«Wir müssen in eine Positivspirale gelangen»

  12.01.2018 Gstaad, Interview, Tourismus, Saanenland, Schweiz, Saanen, Region

Die Marketingstrategie der Feriendestination Gstaad wurde der Destinationsstrategie angepasst. Sébastien Epiney, Tourismusdirektor von Gstaad, erklärt, dass China nicht mehr aktiv beworben wird.

BLANCA BURRI

Sébastien Epiney, weshalb musste die Marktstrategie der Feriendestination Gstaad angepasst werden?
Vor eineinhalb Jahren wurde die Destinationsstrategie von allen wichtigen Partnern der Region unterschrieben, wir haben nun die interne Strategie mit der Destinationsstrategie abgeglichen.

Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Wir müssen einige Änderungen an der internen Strategie vornehmen.

Was ist laut Destinationsstrategie vorgesehen?
Mit der Destinationsstrategie wurde die Grundrichtung für die Marktbearbeitung vorgegeben: 66 % der Marketinggelder müssen in der Schweiz, 20% in Europa und 14% in den Fernmärkten investiert werden.

Dann ist die Sache ja klar …
Ja und nein. Es gab einzelne Leistungsträger, die andere Ansprüche geäussert haben. Einige wollten, dass wir fast ausschliesslich den Markt Schweiz bearbeiten, andere vermehrt Europa und wieder andere, dass die Diversifikation grösser wird.

Sind Sie darauf eingegangen?
Um für die Marketingstrategie ein klareres Bild zu bekommen, haben wir eine weitere Umfrage bei den Hoteliers und bei anderen wichtigen Leistungsträgern gemacht.

Was waren die Kernpunkte der Umfrage?
Es gab zwei Umfrageteile. Der eine Teil zielte auf die persönliche Einschätzung der Hoteliers und der andere auf Zahlen und Fakten ab. Dabei wurden unter vielen anderen Kriterien die Logiernächte der einzelnen Länder und das Ausgabeverhalten der Gäste zusammengetragen. Es wurde auch gefragt, welche und wie viele Märkte in Zukunft bearbeitet werden sollen. Bei den Auswertungen wurden jedoch nur Märkte berücksichtigt, die bereits mindestens 10 000 Logiernächte verzeichneten.

Was ist das Fazit?
Die Leitungsträger haben die Destinationsstrategie untermauert.

Wie viele Märkte werden nun bearbeitet?
Wir konzentrieren uns neu auf sieben Märkte. In der Schweiz wollen wir in den Hauptachsen Bern–Basel–Zürich sowie Genf–Lausanne–Bulle–Fribourg die Schwerpunkte setzten. In die vier europäischen Märkte Vereinigtes Königreich (UK), Frankreich, Deutschland und Benelux fliessen vorrangig 20% unseres Budgets. Wir konzentrieren uns nur noch auf zwei Fernmärkte: Nordamerika und die Golfstaaten. Sie generieren in der Region die höchste Wertschöpfung pro Gast.

Wo bleibt Asien?
Asien wird kein Hauptmarkt mehr sein. Natürlich muss man trotz Strategie flexibel und agil bleiben. Wenn sich etwas Signifikantes im Markt bewegt, müssen wir rasch reagieren oder gar antizipieren. Dies auch, wenn ein Leistungsträger, wie aktuell der Glacier 3000, den Markt Asien erfolgreich bearbeitet. Mit dem Musée Olympique in Lausanne, dem Château de Chillon und der CGN, der Schifffahrtsgesellschaft vom Genfersee, ist Glacier 3000 in diesem Markt sehr aktiv. Nun suchen sie Betten für diese asiatischen Gäste. Es macht für uns durchaus Sinn, dass diese Gäste im Saanenland übernachten, speziell in den Nebensaisons. Während dieser Zeit ist eine bessere Auslastung unserer Hotels willkommen, auch wenn die Wertschöpfung nicht die höchste ist. Zudem entspricht es unserer Destinationsstrategie, die Saisons zu verlängern.

Der Euro erholt sich langsam. Welchen Einfluss hat das?
Unser Angebot ist plötzlich 15 % günstiger als vor zwei Jahren. Wir haben festgestellt, dass dadurch die Europäer überproportional in die Schweiz zurückkehren. Bestimmt hat auch das Wetter mitgeholfen, aber der Euro war klar ausschlaggebend.

Der Ruf nach dem Vierjahrestourismus ist schon lange da. Seit Jahren geschieht aber das Gegenteil: Die Saisons werden immer intensiver und kürzer. Ist ein Ganzjahrestourismus nicht nur dann möglich, wenn Hotels, Geschäfte, Bergbahnen etc. die Saison koordinieren und schrittweise verlängern?
Die Feriendestination Gstaad hat in den letzten Jahren stabile touristische Logiernächte erzielt, was einer sehr guten Leistung entspricht. Die meisten Schweizer Destinationen, insbesondere in Bergregionen, haben während dieser Zeit nämlich einiges verloren. Viele Regionen, in denen die Leistungsträger zu wenig rentabel sind und deshalb dementsprechend ihre Leistungen kürzen, sind in einen Teufelkreis geraten. Dies müssen wir vermeiden und im Gegenteil in eine positive Spirale gelangen. Wir müssen alle gemeinsam dafür sorgen, dass wir einen dynamischen, positiven Prozess anstreben. Das ganze Jahr das gesamte Angebot offen zu halten ist im Berggebiet leider sehr schwierig.

Das ist die Theorie, wie setzt man sie um?
Das ist zwar schwierig, aber möglich. Vieles hängt von den Bergbahnen ab. Die BDG ist der wichtigste Player in diesem Prozess. Sie wird immer wieder für ihr Handeln kritisiert. Wir alle wissen aber, wie schwer es ist, einen grossen Motor mit wenig Benzin, sprich beschränkten Finanzen, zu betreiben. Dennoch: Wenn im Sommer die Bahnen geschlossen sind, ist dies sehr unglücklich für die ganze Region. Eine Bergdestination ohne Bergbahn-Zugang auf die Berge ist nicht vertretbar, besonders in einer Genussdestination wie Gstaad mit dem Slogan «Come up – Slow down». Viele unserer Gäste wollen mit der Bahn auf den Berg und nicht zu Fuss. Deswegen haben die wichtigsten touristischen Instanzen ein gemeinsames Gesuch bei der Gemeinde Saanen eingereicht. Momentan wird ein Leistungsauftrag an die Bergbahnen von der Gemeinde Saanen ausge

arbeitet und geprüft. Darin werden die Öffnungszeiten der Bahnen festgelegt. Das Volk wird zu gegebener Zeit darüber abstimmen. Wenn der Leistungsauftrag realisiert werden kann, haben die anderen Leistungsträger eine grössere Chance, die Saison zu verlängern. Es würde ein positives Signal für die Region geben.

Um die BDG in diesem Fall positiv zu unterstützen, müssten sich nicht die Geschäfte, die Hotels und weitere Leistungsträger zur BDG bekennen und ihre Betriebe ebenfalls nach den Öffnungszeiten der BDG richten? Gäbe nicht das ein echtes, positives Signal?
Die dynamischen unter den Betrieben werden dafür sorgen, dass die Bergbahnen nicht als Einzige geöffnet sein werden. Sie werden dazu beitragen, dass die Positivspirale gelingt. Klar, es ist schwierig alle dafür zu begeistern, dass sie am selben Strick ziehen.
Für den Campingplatz, die Jugendhergerge oder die Luxushotels gelten ganz unterschiedliche Segmente, Preisklassen, Bedürfnisse und Ansprüche. Aber alle wollen funktionierende Bergbahnen!

Tagestouristen müssen mit mindestens einer Stunde Anfahrtszeit rechnen. Wie wollen Sie mehr Tagesgäste in die Region bringen, welche den Bergbahnen, den Sportgeschäften etc. die erhofften Frequenzen bescheren?
Ich finde, dass die Anfahrt nach Gstaad nicht zu lang ist. Sie ist zum Bespiel viel kürzer als nach St. Moritz, mit dem sich Gstaad so gerne vergleicht. St. Moritz ist eine Top-Marke mit super Events – St. Moritz hat aber in den letzten 12 Jahren 30 % des touristischen Volumens verloren. Deswegen ist es für mich kein Vergleichsmarkt.
Gstaad erreicht man von den drei für Schweizer Verhältnisse Grossstädten Bern, Lausanne und Genf innerhalb von rund zwei Stunden Fahrt. Im Einzugsgebiet von St.Moritz findet man keine Grossstadt innerhalb von zweieinhalb Stunden Anfahrt. Was ich unglaublich positiv finde, ist, dass sich die Reise ins Saanenland lohnt, weil wir nicht nur ein Dorf mit Bergbahnen sind. Wir sind eine ganze Region mit einer Top-Infrastruktur und einem extrem breitem Angebot. Nicht nur die Landschaft, sondern auch die Architektur, die Kultur, die ausgezeichneten Restaurants und Hotels, die weiteren Leistungsträger, die Möglichkeiten im Sport- und Erholungssegment sind unglaublich. Schon alleine das neue Sportzentrum ist einmalig und bietet einiges – auch bei schlechtem Wetter. Dazu können wir stehen und es vermehrt in die Kommunikation einbeziehen.

Was kann GST gegen leerstehende Objekte im Zentrum von Gstaad unternehmen?
Das ist ein schwieriges Thema, weil GST nicht direkt intervenieren kann.

Wie steht es um das Thema Nightlife?
Das ist sehr komplex. Die Priorität der meisten Gäste ist geniessen und ausruhen. Andere wollen mehr Party und laute Musik. Es stimmt, dass das Nachtleben von Gstaad nicht gerade berauschend ist. Trotzdem finde ich, dass es immer wieder Bemühungen, gerade von Hoteliers, in diese Richtung gibt. GST kann nichts anderes machen, als die Leistungsträger immer wieder auf die Bedürfnisse der Gäste aufmerksam zu machen. Es herrscht aber freie Marktwirtschaft.

Die Schweiz wird über das Verhüllungsverbot abstimmen. Wird das Auswirkungen auf die Gäste aus den Golfstaaten haben?
Der arabische Markt hat eine sehr grosse Bedeutung für Gstaad. Vergleicht man die Logiernächte, ist er auf demselben Niveau wie Kanada und die USA zusammen. Trotzdem ist das Gästebild von Gstaad sehr vielfältig. Der Anteil an arabischen Gästen, die sich verhüllen, ist relativ klein. Sie fallen viel weniger auf als beispielsweise in Interlaken. Die Diversität gibt Gstaad aber letztendlich das urbane Flair und das macht es zu einer ganz besonderen Bergdestination.


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