Weniger Food Waste in der Hotellerie

  02.03.2018 Region

Die Interessensgemeinschaft Procurement Hotelierverein Gstaad-Saanenland (IG) will Food Waste in Ihren Hotels verringern. Deswegen wurden die Speiseabfälle während vier Wochen gewogen. Die Erkenntnisse sind erstaunlich.

BLANCA BURRI
Nach einem ausgiebigen Briefing und einer Testwoche haben acht Gastrounternehmen aus dem Saanenland ihre Küchenabfälle während vier Wochen gewogen und dokumentiert. Das Unternehmen «United Against Waste» hat die Daten ausgewertet und den Hoteliers und ihren Küchenchefs am vergangenen Dienstagnachmittag präsentiert. Dabei kam Erstaunliches heraus: In vier Wochen haben die Testbetriebe insgesamt 60 305 Mahlzeiten gekocht. Diese haben total 17,5 t Abfall produziert. Das sind im Schnitt 116 g pro Teller, was etwa 40 % über dem Schweizer Schnitt liegt.

80 g pro Mahlzeit werden weggeworfen
Die Gründe dazu sind mannigfaltig, wie die Diskussion der involvierten Personen ergab: Ein Gästesegment, das gerne mehr bestellt, als es isst, Plattenservice, Buffets und frische Fruchtsäfte sind einige davon. Wenn man mit Entsorgungsgebühren von 230 Franken pro 1000 kg rechnet, kosten die Abfälle die Hotellerie rund 4000 Franken pro Monat (Zahlen von sieben Testbetrieben in der Hochsaison). Der Einkaufspreis und die Produktionskosten sind bei diesen Berechnungen noch nicht inbegriffen. Zu erwähnen ist, dass es Betriebe gab, die sehr wenig Abfälle produzierten. Ein Betrieb unterschritt den schweizerischen Durchschnitt (80 g pro Mahlzeit) mit 67 g beispielsweise deutlich.

Bewusstsein gestärkt
Als mit der Testphase begonnen wurde, waren viele Betriebe skeptisch, weil sie sich vor dem grossen Aufwand fürchteten. Schon nach kurzer Zeit aber gehörte das Dokumentieren zu den normalen Arbeitsabläufen und die Messphase stellte sich als weniger aufwendig heraus, als die meisten Mitarbeiter gedacht hatten, berichteten die Verantwortlichen. Nach den vier Wochen waren die Coachingbetriebe vom Projekt begeistert. «Uns ist bewusst geworden, wie viel Geld wir in den Abfalleimer werfen», sagten verschiedene Gastronomen. «Wir versuchen, unsere Produkte immer möglichst günstig einzukaufen, vernachlässigen aber oftmals die Arbeitsabläufe im Haus», hielt jemand fest. «Wenn wir mit den Lebensmitteln vorsichtiger umgehen, können wir viel Geld sparen, was sich positiv auf die Betriebsrechnung auswirkt», meinte eine andere Person. «Das Bewusstsein unserer Mitarbeiter wurde gestärkt», wurde betont.

In der Testphase um 20 % gefallen
Die detaillierten Auswertungen haben ergeben, dass in vielen Betrieben bereits während der Messphase begonnen wurde, Massnahmen gegen Food Waste einzuleiten. Das hat Früchte getragen. In der letzten Messwoche war der Abfall bereits 20 % tiefer als in der ersten. Als Erklärung für den grossen Rückgang sagte ein Küchenchef: «Für das Wägen der Reste wurden durchsichtige Behälter verwendet.» Dadurch hätten die Köche gesehen, welche Speisen zurückkamen. Weil es meist dieselben gewesen seien, habe man begonnen, davon weniger anzurichten.

Mehr bestellen, als essen
Bei den Auswertungen präsentierte Christian Ecoeur von «United Against Waste» jeden einzelnen Betrieb. So erfuhren die Küchenchefs, wie viel Geld sie bei sorgsamem Umgang mit den Lebensmitteln sparen und welche Massnahmen sie ergreifen könnten, um die Abfälle zu reduzieren.

Die Rüstabfälle machen in den Testbetrieben den grössten Verlust aus. Dabei fallen vor allem Orangenschalen (von frisch gepresstem Orangensaft) ins Gewicht. Christian Ecoeur schlug vor, statt frischen Orangensaft zu produzieren, gekauften Qualitätsorangensaft anzubieten. Die Orangenschalen würden beim Grossproduzenten energiegewinnend verwertet. Die IG-Betriebe wollen diesen Vorschlag prüfen, aber auch konkret andere Lösungen für den Obstschalenabfall suchen.

Viel zu reden gaben Buffets, Plattenservice sowie Tellerrücklauf, die allesamt viel Abfall produzieren. Mit Tellerrücklauf sind die Lebensmittel gemeint, die der Gast nicht isst und so vom Teller direkt in den Abfall wandern. «Kleinere Portionen servieren und dafür einen Nachservice anbieten», empfahl der Fachmann. «Ich weiss, das ist ein Tabuthema aber es lohnt sich», betonte er.

Kommunikation wichtig
Wenn man kleinere Portionen servieren würde, sei die Kommunikation die grosse Herausforderung, kam aus der Diskussion heraus. Es sei schwierig dem Gast beizubringen, dass man weniger grosse Portionen mache, um weniger Abfall zu produzieren. «Viele Gäste haben dann das Gefühl, man sei geizig und will das gesparte Geld in den eigenen Sack stecken», erklärte jemand. Der Fachman meinte, es gehe nicht nur darum, die Betriebsrechnung, sondern insbesondere die Nachhaltigkeit zu verbessern. Deswegen müsse der Gast zwingend wissen, dass es Nachservice gebe.

Den Punkt Kommunikation griff Monika Schüpbach auf. Um das Thema über die Messphase hinaus in IG-Betrieben zu implementieren, wird sie einen Kompetenzbereich von qualifizierten Servicemitarbeitern in Schlüsselfunktionen aufbauen und konkrete Massnahmen zur effektiveren Kommunikation «Küche-Service-Gast» erarbeiten.

Nächste Schritte
Die Gastromitarbeiter haben in diesem Prozess gelernt, wie weniger Abfall produziert werden kann. Es war deutlich spürbar, dass die Betriebe auch künftig darauf achten werden, weniger Abfall zu produzieren und das IG-Projekt «gegen Lebensmittelabfall» fortführen werden. Ein sehr grosses Hotel mit verschiedenen Restaurants wird das Thema bei der anstehenden Anpassung der Restaurantstrategie berücksichtigen. «Es gibt viel Potenzial», wie der Küchenchef sagte. Eine regelmässige Erhebung und Auswertung durch eine Fachfirma wurde diskutiert aber nicht beschlossen. Es gebe auch andere Massnahmen, beispielsweise ein einfach aufgebautes eigenes Überwachungssystem, welches nicht in dieser Tiefe, jedoch in der Tendenz Auskunft gibt, oder ein Tag pro Woche, der dem Food Waste gewidmet ist. Damit werde die Aufmerksamkeit dieses wichtigen Themas hoch bleiben, sagte Monika Schüpbach. Auf jeden Fall ist die Reduzierung von Food Waste bei der IG kein Lippenbekenntnis, denn das Bewusstsein wurde in dieser kurzen Zeit bereits deutlich verstärkt. In den Worten von Monika Schüpbach: «Food Waste geht uns alle etwas an.»

Wie alles begann
Die IG als Initiantin hat gemeinsam mit ihrer Geschäftsführerin Monika Schüpbach vor einem halben Jahr begonnen, sich intensiv mit der Thematik auseinanderzusetzen. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen «United Against Waste» und begleitet von hotelleriesuisse folgte eine intensive Vorbereitungsphase. Nach einer Kickoff-Veranstaltung haben sich acht Hotelbetriebe aus der IG für ein kostenpflichtiges Coaching angemeldet.


BETRIEBE

Folgende Betriebe haben sich intensiv mit dem Thema Food Waste auseinandergesetzt:
– Hotel Bernerhof
– Hotel Arc-en-Ciel
– Hotel Gstaaderhof
– Hotel Palace
– Hotel Olden
– Hotel Huus
– Hotel Kernen
– Hotel Hornberg

Was ist Food Waste?
Food Waste ist die Verschwendung von Lebensmitteln. Die Gründe dafür sind in der Produktion, der Verarbeitung, dem Handel, dem Rüstprozess und Konsum zu finden.


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