Drei Kantone, zwei Sprachen, eine Währung

  07.11.2017 Nachbarschaft

Seit dem 3. November gibt es den Verein «La Grue», der Kranich, der sich für eine Komplementärwährung in den Regionen Saanenland, Pays-d’Enhaut und Gruyère einsetzt. Ziel der Komplementärwährung ist es, den lokalen Markt zu stärken und die Menschen für regionale Wirtschaftsthemen zu sensibilisieren.

MELANIE GERBER
Es war ein denkwürdiger Freitagabend für die Initianten des Vereins «La Grue». Nach monatelanger Vorbereitungsphase war es so weit: Die Gründungsversammlung im Hôtel de Ville in Rossinière wurde von 30 Interessenten besucht und die Arbeitsgruppe rund um Simon Rauber konnte die Arbeit der letzten Monate vorstellen. Ziel des Vereins ist es, eine komplementäre Lokalwährung mit dem Namen «La Grue», der Kranich, einzuführen und somit den lokalen Wirtschaftsmarkt zu stärken. «Dank der Lokalwährung können wir uns vergewissern, dass der Händler lokale Zulieferer sucht», erklärte Simon Rauber, Initiant der Arbeitsgruppe. Dies stärke die Solidarität und erhöhe das Gemeinschaftsgefühl. So könne der Nutzer in einem Verkaufspunkt, beispielsweise am Bahnhof oder auf dem Tourismusbüro, seine Schweizer Franken in «Grues» wechseln lassen und damit bei den Verkäufern bezahlen, die wiederum mit der Lokalwährung ihre Zulieferer bezahlen und so weiter.

Eine Charta als Grundlage
Als Grundlage für die Nutzung der Lokalwährung soll die Charta gelten, die die Arbeitsgruppe erarbeitet hat. «Jeder Händler unterschreibt die Charta und verpflichtet sich, nach deren ethischen Richtlinien zu handeln», so Rauber. Die Charta habe man geschaffen, um sich immer wieder vor Augen zu führen, weshalb man dieses Projekt umsetze. Es sind letztendlich ethische Gründe, die die Mitglieder der Arbeitsgruppe dazu bewogen haben, sich ehrenamtlich für eine Lokalwährung einzusetzen. Einige von ihnen haben den Film «Demain» (deutsche Version: «Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen») gesehen, ein französischer Film aus dem Jahr 2015, der sich mit der Frage um nachhaltige Projekte auseinandersetzt. «Ich möchte eine gerechtere Welt erschaffen», sagte Patrick Lelouerec, Mitglied der Arbeitsgruppe. Simon Rauber beschäftige sich bereits seit drei Jahren mit Fragen rund um das Geld. Er sehe die Bewegung als Teil der Transitionsanforderungen des 21. Jahrhunderts in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung. Es sei wichtig, die Rolle des Geldes und der Bürgerverantwortung zu hinterfragen.

Der Kranich als Symbol
«Drei Kantone, zwei Sprachen, eine Währung», so das Motto des neu gegründeten Vereins. Der Kranich dient als Symbol. «Wir haben den gleichen Fluss, den gleichen historischen Ursprung der alten Greyerzer Grafschaft mit dem Kranich als Symbol und die gleichen Werte in unseren drei Regionen», erklärte Simon Rauber. Als Zentrum des Vereins soll Rossinière dienen, Ort der Vereinsgründung, aber auch geografischer Mittelpunkt der drei Regionen. Obwohl der Abend mehrheitlich auf Französisch bestritten wurde, sind die Unterlagen auch auf Deutsch vorhanden und die Lokalwährung soll das natürliche Wirtschaftsbecken verbinden, in dem die meisten Gemeinden den Kranich als Wappentier führen.

Vereinsgründung
Nach dem Informationsteil wurde der Verein mit 25 Gründungsmitgliedern gegründet. Die erarbeitete Charta und die Statuten wurden von den Gründungsmitgliedern einstimmig angenommen. Simon Rauber wurde unter Applaus als Präsident gewählt und der Vorstand setzt sich aus fünf Mitgliedern (Alexandre Randin, Claude Morel, Patrick Lelouerec, Valentin Castella und Simon Rauber) zusammen. Als Revisoren dienen Sophie Margot, Mitglied der Arbeitsgruppe, sowie Yvonne Wespi. Nach der erfolgreichen Vereinsgründung beglückwünschte Jean-Pierre Neff, Gemeindepräsident von Rossinière, die Initianten zu ihrem Projekt. «Ihr könnt auf uns zählen», so seine Worte. Man verfolge von Gemeindeseite her mit grossem Interesse den Verein und seine Tätigkeit.

Information und Austausch
Der Kontakt mit den Gemeinden sei sehr wichtig, so Simon Rauber. Vertreter von fünf Gemeinden waren an jenem Freitagabend anwesend: Rossinière, Château-d’Oex, Val-de-Charmey, Haut-Intyamon und Bas-Intyamon. Aus dem Saanenland waren keine Interessenten anwesend, weder vonseiten der Gemeinden noch von den Einwohnern/ innen. Dies wolle man ändern, es sollen Informationsanlässe stattfinden, so Rauber. Schliesslich wolle man eine Vertrauensbasis herstellen. «Wir sind eine komplementäre, marginale Bewegung, aber wir wollen keineswegs in einer anderen Welt leben», sagte Rauber. Man wolle einen Austausch mit Behörden und Bevölkerung. Es besteht bereits eine Internetseite mit bisher noch wenigen Informationen und man findet den Verein auch auf Facebook. Rund 120 Interessierte wurden bereits seit diesem Frühling regelmässig über die Aktivitäten der Arbeitsgruppe informiert und ab Ende Jahr soll die Internetseite zweisprachig und ausführlich Auskunft geben.

Zuversichtliche Aussichten
Die Teilnehmer des Abends sehen dem Projekt Lokalwährung sehr positiv entgegen. Die Arbeitsgruppe konnte die Fragen der neuen Vereinsmitglieder beantworten. So werde man beispielsweise mit der Finma in Kontakt treten, auf der rechtlichen Ebene funktioniere die Währung wie ein Einkaufsgutschein. Ausserdem gebe es keinen Mehraufwand für die Buchhaltung und Steuerrechnung, denn ein «Grue», ein «Kranich», entspreche einem Franken und damit sei die Handhabung der Buchhaltung die gleiche wie bis anhin. Werde ein Händler seine «Grues» nicht mehr los, so könne er sie gegen eine kleine Aufwandsentschädigung wieder in Franken tauschen lassen. «Es gibt 11 000 Lokalwährungen weltweit.» Mit diesen Worten beschloss Claude Morel, Mitglied der Arbeitsgruppe und des Vorstands, den Abend. Dass das Phänomen der Lokalwährung im Saanenland noch nicht so bekannt ist, begründet Simon Rauber damit, dass die meisten bisherigen Lokalwährungen in der Westschweiz und im Tessin aktiv seien. Seit der Vereinsgründung sind bereits weitere knapp 30 Mitglieder beigetreten.


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