Ein Weinbauer auf über 1000 Metern

  10.11.2017 Landwirtschaft, Schweiz, Nachbarschaft

Aus ein paar Rebenstöcken wurde plötzlich eine kleine Parzelle: Der Weinliebhaber Pascal Rittener-Ruf aus Château-d’Oex baut auf 1080 m ü. M. Weintrauben an.

BLANCA BURRI
Der Höchste Weinberg ist es zwar nicht, denn dieses Prädikat ist den Visperterminen oberhalb Visp vorbehalten, wo Reben bis auf 1180 m ü. M. angebaut werden. Beachtlich ist es trotzdem, wenn ein Privatmann an einem Sonnenhang in Château-d’Oex auf 1080 m ü. M. Reben anpflanzt. «Schon immer hat mich Wein fasziniert», erklärt der gelernte Förster seine Affinität zur Traube. Als er ein paar Jahre in Vevey arbeitete, kam es nicht selten vor, dass er in seiner Freizeit mit Kollegen in den Rebbergen mithalf. Vor allem die Weinlese in verschiedenen Rebbergen hat es ihm angetan, davon erzählt er gerne.

Traubensaft statt Milch
«Vor zehn Jahren hatte ich das Glück, den elterlichen Landwirtschaftsbetrieb übernehmen zu können», strahlt Rittener-Ruf. Dieser liegt auf einer Anhöhe Richtung Le Mont oberhalb Château-d’Oex. Weil er sich in der Zwischenzeit vom Förster zum Versicherungsberater hat umschulen lassen, hält er keine Tiere mehr. Zur Freude und zu Experimentierzwecken pflanzte er alsbald etwa zehn Rebstöcke. «Diese haben sich so gut entwickelt, dass ich mir überlegt habe, eine grössere Parzelle zu bepflanzen.» Dieser Gedanke hat er vor drei Jahren in die Tat umgesetzt. Dieses Jahr konnte er nun – gemeinsam mit einer Schulklasse – die erste grosse Ernte einfahren. «Die Trauben haben einen hohen Oechslegrad und versprechen, einen schmackhaften Wein zu geben», sagt er zufrieden. Um die Vinifikation kümmert sich eine Weinkellerei im Oberwallis. Pascal Rittener-Ruf rechnet etwa mit 250 Flaschen Weisswein. Die Menge der roten Trauben war zu gering, um diese keltern zu lassen. Daraus gibt es Marc.

Weinbauregion Pays-d’Enhaut?
Dass sich das Pays-d’Enhaut in eine veritable Weinregion verwandeln wird, glaubt Pascal Rittener jedoch nicht. Die Behörden spielen da nicht mit. «Einer weiteren Vergrösserung des Rebbergs hat der Kanton abgelehnt», bedauert er. Grund sei der für den Wein untypische Platz. Bei der Beurteilung habe man sich indes an ein Gesetz gehalten, das seit langem überholt sei. Es stamme aus der Zeit, als es in der Schweiz eine Weinschwemme von qualitativ schlechtem Wein gab, so Rittener-Ruf. Inzwischen seien die Grenzen für den Weinimport geöffnet worden und die Konkurrenz vom Ausland grösser als von kleinen Produzenten aus der Schweiz, findet er. Fraglich ist sogar, ob er die bisher bepflanzte Parzelle weiterbewirtschaften darf. Der Kanton drängt darauf, dass die Reben entfernt werden. Ob er den Entscheid anfechtet, weiss der Weinspezialist noch nicht. Sicher ist, dass er den Behörden zeigen will, dass er fähig ist, einen hervorragenden Wein aus Château-d’Oex herzustellen, denn das wird im bisher nicht geglaubt. Nicht zuletzt deshalb hat er sich für die Vinifikation an einen Experten gewandt.

Traube mit schnellem Reifungsprozess
Damit die Trauben in der kurzen Vegetationsphase eine Chance haben zu reifen, hat Rittener-Ruf eine besondere Sorte ausgewählt: die «Solaris». Sie entwickelt den Zucker schnell und erreichte in Château-d’Oex im Schnitt 90 Oechslegrade. «Natürlich würde diese Traubensorte am Genfersee zu etwa 105 bis 110 Oechslegrade heranreifen, doch ein Chasselat wird dort bei mindestens 68 Oechslegrade geerntet.» Deswegen ist Pascal Rittener-Ruf mit dem erreichten Zuckergehalt sehr zufrieden.

Pilzresistent
Die «Solaris» ist eine Kreuzung, welche 1975 gezüchtet wurde und seit 2001 den Sortenschutz geniesst. Sie wurde durch die Kreuzung pilzresistent und kann daher sehr einfach biologisch angebaut werden. «Ich möchte bei diesem Versuch demonstrieren, dass man auch bei schwierigen Anbauvoraussetzungen ein natürliches, biologisches Produkt herstellen kann.» Ein Viertel der Fläche ist mit den Rotweinstöcken «Léon Millot» und «Siramé» angebaut.

Anziehungsfaktor statt grosse Mengen
Mit seinem Rebbauprojekt möchte Pascal Rittener-Ruf nicht im grossen Stil in die Weinproduktion einsteigen. Ihm geht es um etwas anderes. In den letzten Jahren sei das Pays-d’Enhaut von den Behörden richtiggehend fallengelassen worden. Die Zuschüsse für die Bergbahnen seien gestrichen worden und die La Braye war deswegen im Sommer geschlossen. Somit werde die Hauptschlagader des Tourismus abgewürgt. Das etwas aussergewöhnliche Weinbauprojekt in den Voralpen sieht er als Alternative, um Touristen in die Region zu locken. Er hofft, dass es eine Neugierde weckt, seinen Betrieb anzuschauen und seine Weine zu versuchen. «Gerne würde ich den Interessierten meinen Wein zum Degustieren anbieten und dazu einheimische Produkte reichen.» Mit 250 Flaschen komme man nicht weit und deswegen werde er seinen Wein wohl kaum verkaufen können. «Vielmehr sollen die Touristen durch den Wein auf die tollen einheimischen Produkte, unsere intakte Natur und das grosse Wanderwegnetz aufmerksam werden.» Er könne sich vorstellen, zusätzlich klassische Schweizer Weine an die Touristen zu verkaufen, denn «mein Projekt wird gerade auch ausländische Gäste anziehen, welche in Gstaad, Rougemont oder Châteaud’Oex in den Ferien weilen.»

Nicht zu verachten sei, dass man durch die Klimaänderung in Zukunft neue Wege gehen müsse. «Mit meinem Experiment möchte ich den Weg für die Zukunft ebnen.»


REBBERG

Wo?
Oberhalb Château-d’Oex

Höhe?
1080 m ü.M.

Traubensorten?
– Solaris
– Léon Millaut
– Syrah

Erste Ernte?

Herbst 2017

Wie viel?
300 kg «Solaris» (Weisswein) 100 kg «Léon Millot» und «Siramé» (Rotwein)

Wie viele Flaschen?
250 Flaschen Weisswein
Aus den roten Trauben wird Marc gemacht.


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