Keine Angst vor digitalen Geschäftsmodellen

  12.09.2017 Saanenmöser, Volkswirtschaft

Die 20. Wirtschaftsbrunch-Serie der Volkswirtschaft Berner Oberland rückte die Themen Digitalisierung und Bildung in den Fokus. Ein gutes Dutzend Personen besuchte am vergangenen Freitagmorgen den Anlass in Saanenmöser. Dr. Lukas Rohr, Departementsleiter Technik und Informatik an der Berner Fachhochschule, zeigte in seinem Referat auf, welche Chancen und Gefahren die Digitalisierung mit sich bringt.

Der Dienstleistungssektor und im Speziellen der Finanzsektor sei sehr stark und schon sehr früh von der Digitalisierung betroffen gewesen, betonte Oliver Waser, Leiter der Berner Kantonalbank in Gstaad und Vertreter des Sponsors der Wirtschaftsbrunchserie. «Bankgeschäfte braucht es, aber Banken nicht unbedingt», habe Bill Gates schon vor längerer Zeit gesagt. Das bedeute wohl, dass es ihn und die anderen anwesenden Banker irgendwann nicht mehr brauche, schlussfolgerte Waser. Man könne heute ja fast sämtliche Bankgeschäfte mit dem Mobile erledigen. «Ob das ein Fluch oder Segen ist, wird man vielleicht vom Referenten erfahren … Dr. Lukas Rohr nahm den Faden auf: «Durch die Digitalisierung gehen nicht in erster Linie Jobs verloren, aber die Berufsbilder verändern sich.»

Computational Thinking
Lukas Rohr zeigte auf, was Digitalisierung kann und was nicht und ordnete die wichtigsten Begriffe und Entwicklungen ein. Er plädierte für eine positive Haltung gegenüber den neuen Trends im privaten wie im beruflichen Alltag. Bildung sei definitiv ein ganz wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation. Und in diesem Zusammenhang sei der Begriff «Computational Thinking» ganz wichtig. «Das heisst, wir müssen die Leute lehren, wie ein Roboter denken kann oder wie ein Computer funktioniert», so Rohr. «Computational Thinking» müsste man seiner Meinung nach als Schulfach schon auf Primarstufe einführen. «Man könnte mit Legorobotern arbeiten und diese programmieren. Das ist etwas, das die Kinder unheimlich fasziniert. Dort lernen sie, wie so etwas funktioniert.» Und das sei absolut zentral, so Rohr.

Neue Geschäftsmodelle
Rohr zeigte an verschiedenen Beispielen auf, wie bereits heute zahlreiche digitale Anwendungen und Erleichterungen in unseren Alltag Einzug halten. So etwa das Bettenmanagement im Inselspital oder das intelligente Parkplatzmanagement der Stadt Lenzburg, bei dem freie Parkplätze über eine App ersichtlich und buchbar sind. Man könne aber noch viel weiter gehen und dieses Modell auch für private oder Geschäfts-Parkplätze nutzen. Neue Anwendungsmöglichkeiten gebe es auch im Energiesektor. Zusammen mit dem Energiebetrieb in Basel habe die Berner Fachhochschule beispielsweise ein Smart Grid entwickelt, mit dem man in der Lage sei, den Fotovoltaikstrom vom Nachbarn direkt einzukaufen, so Rohr. «Das ist sozusagen die Uberisierung vom Strommarkt – jeder kann über eine Plattform mit jedem direkt dealen.»

Digitale Geschäftsmodelle setzten oft auf bestehenden Erfindungen oder Produkten auf», erklärte Dr. Lukas Rohr. «Meist ergänzen sie diese mit zusätzlichen Funktionen.» Dabei müsse vor allem eines gewährleistet sein: Damit diese Businessmodelle funktionieren, müssten sie einfach bedienbar und nahe beim Menschen sein.

Chancen nutzen
«Wichtig ist, dass Sie mithelfen, die Jugend für Technik zu begeistern», so der Appell des Referenten an die Anwesenden. «Digitale Transformation ist nicht aufzuhalten. Wichtig ist, dass Sie einen Mehrwert erkennen und Chancen nutzen», so sein Fazit. «Chancen gibt es viele, aber es braucht etwas Fantasie und Mut dazu. Der Mensch ist immer im Zentrum, Bildung ist von höchster Bedeutung und damit stärkt man auch die Eigenverantwortung der Leute.» Es habe immer Umwälzungen gegeben, «sonst wären wir heute noch in der Höhle», sagte Rohr und schloss sein Referat mit einem Zitat von Schachspieler Garry Kasparov: «Es geht nicht darum, den Menschen durch Roboter zu ersetzen, sondern darum, die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Maschine neu zu organisieren! Ich sage meinen Schülern, dass sie die Maschine dazu benutzen sollen, ihre eigenen Urteile zu hinterfragen und nicht, um sie zu ersetzen.»

Bei den Anwesenden stiess vor allem die digitale Vermietung von Geschäftsund privaten Parkplätzen sowie die Stromeinspeisung auf offene Ohren – aber womöglich käme man mit dem Parkplatzreglement in Konflikt. «Was spricht dagegen?», fragte Rohr und gab auch gleich die Antwort. «Eigentlich überhaupt nichts – der Parkplatz ist besser genutzt, der Strom besser eingesetzt. Es geht doch eigentlich nur darum, wie man das mit der Gesetzgebung so reguliert, dass Sie auf den Einnahmen auch noch Steuern bezahlen …»

Mehr Fachkräfte im Berner Oberland
Der zweite Teil war den Projekten der Wirtschaftsstrategie der Volkswirtschaft Berner Oberland gewidmet. Geschäftsführerin Susanne Huber stellte das Projekt «Qualifizierung Oberwallis-Berner Oberland» vor. Wichtigstes Fundament dieses Projektes, das sich dem Fachkräftemangel in ländlichen Regionen widmet, ist die berufsbegleitende Weiterbildung «Teams führen im KMU». Der Pilotlehrgang der Berufsschulen im Berner Oberland und Oberwallis findet abwechslungsweise in Thun und Visp statt und soll – bei genügend Anmeldungen – am 2. November 2017 starten.

PD/ANITA MOSER


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote