durchs Paznauntal, mit einem Abstecher nach Ischgl, erreichten wir am frühen Nachmittag unser Hotel in Landeck.

Kaum waren wir angekommen, setzte starker Regen ein, es wurde empfindlich kalt. Dies hielt uns aber nicht davon ab, bei toller Stimmung im Team im schmucken Hotelrestaurant zu dinieren und dabei Kriegsrat zu halten über den kommenden Tag.

Freitag, 1. September: von Landeck über den Reschenpass nach Laatsch im Vinschgau
Beim Frühstück wurde uns klar, dass die heutige Etappe nicht auf dem Rad zurückgelegt werden konnte: Petrus hatte die Schleusen noch weiter geöffnet, die Temperaturen waren zu kalt.

Nun zeigte Margrit ihr Talent als Organisatorin von Veloreisen. Wie aus dem Nichts kam ein neues Element ins Programm. Genuss statt Stress. Anstelle der Velofahrt via Martina über den Reschenpass wurde verladen und das Wellnesshotel Gerstl oberhalb Mals angesteuert. Wir genossen den Pool mit grandioser Aussicht in den Vinschgau, die verschiedenen Saunas usw. und liessen den Besuch mit einem feinen Imbiss zu Ende gehen.

Auf dem Weg ins Hotel in Laudes im Vinschgau hielten wir Einkehr im höchstgelegenen Benediktinerkloster Europas, dem Kloster Marienberg, gelegen auf einer Aussichtsplattform oberhalb Burgeis. Unsere Blicke schweiften hinab ins Tal der Millionen Obstbäume und Reben, ein wahres Paradies für Landwirte.

Samstag, 2. September: Meran
Infolge der schlechten Wetterverhältnisse wurde die Reiseleiterin für einmal überstimmt, auf die geplante Tour zu verzichten und als Ersatzprogramm die bekannte Stadt Meran per Vinschger Bahn anzusteuern.

Der Rundgang durch die Stadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten, den barocken Prachtsbauten, der Gang über den Markt und die Einkehr in eines der vielen Hofrestaurants entschädigten uns für das garstige Wetter, das sich jedoch bereits ab Mittag versöhnlich zeigte. Vor der Rückkehr ins Hotel besichtigten wir noch das mittelalterliche Städtchen Glurns. Die Sonne kehrte gegen Abend zurück, es wurde wärmer, gute Voraussetzungen für die kommenden Tage in den Bergen.

Sonntag, 3. September: von Laudes/Laatsch nach Santa Maria im Münstertal
Bei strahlendem Sonnenschein ging es um 9 Uhr los in Laudes. Die Strecke führte mit zahlreichen Kurven via Taufers in die Schweiz nach Santa Maria. Unterwegs wurde Halt gemacht beim weltberühmten Benediktinerkloster St. Johann in Münster. Schon um 11 Uhr kamen wir im Hotel an, der Rennradfahrer auf der Strasse, der Rest der Gruppe auf dem Radweg entlang des Rombachs. Der Höhenmesser zeigte 1450 m, die heute zurückgelegte Höhendifferenz betrug knapp 500 Höhenmeter.

Allen Velofreaks ist die Passfahrt über das Stilfserjoch via Umbrailpass ab Santa Maria ein Begriff. Plötzlich machte sich in unserer Gruppe eine gewisse Hektik breit, statt Jassnachmittag und Fussballabend wurde über den Challenge Umbrail und noch verrückter, Stilfserjoch, diskutiert. Warum denn nicht, es ist ja erst Mittag, sagten die einen, während der andere Teil der Gruppe immer noch nicht wusste, was da vor sich ging …

Auch hier zeigten sich einmal mehr die Kameradschaft und der Teamgeist. Wir fanden einen Kompromiss: Margrit auf ihrem Elektrobike und Ernst auf dem Mountainbike wollten den Umbrail bezwingen. und nochmals 1000 Meter in die Höhe steigen. Die anderen Teammitglieder inkl. Chauffeur wollten heute mindestens 1000 Höhenmeter erreichen. So ist es denn auch geschehen und ich wette darauf, hätte auf dem Umbrail auf 2500 m nicht Schnee gelegen, Margrit und Ernst hätten auch das Stilfserjoch auf 2800 m noch bezwungen. Bravo, eine tolle Leistung!

Die rasante Abfahrt nach Santa Maria, nach einem Zwischenhalt mit Zvieri, waren Entschädigung für die vergossenen Schweisstropfen in den unzähligen steilen Kehren hinauf zu den genannten Pässen, dem Mekka der Gümmeler.

Mit Capuns, Maluns und Plain in Pigna zum Znacht lernten wir traditionelle Bündner Gerichte kennen.

Montag, 4. September: von Santa Maria via Ofenpass nach Zernez
Bei frischen Temperaturen, aber schönem Wetter starteten wir gegen 9 Uhr Richtung Ofenpass. Wie schon in den vergangenen Tagen wählten die Tourenvelofahrer die als Radweg ausgeschilderte Strecke entlang der Dörfer Fuldera und Tschierv. Es ging ohne Pause immerfort in die Höhe, über Blumenwiesen und Naturstrassen, entlang von Bergbächen, über reissende Furten und dann endlich ab Tschierv zurück auf die Passstrasse. Der Schreibende mit seinem Rennrad war etwas überfordert von dieser Streckenwahl, er wurde jedoch sehr solidarisch auf seinem Fussmarsch von Margrit begleitet.

Gegen 14 Uhr war die Passhöhe gemeistert. Eine tolle Schussfahrt ins Engadin stand bevor, unterbrochen von einer kurzen, aber giftigen Gegensteigung, die wir – nun Passgewohnten – mit Bravour meisterten.

Früh am Nachmittag trafen wir in der Unterkunft in Zernez ein: Ein B&B, zu hundert Prozent im Engadiner Stil, eingerichtet mit stilvollen Möbeln und vielen Antiquitäten, lud zum Verweilen ein. Und wiederum setzte sich Margrit in Szene mit ihrer Wahl, zum Nachtessen nach Guarda zu fahren, diesem Juwel von Engadiner Dorf mit stilvollen alten Häusern und engen Gassen. Wussten Sie, dass die Geschichte vom «Schellen Ursli» hier geschrieben wurde?

Dienstag, 5. September: von Zernez via Berninapass ins Puschlav und weiter nach Italien
Bei feinem Nieselregen und kühlen Temperaturen nahmen wir die letzte Etappe unserer Veloreise in Angriff. Während der schreibende Rennvelofahrer die 35 Kilometer nach Pontresina auf der Strasse absolvierte, wählte die Gruppe die empfohlene Veloroute entlang dem Inn. Gemeinsam ging es nach der Mittagspause bei blauem Himmel und angenehmer Temperatur über den Berninapass (2330 m) nach Poschiavo. Unterwegs konnten wir den Morteratschgletscher, den Piz Bernina und weitere frisch verschneite Gipfel bewundern sowie die Rhätische Bahn aus nächster Nähe bestaunen. Nach dem Zvierihalt auf dem malerischen Dorfplatz von Poschiavo, nach einer rasanten Talfahrt mit Spitzen von 70 Stundenkilometern, wurde uns klar, dass wir die Front Nord/Süd durchbrochen hatten. Es herrschten plötzlich Temperaturen, die uns von der Regenkleidung ins T-Shirt wechseln liessen.

Angekommen in Tirano, verluden wir die Räder und fuhren mit Hans, welcher uns die ganze Zeit als Chauffeur unbezahlbare Dienste geleistet hatte, an unseren Etappenort Chiavenna. Dieser rund 80 km weite Umweg war infolge der Bergstürze im Bergell nötig geworden. Ursprünglich hatten wir via Malojapass durch das Bergell fahren wollen.

Mittwoch, 6. September: von Chiavenna nach Hause
Nachdem wir am Vorabend bei einem vorzüglichen italienischen Essen und einem ebenso guten Wein schon Pläne geschmiedet hatten für das nächste Jahr, bestiegen wir gegen 9 Uhr das Auto. Nun stand uns eine lange Heimfahrt bevor, zuerst über die engen Kehren des Splügenpasses und danach auf Autostrasse und Autobahn via Zürich nach Egerkingen, wo sich der Schreibende von der Gruppe verabschiedete.

Nachtrag
Im Jahre 2000 erschien im «Anzeiger von Saanen» ein Artikel über «die andere Tour de France», die bei mir als Teilnehmer immer noch in bester Erinnerung ist.

Fast 20 Jahre später kann ich die Schlussworte von damals eins zu eins wiederholen: Das, worauf man sich so lange vorbereitet und gefreut hatte, war plötzlich zu Ende. Etwas Einmaliges war vorbei, aber es geht sicher nie vergessen. Ein herzliches Dankeschön an Margrit und Hans, welche die ganze Reise vorzüglich vorbereitet, Routenänderungen oder andere Sonderwünsche mit Humor gekontert haben und sich ein grosses Lob für ihre Arbeit verdienen. Ein grosses Dankeschön an Dago, Ernst und Peter für ihre Freundschaft. Die unzähligen Stunden auf dem Velo – teilweise echt herausfordernd –, die vielen guten Gespräche am Kaminfeuer und die Unterstützung bleiben mir immer in bester Erinnerung.

Einen Sonderwunsch erlaube ich mir am Schluss: Wir möchten auch nächstes Jahr wieder eine Radtour organisieren, eine Teilnehmerzahl von mindestens zehn Personen wäre super.

BRUNO SCHWAGER


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