Palliativpflege geht jeden etwas an

  27.10.2017 Saanen, Gesellschaft, Saanenland, Gesundheitswesen

Am vergangenen Montag, 23. Oktober, klärte Regula Seiler im Maison Claudine Pereira über Palliativpflege und den Umgang mit dem Tod auf. Der durch die Landfrauengruppe Saanenland organisierte Anlass war gut besucht.

MELANIE GERBER
Rund 30 Interessierte folgten dem Aufruf der Landfrauengruppe Saanenland und versammelten sich am vergangenen Montagabend im Maison Claudine Pereira in Saanen. Regula Seiler, Pflegefachfrau und Expertin für Palliative Care am Spital Interlaken, sensibilisierte die Anwesenden zum Umgang mit dem Tod. Für sie geht es bei der Palliativpflege keineswegs rein um Sterbebegleitung. Viel wichtiger sei es, den Patienten in der verbleibenden Lebenszeit zu begleiten und ihn in seiner Krankheitssituation zu unterstützen. Entsprechend positiv ist auch ihr Motto formuliert. «Nicht dem Leben Tage schenken, sondern den Tagen Leben schenken», darum gehe es ihr, wenn ein Patient direkt vom Arzt zu ihr komme mit der Botschaft, man könne nichts mehr tun. Ganz im Gegenteil, meinte Seiler, es gebe noch vieles zu tun, auch in einer palliativen Krankheitssituation.

Beziehung zum Patienten
Im gemeinsamen Gespräch, in welches Regula Seiler auch die Angehörigen mit einbezieht, findet die Pflegefachfrau heraus, wo der Patient am meisten leidet und Unterstützung benötigt, seien es Schmerzen, Angst vor dem, was danach kommt oder die Organisation eines Pflegebettes für zuhause. «Meist haben die Patienten die Hoffnung verloren, ihnen diese wiederzugeben, ist ein erster Schritt», meinte die Rednerin und erklärte, dass sie für diese Arbeit auch immer wieder sich selber und die eigene Haltung in Frage stellen und ihre Grenzen erkennen müsse. Die Begleitung eines Betroffenen funktioniert nur über Beziehung und gerade da sei es für sie selber, aber auch für die anderen Pflegenden und besonders für die Angehörigen wichtig, zu erkennen, wann man auch einfach zurücktreten und aushalten müsse, beispielsweise weil man gerade keine passende Lösung habe. Da gehe es vielmehr darum dazubleiben und gemeinsam mit dem Patienten auszuhalten.

Vier Pfeiler
Palliativpflege heisst, Leiden lindern und Lebensqualität verbessern, und dies in einer Situation, in der es nicht mehr um Heilung, sondern um Symptomkontrolle geht. Dabei stützt sich Regula Seiler auf vier Pfeiler, auf denen jedes unserer Leben basiere: Körper, Seele, Soziales und Spiritualität. Werde einer dieser Pfeiler aufgrund der Erkrankung unerträglich, so wackle es und genau dann komme die Palliative Care ins Spiel. Die Körperebene sei für viele sehr präsent, da beispielsweise rheumatische Schmerzen nicht einfach verschwinden. Dies bestätigte auch das Publikum mit zustimmendem Kopfnicken. Auf der Seelenebene sei meist eine grosse Trauer vorhanden. «Es ist ein dauerndes, stetiges Abschiednehmen in Raten, im Wissen, es wird nicht besser», meinte die Rednerin. Im sozialen Bereich kommen vor allem die Angehörigen zum Zug, sie müssen unterstützt und beraten werden und sollen auch kommunizieren dürfen, wenn sie die Situation nicht mehr alleine tragen können. Des Weiteren beobachtet Regula Seiler häufig, dass auf eine lange Ablösungsfrage das Sterben kein Thema mehr sei, aber das Danach und der Glaube ins Zentrum rücken und der Patient in eine Krise geraten könne. Ziel der Palliativpflege sei es, den Patienten nicht ins Leere fallen zu lassen, sondern ihm immer wieder das Gefühl zu geben, dass er aufgefangen wird.

Grosses Interesse
Auch das Publikum schien sich aufgefangen zu fühlen. Der Vortrag stiess auf reges Interesse und die Pflegefachfrau beantwortete die Fragen der Zuhörer. Im Publikum sassen Pflegende, Mitarbeitende der Spitex sowie weitere Interessierte. Auffällig war jedoch, dass gar nicht so sehr bekannt ist, welche Angebote es in der Region gibt und gerade Fachpersonen dies gerne breiter bekannt machen würden. So wurde Pro Viva genannt, die Freiwilligenarbeit des Spitexvereins Saanenland, die unter der Leitung von Dr. Claudia Sollberger auch in der Palliativpflege stark vertreten ist und sowohl Betroffene als auch deren Angehörige begleitet. Das Ziel des Abends sei erreicht, denn jeder könne in seinem Leben betroffen sein und wisse nun, wo und wie man nach Palliativpflege frage.


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