Abesitz über «Gschäfti u sini Lüt im Saanedorf»

  24.11.2017 Saanen, Gesellschaft, Tradition, Gewerbe, Vereine

Auch der dritte und letzte Saaner Abesitz in diesem Jahr am vergangenen Mittwochabend war sehr gut besucht und hatte einiges zu bieten. Der Männerchor «Echo vom Olden» unter der Leitung von Ada Van der Vlist Walker überraschte mit einem breiten Repertoire. Moritz Vonlanthen, der Referent des Abends, erzählte einige «Gschichte us em Dorf Saane», die sich in den letzten 70 Jahren zugetragen haben.

JENNY STERCHI
Und es waren wirklich Geschichten, die Moritz Vonlanthen den Besuchern präsentierte. Begleitet von einer Diashow begab er sich gemeinsam mit dem Publikum auf einen visuellen Dorfrundgang. Zu jedem Haus in Saanens Dorfkern wusste er etwas zu Besitzern, Mietern und zur Geschichte der Gebäude zu berichten. Unter den rund 150 Gästen waren viele, die auch das «alte» Saanen noch kannten und sich noch an beinahe vergessene Dorflegenden, Begebenheiten und bedeutungsvolle Häuser erinnerten.

Saanen steht nicht still
Er habe nicht den Anspruch, die historische Entwicklung des Dorfes zu veranschaulichen. Er wolle aus den 70 Jahren erzählen, die er als waschechter Saaner an diesem Ort verbracht habe und von all den Veränderungen, die er in dieser Zeit beobachten konnte. Dabei sprach er mit Begeisterung sowohl vom Handwerk und Gewerbe, das bereits nach dem Krieg in Saanen angesiedelt war, als auch von den heute bestehenden Geschäften. Nicht ohne Stolz machte er auf gegenwärtige und zukünftige Entwicklungen in Saanen aufmerksam. Auf die nicht so glücklichen Umstände um das eine oder andere Haus im Dorf wies er charmant und ohne unnötigen Vorwurf hin.

«Gessenay» fast verloren gegangen
Auch beim Gebrauch des Dorfnamens seien ihm im Laufe der Jahre Veränderungen begegnet, so Vonlanthen. Während man Mitte des letzten Jahrhunderts häufig «Gessenay», die französische Übersetzung von Saanen, vernahm, sei diese Dorfbezeichnung in den letzten 20 Jahren immer mehr aus dem Sprachgebrauch verschwunden. Stattdessen ist der Begriff «Sanona» immer häufiger anzutreffen. Umso glücklicher sei Moritz Vonlanthen gewesen, als Heidi Reichenbach ihren Geschenkeladen in Saanens Dorfstrasse mit «Trouvailles Gessenay» anschrieb.

Oey und Dorfrütti
Entgegen der Stimmen, die lange Zeit davon sprachen, dass wohl nur Dreck, Abfall und Deponien in der Oey Platz fänden, sind dort heute vierzehn Geschäfte mit über 100 Arbeitsplätzen angesiedelt. Unter anderem finde dort nun auch die Produktion von Speiseeis und Bäckereiwaren statt, und somit hätten auch «sauberere» Gewerbe den Weg in die Oey gefunden. Mit diesen humorvollen Worten verliess Vonlanthen dieses Dorfgebiet und ging zu Umsiedlung und veränderter Strassenführung über.

Mit dem Bau des Flugplatzes und der Verbreiterung der Kantonsstrasse sei eine Umsiedlung der betroffenen Landund Hausbesitzer notwendig geworden. Die Umzonung und Beschaffung von Ersatzland hatte sich die Gemeinde zur Aufgabe gemacht, um die baulichen Veränderungen im Dorf zu ermöglichen und sie für die Bewohner erträglich zu gestalten. Für Nichtwissende schwer vorstellbar, dass die Zufahrt nach Gstaad nicht immer an der «von Grünigen»-Matte abzweigte. Aber bis in die 1960er-Jahre war Gstaad nur über das Saaner Oberdorf zu erreichen.

Der hohe Grundwasserspiegel im Dorfgebiet erforderte Erfindungsreichtum und Pioniergeist bei Saaner Bauherren. Zunächst habe man die Erdgeschosse der Häuser höher gelagert. Mehrstufige Zugänge, wie zum Beispiel an der alten Post, heute die Büros der Rieder Architektur AG, zeugen noch von dieser Bauweise. Zu Beginn der 1970er-Jahre wurde dann das erste Haus mit einem wasserdichten Kellergeschoss in Saanen gebaut.

Gewerbe in Saanen
Neben Schuhmachern, Sattlern und Spenglern boten um 1950 in Saanen auch Wagner, Maler, Schmiede sowie Zimmermänner und Schreiner ihre Dienste an. Drei Bäckereien, eine Käserei, Süsswarengeschäfte, Spezereien sowie diverse Früchte- und Gemüseläden boten in dieser Zeit ihre Waren ebenso feil wie eine Eisenwarenhandlung, ein Kleidergeschäft und ein Spielzeugladen. Das Angebot im Dorf Saanen habe sich bis heute sehr gewandelt, sei aber immer noch sehr breit und gern genutzt. Es würden auch zukünftig Geschäfte schliessen und neue eröffnen und die Warenauswahl vielfältig halten, so mutmasste Moritz Vonlanthen.

Für die verschiedenen Namen der Häuser und ihre Bewohner an der Dorfstrasse, dem Mittelgässli und Hintergässli konnte der Referent des Abends spannende Erklärungen liefern. So wurde das «Salzhüsi» tatsächlich für den Vertrieb von Salz genutzt. Im «Bircherhuus» handelte ein Herr Bircher mit Eisenwaren und Kohlen und später sogar mit Ski. Es sei sehr erfreulich, dass die Abrisspläne, die für das Haus bestanden, nicht realisiert wurden. Stattdessen betreibt das «16» im Erdgeschoss Metzgerei sowie Weinund Käsehandel. Darüber habe man Wohnungen eingerichtet. Er bedauerte den schon lange währenden «Winterschlaf» des Restaurants Alpenrösli. Ebenso hielt er das Hotel Restaurant Krone, das Gebäude gegenüber dem Landhaus, mit seiner Ungenutztheit für ein «fast verlorenes Haus».

Auch blieb ihm bisher die Bedeutung des neu errichteten «La Gare»-Gebäudes verborgen.

Saanen alles andere als abseits
Aber Moritz Vonlanthen verharrte nicht an den problematischen Stellen im Dorf Saanen. Vielmehr machte er darauf aufmerksam, dass die Bettenfirma Hästens, ansässig im Haus, wo einst die Metzgerei Nydegger Fleisch- und Wurstwaren anbot, hier ihren Hauptsitz in der Schweiz habe. Die Standorte in Genf und Bern seien lediglich Filialen, fügte Vonlanthen schmunzelnd an. Auch, dass sich das traditionsreiche Berner Musikhaus Krompholz in Saanen eine Filiale eingerichtet habe, spreche durchaus für die Bedeutung des Dorfes Saanen. Der WC-Anlage im Tea Room Müller bescheinigte der Referent Denkmalpotenzial und sorgte mit diesem und ähnlichen Episoden für reichlich Amüsement beim Publikum.

Moritz Vonlanthen schloss den kulturellen Abend mit einem Zitat von Julie Andrews ab, das eine Gstaader Postkarte ziert, jedoch seiner Ansicht nach eine passende Beschreibung für das Saanendorf liefert: « The last paradise in a crazy world.»

Flexible Herren vom «Echo vom Olden»
Der Männerchor «Echo vom Olden» gestaltete die musikalische Umrahmung des Abends und sorgte mit seiner Interpretation des «Lauenensee»-Liedes für eine gelungene Eröffnung des Abends. Auch sein weiteres Programm begeisterte die Zuhörer. Die Chorleiterin Ada Van der Vlist Walker traute ihren Sängern einiges zu und so sorgten die Herren unter anderem mit Piratengesang und einem heiteren Zapfenstreich für beste Unterhaltung.


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