Literarischer Herbst – unter Mitwirkung des Gymnasiums Gstaad

  08.09.2017 Schule, Vorschau

Wer sich unter Deutschunterricht am Gymnasium die ausschliessliche Auseinandersetzung mit Goethe und Schiller selig vorstellt, liegt falsch. Die deutschsprachige Literaturgeschichte beginnt im Mittelalter, schreibt sich jedoch weiter – bis heute und morgen. Grossartige aktuelle Autorinnen und Autoren lädt das Festival «Literarischer Herbst» ins Saanenland ein und trägt so die zeitgenössische Schriftstellerei vor und ins Klassenzimmer.

Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in Gstaad besuchen Lesungen, erhalten ihrerseits Besuch von Autorinnen und Autoren und stellen Ihnen hier zwei Werke vor. Die neunte Klasse 21s tut dies mit der «schönen Fanny», mit der Pedro Lenz am Donnerstag das Festival eröffnet. Die zehnte Klasse 20s mit den «Knochenliedern», welche Martina Clavadetscher am Samstag vorstellt

KLASSE 20 S UND 21S & MARTINA JOSI

Vorgestellt: Pedro Lenz «Di schöni Fanny»
Der 52-jährige Pedro Lenz schloss 1984 die Lehre als Maurer ab. Auf dem zweiten Bildungsweg absolvierte er die eidgenössische Matura. Ursprünglich wollte Pedro Theologie studieren und Pfarrer werden. Dies setzte er nicht in die Tat um. Stattdessen studierte er einige Semester spanische Literatur an der Universität Bern. Seit 2001 jedoch arbeitet er vollzeitlich als Schriftsteller, der seine Werke hauptsächlich in Mundart schreibt. Lenz ist ein Querdenker. Aussagen wie «Loser sind viel interessanter als Gewinner» oder «Optimisten haben die Welt ruiniert» bringen einen zum Nachdenken. Diese Einstellungen kommen auch in seinen Werken zum Vorschein.

Das Werk
Im Roman «Di schöni Fanny» verliebt sich Jackpot – ein Oltner Schriftsteller, der von sich selbst nicht weiss, ob er als einer bezeichnet werden will – heftig. Die Kunststudentin Fanny ist jedoch auch das Aktmodell und die Muse seiner beiden alten Malerfreunde, vielleicht sogar mehr. Im Begehren nach der Schönen und im Ringen um sein Autoren-Dasein gelangt Jackpot so an die grossen Fragen: Was ist Liebe? Was ist Kunst?

Die Klasse kommentiert
«Di schöni Fanny» ist ein eindrückliches wie auch realistisches Buch. Sowohl das Thema als auch die Personen entsprechen den Verhältnissen unserer Zeit. Man sieht, wie Pedro Lenz versucht, eine Nähe durch die mundartliche Schreibweise mit dem Leser herzustellen. Sehr empfehlenswert.

LIAM, NOAH

Man hat das Gefühl, dass man direkt neben den Leuten steht und ihnen beim Gespräch zuhört. Mit viel Humor und detailreich geschrieben, ist «Di schöni Fanny» spannend und lustig zugleich. Obwohl der Text auf Schweizerdeutsch verfasst ist, kann man ihn gut lesen und verstehen.

NICO, DIEGO

In diesem Buch geraten wir über die zwei Maler und einen Schriftsteller als Hauptfiguren ziemlich tief in die Künstlerszene. Ausserdem fasst Lenz Gedanken gut in Worte und macht die Geschichte unter anderem spannend durch die Verlierer als Hauptpersonen. Ich stimme Pedro Lenz nämlich zu, dass diese Personen im literarischen Sinn sehr interessant sind.

JASMINE

Vorgestellt: Martina Clavadetscher «Knochenlieder»
Die 1979 geborene Schweizerin Martina Clavadetscher ist als Dramatikerin, Buchautorin und Radiokolumnistin tätig. Sie studierte Germanistik, Linguistik und Philosophie und fesselt die Leserinnen und Leser mit ihrem neusten Werk «Knochenlieder», für das sie 2016 den Preis der «Marianne und Curt Dienemann»-Stiftung erhielt.

Das Werk
Die Familien Rot, Blau, Weiss und Grün leben abgeschottet und von dem, was die Natur ihnen gibt. Als bei Familie Grün das Kinderglück nicht eintreffen will, helfen diese nach. Das Kind wird unter einem Fluch geboren, der das Kommende mitbestimmt … Die generationenübergreifende Geschichte bringt uns in die Zukunft, in der die Leute den Glauben an die Rettung der Erde schon längst verloren haben und nur noch verschüchtert vom Krieg durchs Leben gehen. Sie erzählt, wie Menschen, die sich von der Aussenwelt abschotten, um dem Übel auf der Erde zu entkommen, brutal in Erfahrung bringen müssen, dass dieser Aussenwelt der Eingriff in ihr Leben nicht einfach verweigert werden kann.

Die Klasse kommentiert
Stilistische Feinheiten verleihen der Erzählung die nötige Würze, mit Zeitsprüngen und komplizierten Zusammenhängen wird dafür gesorgt, dass der Leser auf Draht bleibt. Verstärkt wird dieser Effekt durch den relativ grossen Interpretationsspielraum, der es fast unmöglich macht, das Buch zu lesen, ohne über die aktuelle Weltsituation oder mögliche Zukunftsszenarien nachzudenken.

MARION

Die kurzen Sätze, gedichtähnlich geschrieben, lassen sich leicht lesen und zeigen uns, wie die Welt von morgen möglicherweise aussehen wird. «Knochenlieder» beschreibt unsere Zukunft düster, aber auch gar nicht so unrealistisch. Im letzten Teil des Buches wird vom wohlbekannten Deutsch zu einer Art Hackersprache gewechselt, was das Lesen zwar erschwert, andererseits aufs Neue spannend macht.

JULIE

Clavadetschers poetische Art zu schreiben und das Zusammenführen von Märchen und Science-Fiction ist gut gelungen. Das Buch fesselt einen wortwörtlich – in einer eigenen kleinen Welt versunken kann man fast nicht aufhören zu lesen. Die Geschichte ist wie ein Lied, welches man bis auf die Knochen fühlt.

MIRIAM

Literarischer Herbst Gstaad vom Donnerstag, 14. bis Sonntag, 17. September

www.literarischerherbst.ch


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