Jeder Dritte engagiert sich freiwillig

  05.12.2017 Region, Kultur, Gemeinde, Saanenland, Schweiz, Konzert, Saanen, Musik, Vereine

Rund ein Drittel aller Personen in der Schweiz engagiert sich in ihrer Freizeit freiwillig und trägt so zum Gemeinwohl bei. Bereits 1985 hat die UNO den «Internationalen Tag der Freiwilligen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung» ins Leben gerufen. Dieser findet auch dieses Jahr wieder am 5. Dezember statt.

Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen es: Rund ein Drittel aller Personen ab 15 Jahren engagieren sich in ihrer Freizeit und gehen einer Freiwilligenarbeit nach. Dies geschieht in den unterschiedlichsten Bereichen. Beispielsweise engagieren sich Männer zu 8,5 % in Sportvereinen, Frauen eher ausgeglichen mit jeweils um die 4 % in den Bereichen Sport und Kultur sowie in sozialen Organisationen. Ein sehr hoher Anteil an Freiwilligenarbeit geschieht jedoch auf informeller Basis, das heisst ausserhalb eines Vereins, und umfasst Dienstleistungen für Verwandte (12,6 %) und Bekannte (10,2 %).

Vermehrt auf dem Land
Weiter zeigen die Zahlen auf, dass Jugendliche sich stärker in Vereinen als in einer informellen Freiwilligenarbeit engagieren und dafür in Spitzenzeiten 14,1 Stunden pro Monat aufwenden. Die Anzahl Stunden, die pro Monat freiwillig gearbeitet wird, nimmt ab 65 Jahren rasant zu. Hier werden auch Höchstwerte von 19 Stunden pro Monat gemessen, die für Vereinstätigkeiten aufgewendet werden, und sogar 27,4 Stunden pro Monat, die Frauen über 65 Jahren einer informellen Freiwilligenarbeit nachgehen.

Dass auch im Saanenland viel Freiwilligenarbeit geleistet wird, erstaunt nicht. Laut dem Freiwilligen-Monitor Schweiz 2016, einem Bericht, der auf der schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) basiert, ist Freiwilligenarbeit vermehrt in der Deutschschweiz auf dem Land anzutreffen.

Weiterentwicklung und soziale Beziehungen
Aber wieso engagieren sich denn nun so viele Schweizer freiwillig? Auf der Suche nach Gründen muss zwischen formellem und informellem Engagement unterschieden werden. Personen, die in Vereinen und Organisationen tätig sind, suchen die Weiterentwicklung und haben Freude an der gemeinsam erbrachten Leistung, wie die Angaben der SAKE aufzeigen. Beim informell freiwilligen Engagement hingegen liegt der Schwerpunkt auf den sozialen Beziehungen und dem Wunsch, persönlich zu helfen.

Eine finanzielle Entschädigung ist mehrheitlich nicht der ausschlaggebende Motivator für ein freiwilliges Engagement. Viel wichtiger sei, laut SAKE, die Anerkennung der geleisteten Arbeit durch die Organisation, den Staat oder die Öffentlichkeit.


RETO DIGONZELLI
OFFENE KINDER- UND JUGENDARBEIT SAANELAND-OBERSIMMENTAL

«Eine unserer Aufgaben ist es, die Jugendlichen zur Selbständigkeit zu animieren, das heisst zum Beispiel, sie in ihren eigenen Ideen, Wünschen und daraus folgenden Projekten zu unterstützen. Wir geben ihnen dem Alter entsprechend Verantwortung und Aufgaben und wenn junge Leute etwas bewegen wollen, dann sind sie bei uns richtig. Im vergangenen Jahr haben zehn Jungs gemeinsam mit mir eine Minirampe realisiert. Ganz neu haben wir eine Gruppe von fünf jungen Erwachsenen, die in ihrer Freizeit Anlässe organisieren möchten. Das Nachtleben im Saanenland ist schwach geworden, viele Ausgangsmöglichkeiten wurden in den letzten zehn Jahren geschlossen und diese jungen Leute wollen etwas dazu beitragen, dass sich das ändert. Sie arbeiten sehr selbständig und aus eigenem Antrieb. Pro Anlass und Person ist mit etwa 20 Stunden Freiwilligenarbeit zu rechnen. Neben Partys möchten sie auch Kultur, Poetry Slam und eine Casinonacht auf die Beine stellen. Bei uns bekommen sie am Anfang Begleitung und später stehen wir ihnen noch mit Rat und Tat zur Seite. Für mich persönlich ist Freiwilligenarbeit sehr stark mit informellem Lernen verbunden. Die Jugendlichen eignen sich durch die Aufgaben, die sie übernehmen, ganz viele Kompetenzen an, die sie im Berufsleben einsetzen können.»


PHILIPP BIGLER
GEMEINDERAT UND PRÄSIDENT DER SOZIALBEHÖRDE

«Ich bin seit fast einem Jahr in meinem Amt als Gemeinderat. Als ich die Altersleitbilder vom Kanton Bern und Saanenland gelesen habe, wurde mir einmal mehr bewusst, wie wichtig die Freiwilligenarbeit ist. Unser ganzes System würde zusammenbrechen, wenn wir die vielen Stunden entlöhnen müssten, die freiwillig gearbeitet werden. Die ganze Gemeinde braucht die Freiwilligen und ihre wichtige Arbeit ist unbezahlbar. Die heutigen Seniorinnen und Senioren sind viel rüstiger als früher und engagieren sich sehr stark in ihrer Freizeit, was mir im letzten Jahr sehr bewusst geworden ist. Ich finde, wir dürfen stolz darauf sein, was geleistet wird. Der Tag der Freiwilligenarbeit ist für mich ein guter Anlass, um allen Merci zu sagen und das als Gemeinderat und für die ganze Gemeinde!»


LÉONIE MÜLLER
FREIWILLIGE BEIM MENUHIN-FESTIVAL

«Ich übernehme beim Menuhin-Festival mehrere Aufgaben. Als Freiwillige sorge ich dafür, dass während den Konzerten in den Aussenkirchen genügend Platzanweiser da sind. Diese Arbeit gefällt mir sehr, denn ich mag den Kontakt mit Menschen, bin gerne vernetzt und finde es schön, dass die Helfer sehr flexibel sind. Meistens melden sich zu viele Helfer für das gleiche Konzert, aber dann sind sie auch immer bereit, auf ein anderes Konzert zu wechseln. Mir gefällt es, mit Menschen einer Tätigkeit nachzugehen, mit denen ich die gleichen Interessen teile. Für klassische Musik habe ich mich schon früh interessiert. Unser Lehrer hat uns während dem Zeichenunterricht klassische Musik laufen lassen. Später hätte ich gerne Konzerte besucht, aber es überstieg mein Budget. Also ging ich freiwillig helfen, als Platzanweiserin und an der Bar und im Gegenzug bekam ich freien Zutritt zu den Konzerten. Inzwischen bin ich schon seit längerer Zeit bei sehr vielen Vereinen aktiv tätig. Mir gefällt es sehr, dass ich mit meiner Tätigkeit anderen eine Freude machen kann. Am Menuhin-Festival helfen sehr viele Freiwillige mit. Würden sie alle gegen Bezahlung arbeiten, dann wäre das Budget viel zu hoch. Es gibt auch Helfer, die von weit her kommen und ihre Ferien dafür hergeben. Meistens interessieren sie sich sehr für Musik.»


SANDRA JOST
PRÄSIDENTIN DER BRASS BAND «HARMONIE» SAANEN

«Als Präsidentin der Brass Band ‹Harmonie› Saanen bereite ich die Vorstandssitzungen vor, in denen wir die kommenden Anlässe organisieren, leite sie und informiere unsere Mitglieder anschliessend darüber. Ich könnte nicht in Stunden ausdrücken, wie viel Arbeit das ist, mal ist es ganz wenig und rund um Anlässe natürlich einiges mehr, nebst dem Üben unserer Musikstücke. Ich bin eher in das Amt hineingerutscht, als dass ich mich aufgedrängt hätte, aber ich bin mit Freude dabei. In der Band sind 35 Mitglieder, musikalische Entscheide fällt unser Dirigent und ich kümmere mich gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern um alles Administrative und Organisatorische ums Musikalische herum. Ich freue mich sehr, dass ich damit etwas beitragen kann. Der grösste Lohn für mich ist, dass es für uns als Band um die Musik geht und wir uns darauf konzentrieren können, weil das Drumherum durch den Vorstand geregelt ist. Durch Vereinsarbeit kann man sich sehr gut integrieren. Ich finde, es ist eine sehr gute Möglichkeit, etwas zu bewegen, an der Gesellschaft teilzuhaben und etwas zurückzugeben.»


CATHERINE PERRETEN VEREIN PRO VIVA

«Vor rund 30 Jahren hat Claudia Sollberger den Grundstein für den Verein Pro Viva (ehemals Palliativgruppe Saanenland) gelegt. Damals starteten wir mit fünf Freiwilligen. Im Laufe der Zeit hatten wir einen Freiwilligenpool von 50 Personen. Die Palliativpflege stand im Vordergrund. Durch die Mandatserweiterung um beeinträchtigte und demente Menschen wurde die Gruppe in Pro Viva umbenannt. Meine Aufgabe beinhaltet die Koordination der Freiwilligen. Inzwischen ist das recht schwierig geworden, denn von den anfänglich 50 Freiwilligen, die wir jeweils vermitteln konnten, sind uns noch fünf geblieben. Wir haben ein Nachwuchsproblem, denn die Frauen und vereinzelt auch Männer, die sich bei uns freiwillig engagieren sind inzwischen mehrheitlich über dem Pensionsalter und haben keine Kapazität mehr oder sind sogar mit der Pflege von eigenen Angehörigen ausgelastet. Dass wir nicht so viele jüngere Mitarbeiter haben, ist auch verständlich. Sie sind ja meistens auf ein Einkommen angewiesen und daneben bleibt ihnen oft nicht genug Zeit, auch noch einer unbezahlten Arbeit nachzugehen. Als Motivation für die Knochenarbeit, die bei der Betreuung und Pflege geleistet wird, nennen unsere Freiwilligen, dass sie ihre Zeit sinnvoll nutzen können. Sie leisten ihre Arbeit aus Goodwill. Wieviel sie leisten wollen, entscheiden sie selber. Das gesetzliche Höchstmass darf jedoch nicht überschritten werden.»


ERIKA ZUMBRUNNEN
TURNGRUPPENLEITERIN FÜR DEN FRAUENVEREIN UND PRO SENECTUTE

«In meiner Tätigkeit als Erwachsenensportleiterin fühle ich mich sehr wohl. Nachdem die Kinder grösser geworden sind, habe ich nach einer neuen Aufgabe gesucht. Ich absolvierte zuerst eine Ausbildung zur Laufleiterin, wurde aber danach 2003 für das Seniorenturnen angefragt. Nachdem ich bei der Pro Senectute zur Erwachsenensportleiterin geworden war, merkte ich, dass dies mein Ding ist, denn ich kann mich darin so richtig entfalten. Neben dem Turnunterricht verwöhne ich meine Gruppen mit kleinen Überraschungen. Ich bastle gerne und für die zusätzlichen Anlässe, die ich organisiere, bereite ich jeweils kleine Dekorationen vor. Zusätzlich zu den vier Gruppenstunden finden auch noch gesellschaftliche Aktivitäten statt, so zum Beispiel ein Tagesausflug, ein Frühlingsanlass und ein Weihnachtsessen. Für die Stunden bekomme ich eine kleine Entschädigung, viel wichtiger ist mir aber, was von den Menschen zurückkommt. Es macht Freude, die Fortschritte zu sehen, welche die Turnenden erzielen. Am Wichtigsten ist mir, die Senioren zu motivieren. Es macht mir grosse Freude, sie auch zu zusätzlichen Projekten zu animieren und mit ihnen zum Beispiel für Anlässe ein Unterhaltungsprogramm auf die Beine zu stellen. Die Senioren sind gestandene Persönlichkeiten, die viel erlebt haben und aus deren Erfahrungen ich viel persönlichen Nutzen ziehen kann. Es kommt also viel zurück und das motiviert mich auch wieder.»


Wer?
Rund ein Drittel aller Personen ab 15 Jahren in der Schweiz

Wo?
In institutionalisierter Freiwilligenarbeit (Vereine, Organisationen) und in informeller Freiwilligenarbeit (Familie, Nachbarschaft, Bekanntenkreis)

Wieviel?
Mehrere Stunden pro Monat, mit einem Maximum von 27,4 Stunden bei Frauen über 65 Jahren, die einer informellen Freiwilligenarbeit nachgehen


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