«Aktien sind die attraktivste Anlageklasse»

  31.10.2017 Saanen, Schweiz, Wirtschaft

Zinswende oder Zinsende? Diese Frage stellte Referent Philipp Vorndran am diesjährigen Börsenbarometer der Saanen Bank in den Fokus. Der Kapitalmarkt-Stratege bei Flossbach von Storch sieht die Tendenz eher bei Zinsende, denn bei Zinswende.

ANITA MOSER
«Wenn du dir ein Portfolio zusammenstellst, das Aktien von Unternehmen enthält, deren Einnahmen über die Jahre steigen, dann wird auch der Marktwert deines Portfolios steigen.» Mit diesem Zitat von Warren Buffet begrüsste Dominique Huwiler, Leiter Private Banking bei der Saanen Bank, am vergangenen Mittwochabend im Hotel Ermitage in Schönried den diesjährigen Börsenbarometer. Er wolle eine Lanze brechen für den Schweizer Finanzmarkt, so Huwiler. Namentlich seit dem Frankenschock 2015, aber eigentlich schon seit vielen Jahren, müsse die Schweizer Exportwirtschaft Höchstleistungen vollbringen, um sich auf den globalen Märkten behaupten zu können. Und in Sachen Erfindergeist gehöre die Schweiz zur Weltspitze. Neben den Grosskonzernen rangierten als Patentanmelder viele mittlere und kleinere Unternehmen, welche in ihrem Marktsegment häufig zu den Marktführern zählten. Laut dem globalen Innovationsindex sei damit die Schweiz das innovativste Land der Welt. «Kaufen Sie Aktien von Unternehmen, welche sich auch unter schwierigen äusseren Bedingungen behaupten können. Diese werden gestärkt daraus hervorgehen. Falls Sie sich entschliessen, ein Portfolio mit starken Unternehmen zusammenzustellen, werden Sie in der Schweiz fündig», riet der Bankfachmann den Anwesenden.

Auch der Schweizer Franken und seine Stärke sei ein ständiger Antrieb, der/die oder das Beste zu sein, nahm Referent Philipp Vorndran den Faden von Huwiler auf. «Nur wenn man in der Lage ist, ein Innovationsstandort zu sein wie die Schweiz, kann man in solch starken Währungen leben. Oder umgekehrt: Die starken Währungen sind ein tägliches Fitnesszentrum für die Schweiz, für die Schweizer Bevölkerung und für die Schweizer Unternehmer.» Vorndran lobte aber auch das schweizerische Politsystem. «Auch die direkte Demokratie ist definitiv mit ein Grund, weshalb die Schweiz so toll dasteht.» Und das sei nicht nur abzulesen am Erfolg der Schweizer Unternehmen, sondern ganz genauso auch am Wohlstand der Schweizer allgemein. «Ganz knapp nach den USA verfügen die Schweizer über das grösste Vermögen», so Vorndran. Seinen deutschen Landsleuten stellt der Kapitalmarkt-Stratege in Sachen Geld anlegen hingegen kein gutes Zeugnis aus. Der durchschnittliche Deutsche halte 80 Prozent seines Vermögens in Festgeld und Lebensversicherung – ungefähr je die Hälfte und lediglich fünf Prozent in Aktien. «Was sie mit ihrem hart erarbeiteten Vermögen und Einkommen machen, ist eine Katastrophe und leider hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert.»

«Ein wunderbares Jahr für die Geldanlage in Aktien»
Es gebe nicht viele gute Alternativen zur Aktie, so das Fazit von Philipp Vorndran am Börsenbarometer vor einem Jahr. Und daran hat sich im vergangenen Jahr nichts geändert. «Nicht nur 2017 war ein wunderbares Jahr für die Geldanlage in Aktien, auch die Entwicklungen für die Schwellenländer, für den deutschen Aktienmarkt, für den SMI sind im zweistelligen Bereich.» Vorndran riet aber wie in früheren Jahren davon ab, zu viel an Vermögenswerten in Nominalwerten, auf dem Sparbuch und im Call-Geld zu parken. «Da war nichts zu verdienen und da wird auch perspektivisch in den nächsten Jahren nichts zu verdienen sein.»

Wie geht es weiter?
Als erstes müsse man sich die Frage stellen, wie realistisch eine Zinswende sei», sagte Vorndran und stellte gleich klar: «Wir stehen für das Zinsende.» Weil sich nichts verändert habe. «Das Warten auf die Zinswende kann Jahrzehnte und länger dauern», betonte Vorndran. An der Wurzel des Problems habe sich nichts geändert und schuld daran seien die Staatsschulden. «Diese wachsen weiter.» Und wenn man sich die aktuellen politischen Themen wie Brexit oder Katalonien anschaue, deute sehr viel darauf hin, «dass im Moment politisch sehr viel an die Wand gefahren wird.» Man habe in den letzten Wochen mit vielen deutschen Exportunternehmen gesprochen, welche in Grossbritannien Investitionen geplant hätten. «Die Aussagen waren deckungsgleich», so Vorndran. «Wenn die Kameraden in Brüssel und London nicht bis zum Jahresende eine verlässliche Lösung gefunden haben, streichen wir für die nächsten drei Jahre sämtliche Investitionsvorhaben in Grossbritannien.» Das seien keine guten Nachrichten für die britische Volkswirtschaft, so Vorndran. Als erste den Arbeitsplatz verlieren würde jene, welche für den Brexit gestimmt hätten, ähnlich wie in Amerika unter der «trumpschen Nichtregierung» jene litten, die für ihn gestimmt hätten. «Wir sollten uns aber vor jeglichem Anflug von Schadenfreude hüten», so der Referent. «Exportnationen wie die Schweiz und Deutschland können sich nicht freuen, wenn einer ihrer wichtigsten Handelspartner ökonomisch wegbricht.» Unsicherheit verderbe immer wirtschaftliches Handeln. Das gleiche passiere nun auch in Katalonien.

«Höhere Schulden bedeuten tiefere Zinsen», betonte Vorndran. Neben den Schulden gebe es aber noch eine zweite ökonomische Komponente, die zu berücksichtigen sei: das Wachstum. «So richtig gut sind die Nachrichten dort auch nicht.» Man habe das Allerschlimmste hinter sich, sehe in vielen Volkswirtschaften wieder Wachstumsraten zwischen 1,5 und 2,5 %. «Aber das sind immer noch extrem tiefe Levels im historischen Vergleich.»

«Die Aktie ist und bleibt mit Abstand – unter Risiko und Rendite-Gesichtspunkten – die attraktivste Anlageklasse, wenn die Zinswende nicht kommt – und davon sind wir überzeugt», so das Fazit von Philipp Vorndran.

Philipp Vorndran habe wie erwartet bestätigt, dass Aktien unverändert die beste Anlagekategorie sei für langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger, sagte Simon Graa, Leiter Portfolio Management bei der Saanen Bank. Und zum Schluss gabs noch etwas zum Schmunzeln auf den Heimweg: Die Börse, «la bourse», sei in beiden Sprachen weiblich, so Graa. «Sie ist und bleibt weiblich, nämlich: unergründlich, unberechenbar, manchmal launisch, von Gefühlen und Neuigkeiten stark abhängig, aber auch ganz besonders faszinierend …»


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