«Wir lernen eine Leidenschaft»

  20.03.2018 Turbach

Die 18-jährige Maylea Moser aus Turbach macht ihre Ausbildung zur Pferdefachperson am Nationalen Pferdezentrum Bern (NPZ). Was sich wie ein Traum anhört, ist ein Beruf, der viel fordert: lange Arbeitswochen, körperlicher Einsatz und frühe Selbständigkeit.

MELANIE GERBER
Tägliches Reiten, ein Mädchentraum. Wie würde wohl die Stellenausschreibung dafür aussehen? Für Maylea Moser wurde der Traum zum Beruf. «Reiten muss man schon vor der Ausbildung sehr gut können», sagt die junge Frau, die im zweiten Lehrjahr zum Beruf als Pferdefachperson Fachrichtung klassisches Reiten ist. «Und körperlich muss man auch einiges stemmen können.» Sie habe in den ersten zwei Wochen unter der sogenannten «Stallmüdigkeit» gelitten. Da mache man dann nichts anderes als arbeiten, essen und schlafen. Inzwischen haben aber Freizeit und Besuche im Saanenland wieder Platz, trotz 47,5-Stunden-Wochen verteilt auf 5,5 Arbeitstage und regelmässigem Wochenenddienst. «Uns wurde zu Lehrbeginn gesagt, dass wir keinen Beruf, sondern eine Leidenschaft lernen», so Maylea Moser. Und eine Leidenschaft sei es tatsächlich.

Weggehen in Etappen
Um die Lehre machen zu können, musste Maylea Moser schon früh von zu Hause ausziehen. Lehrbetriebe gibt es nämlich nicht viele für diesen Beruf, Schulen nur gerade drei in der Schweiz. Ihr Weg nach Köniz, wo die 18-Jährige jetzt als Untermieterin bei einer Familie wohnt, führte sie mit 14 Jahren zu Verwandten nach Thun. Sie absolvierte das neunte Schuljahr in Spiez und bereitete sich mit Freifächern wie Anatomie auf einen möglichen Beruf mit Tieren vor. Nach dem Schulabschluss ging sie mit 15 Jahren noch weiter weg, ins Emmental, wo sie ein Praktikum absolvierte und auf dem Betrieb wohnen konnte. «Dort musste ich selber waschen und putzen. Klar war es mir bewusst, dass ich damit eher früh dran war», sagt die junge Frau aus dem Turbach. Mit 16 ging sie dann nach Bern, wo sie nun seit gut zwei Jahren lebt. Ihre Familie besucht sie je nach Arbeitsplan ein- bis zweimal pro Monat. Nach ihrer Ausbildung wird es sie noch ein bisschen weiter weg ziehen. Der Beruf sei dafür ideal, sagt sie, denn Pferde gäbe es überall und Reisen sei schon ein grosser Traum.

Eine Ausbildung am NPZ
Ebenfalls ein Traum war es, eine Ausbildung zu machen, bei der Maylea Moser mit Tieren arbeiten kann. «Das stand schon im Kindergarten fest», erzählt sie lachend. Tiermedizinische Praxisassistentin sei lange zur Auswahl gestanden, aber auch Tierpflegerin im Zoo.

Dank Berufsberatung und Schnuppern kam die junge Frau dann auf den Beruf der Pferdefachperson und spezialisiert sich nun auf klassisches Reiten, einen von insgesamt sechs Teilbereichen. Die Möglichkeit, ihre Ausbildung später noch mit einem weiteren Bereich zu ergänzen, habe sie immer noch. Am NPZ bildet sie als Bereiterin Militärpferde aus und ist in Spring-, Dressur- und Fahrstall sowie der Reitschule tätig.

Intensive Arbeitstage
Der Arbeitsmorgen beginnt mit dem Misten. Eine Stunde oder noch länger verbringt Maylea Moser damit, bevor sie die Pferde des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) ausbildet oder einen Parcours für den Springstall aufbaut und die Pferde vorbereitet. Dann sitzt sie viele Stunden auf dem Pferderücken. «Im VBS bewege ich sechs Pferde am Tag», sagt sie. Dafür muss man körperlich fit sein, ideal wäre ein Ausgleichssport, um Rückenproblemen vorzubeugen und die belasteten Sehnen und Bänder wieder zu dehnen. Risiken gibt es bei dieser Arbeit natürlich trotzdem: Man fällt zum Beispiel vom Pferd. Und das immer wieder. Wenn die junge Frau von ihren Berufsunfällen und Spitalbesuchen erzählt, hört sie sich jedoch gar nicht besorgt an. «Es gehört einfach dazu», sagt sie. Im Winter ein bisschen mehr als im Sommer, denn dann hätten die Pferde mehr Energie, die sie loswerden möchten.

Eine Arbeit mit Lebewesen
In der Freizeit noch ein eigenes Pferd zu reiten, das kommt für Maylea Moser während der Ausbildung nicht in Frage. Sie reite zwar immer noch, aber nicht regelmässig. Klar könnte sie mit einem eigenen Pferd so arbeiten, wie sie es für richtig hält. Aber auch bei der Arbeit in den Stall zu kommen und das Lieblingspferd zur Begrüssung wiehern zu hören, sei ein ganz besonderes Glücksgefühl. Zu den Militärpferden, die sie über lange Zeit regelmässig reitet, hat Maylea Moser eine enge Bindung aufgebaut. Das mache sie bei Pferden, die für einen Monat in die Ausbildung kommen, nicht so stark, sonst gäbe es bei jedem Abschied Trennungsschmerz.

Und gerade weil ihr Beruf eine Arbeit mit Lebewesen ist, gebe es manchmal auch schwierige Tage, an denen nichts so laufe, wie man es sich wünscht. «Etwas gelingt mir nicht, ich bin genervt und das Pferd spürt das», sagt sie. Es gebe Pferde, die sich dann ihr zuliebe besonders Mühe geben, und eben auch das Gegenteil. Die Rückmeldung auf ihre Arbeit ist also sehr direkt und ehrlich. Das sei auch das Arbeitsklima innerhalb des Betriebes. Wenn sie etwas wirklich gut gemacht habe und ein Kompliment dafür bekomme, dann wisse sie ganz genau, woran sie sei und freue sich darüber. Eben, eine Arbeit, die man mit Leidenschaft macht.


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