Zur Rentenreform

  15.09.2017 Leserbriefe, Politik

Mit Interesse habe ich Erich von Siebenthals Leserbrief im AvS vom 12. September gelesen. Bis auf den letzten Satz bin ich mit seinen Ausführungen durchaus einverstanden. Auch ich finde die Vorlage, über die wir jetzt abzustimmen haben, alles andere als gut. Aber sie ist von all denjenigen, die uns seit über zwei Jahrzehnten von Bundesrat und Parlament vorgelegt wurden, wahrscheinlich die noch am wenigsten schlechte.

Bereits vor Jahren hatte ich mich mündlich und schriftlich geäussert, dass ich wohl erst wieder einer Rentenreform zustimme, wenn unsere Politiker endlich durchgesetzt haben würden, auch auf der Arbeit der Roboter, die so viele menschliche Arbeitsplätze wegrationalisieren, AHV und PensionskassenBeiträge zu erheben. Doch das sich mehr oder weniger in Geiselhaft der Wirtschaftslobby befindende, mehrheitlich mutlos und opportunistisch agierende Parlament scheint immer noch nicht bereit zu sein, damit (vor allem gerade auch die jungen) Beitragszahlenden zu entlasten.

Hinter von Siebenthals Formulierung «Mit einem doppelten Nein öffnen wir die Tür für eine tragbare Reform» würde ich nicht gerade einen realitätsnahen und erfahrenen Bundespolitiker vermuten. Ist es nicht etwas naiv, das Stimmvolk glauben machen zu wollen, unser Parlament, welches in sechs Jahren zähen Ringens und sturen Beharrens nichts Besseres zustande gebracht hat als diese wackelige Vorlage, würde dann in kurzer Zeit (und dies wäre dringendst notwendig), eine die Volksabstimmung positiv passierende Lösung vorzulegen imstande sein? Und der Nachsatz «es bleibt noch genügend Zeit» würde eher dafür sprechen, dass sich der Verfasser des Ernstes der Lage, in der wir uns diesbezüglich befinden, (noch) nicht so richtig bewusst ist. Von den Gegnern hören wir immer wieder den Satz: «Besser keine Reform als eine schlechte». Ist es aber wirklich klüger, die Hände in den Schoss legend dem Niederbrennen eines Hauses zuzuschauen, statt mit schlechten Mitteln zu versuchen, wenigstens das Schlimmste zu verhüten, wenn die Feuerwehr mit «Abwesenheit» glänzt? Volk und Politik sind sich einig, dass längst hätte gehandelt werden müssen. Zahlreiche Vertreter unserer obersten Behörden glauben aber offenbar immer noch, der liebe Gott würde uns dann nach genug langem Warten eine Lösung vom Himmel herabschicken, die es ermöglicht, dem Bären den Pelz zu waschen, ohne ihn dabei nass machen zu müssen.

Ich habe durchaus Verständnis dafür, wenn die Frauen die noch ausstehende (grundsätzlich längst überfällige) Angleichung ihres Rentenalters so quasi als Pfand für die in unserem Land immer noch längst nicht behobene Lohnungleichheit in den Händen behalten möchten. Die gleichen Leute, welche vorschnell als beleidigte Leberwürste von «die Demokratie wurde zu Grabe tragen» sprechen, wenn sie politisch verlieren, weigern sich permanent, die verfassungsmässig garantierte Lohngleichheit für die Frauen durchsetzen zu helfen.

Dass die 70 Franken nicht allen AH-VBezügern zugute kommen sollen, wird jetzt ausgerechnet von denjenigen Gegnern als ungerecht hochgespielt, die sich in der Vergangenheit nicht sonderlich für soziale Gerechtigkeit stark gemacht hatten. Fakt ist aber, dass die Renten von uns Alten von der Senkung des Umwandlungssatzes nicht betroffen sind, die Jahrgänge, für welche die AHVErhöhung vorgesehen ist, jedoch schon. Auf beide Säulen verteilt betrachtet, scheint mir diese RentnerUngleichheit daher nicht ungerecht zu sein.

Weil die Wirtschaftslobby nicht bereit war, bei der 2. Säule einen kleinen Schritt in Richtung Kompensierung zu tun, sah dann die knappe Mehrheit im Parlament offensichtlich die einzige Möglichkeit darin, mit der Erhöhung der AHVRente etwas auszugleichen (Politiker/innen, die aus der Erfahrung zu lernen fähig sind, wissen, dass eine Reformvorlage mit nur Abstrichen, ohne jegliche Kompensation, beim Volk chancenlos ist).

Als die AHVBeiträge seinerzeit praktisch auf einen Schlag sowohl für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer von 2,5 auf 5 % verdoppelt wurden, wurde prophezeit, die Wirtschaft würde das nie verkraften. Sie hat es verkraftet. Und sie wird auch die weiteren paar Lohnpromille, die zwangsläufig erhoben werden müssen – egal, was für eine Reform dann letztlich einmal durchkommen wird – verkraften.

Und was Erich von Siebenthals Partei im Abstimmungskampf möglichst verschweigt: Die vorgesehene AHVErhöhung wirkt sich für diejenigen prozentual am positivsten aus, welche keine Rente aus der 2. Säule kassieren: Die Landwirtschaft und die ganz kleinen Lohnbezüger!

GOTTFRIED VON SIEBENTHAL, 3703 AESCHIRIED


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