«Wir hoffen auf eine hohe Stimmbeteiligung»

  10.04.2018 Saanenland, Gemeinde, Saanenland

Die Gemeindeversammlung Saanen befindet am Freitag, 13. April über jährliche Beiträge von 3,81 Millionen Franken für die Jahre 2018 bis 2022 an die Bergbahnen Destination Gstaad AG. In diesem Betrag inbegriffen sind ein jährlicher Abschreibungs- bzw. Investitionsbeitrag von 1,78 Millionen Franken sowie ein jährlicher Beitrag von 430 000 Franken in Form eines Leistungsauftrages für die Verlängerung der Sommersaison.

ANITA MOSER
Hinter dem Leistungsauftrag stehen die BDG, der Hotelierverein Gstaad-Saanenland, Gstaad Saanenland Tourismus sowie der lokale Gewerbeverein. Der Antrag sei für die touristische Destination von höchster Relevanz, betonen die vier Präsidenten David Matti, Christian Hoefliger, Jonas Wanzenried und Heinz Brand. «Die Saisonverlängerung ist für die Hotellerie/Gastronomie, das Gewerbe und für den Tourismus von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung. Mit Annahme des Antrages ist der Sommerbetrieb inklusive Randzeiten für die nächsten fünf Jahre gesichert.»

Was ist Kernpunkt der Vorlage?
Heinz Brand:
Die Vereinbarung mit den jährlichen öffentlichen Beiträgen läuft dieses Jahr aus. Die BDG hat bei der Gemeinde um Unterstützung ersucht im Rahmen der letzten Jahre und gemäss dem Sanierungsbericht 2015. Um den Sommerbetrieb zu gewährleisten haben wir zudem gemeinsam einen Antrag über 800 000 Franken eingereicht.

Wer ist wir?
David Matti:
Hinter dem Antrag stehen die BDG, Gstaad Saanenland Tourismus, Gstaad Marketing GmbH, der Hotelierverein und der Gewerbeverein.
Heinz Brand: Auslöser war der Hotelierverein Gstaad-Saanenland, er hatte im vergangenen Sommer Vorbehalte geäussert gegenüber der Entwicklung der BDG. Im Zentrum der Kritik stand vor allem, dass im Frühsommer so viele Bahnen geschlossen waren. Darauf haben verschiedene Gespräche stattgefunden und wir haben einen Antrag über 800 000 Franken eingereicht. Ausgehandelt zwischen BDG und Gemeinde wurden schliesslich 430 000 Franken.
Christian Hoefliger: Wir haben versucht, einen Konsens zu finden. Auch der Gemeinderat war teilweise an den Workshops dabei. Wir waren uns der politischen Realität bewusst.

Welche Zusatzleistung bietet die BDG?
Heinz Brand:
Neben den regulären Öffnungszeiten der Bahnen wird jeweils eine Bahn im Gebiet der Gemeinde Saanen von Anfang Mai bis Mitte Juni an den Wochenenden und Feiertagen inklusive Brücken über die Feiertage in Betrieb sein, ebenso jeweils von Donnerstag bis Sonntag von Mitte bis Ende Oktober. Diese Zusatzleistungen sind an den Leistungsauftrag gebunden und werden damit abgegolten. Es war immer unser Ziel, Leistungsaufträge zu bekommen. Auch andere Leistungsträger, Gemeinden oder Institutionen können mittels Leistungsaufträgen Zusatzleistungen «erkaufen».
David Matti: Das ist der grosse Unterschied zu früher: Man weiss, was man fürs Geld bekommt.
Christian Hoefliger: Einerseits geht es um Transparenz: Der Bürger weiss, was die öffentliche Hand einkauft. Für die Leistungsträger – die Kunden – bedeutet der Leistungsauftrag eine gewisse Planungssicherheit. Wir wissen, mit was wir die nächsten fünf Jahre in etwa rechnen können. Das bedeutet nicht, dass es keine Abweichungen gibt.

Warum ist das zusätzliche Angebot so wichtig?
David Matti:
Laufende Bergbahnen sind die Hauptschlagader der Destination. Das wichtige Grundangebot, das matchentscheidend ist für viele Leute, insbesondere für Touristiker, Langzeitund Kurzzeitgäste. Wenn das Kernangebot fehlt, verliert man viel Attraktivität. Wenn ein Gast in eine Bergdestination kommt, geht er davon aus, dass er auch auf irgendeinen Berg mit der Bahn fahren kann. Natürlich gehört alles andere auch dazu. Es ist nicht die Bahn allein, die es ausmacht. Wir haben das Glück, dass wir relativ diversifiziert sind. Aber ohne laufende Bergbahn sind auch die anderen Angebote aus Sicht des Gastes weniger attraktiv.

Christian Hoefliger: Ein ganz wichtiges Erlebnis findet auf dem Berg statt. Das ist die Realität. Es gibt zwar im Tal vergleichsweise viele Attraktivitäten. Aber der Gast kommt hierher, um in die Weite zu blicken, um Schnee zu berühren, hinunterschauen – eben, er willl etwas erleben. Die Bergbahninfrastruktur ist deshalb überproportional wichtig. Ganz wichtig ist auch, dass wir die Unberechenbarkeit beenden.

Welche Unberechenbarkeit?
Christian Hoefliger:
Man wusste nicht mehr, was man als Besucher im Saanenland zu erwarten hatte. Das wäre, wie wenn eine Bäckerei willkürlich an einem Tag um 15 Uhr schliesst, am nächsten Tag bis 18.30 Uhr offen hat und ein anderes Mal nachmittags zu ist. Als Kunde gehst du irgendeinmal nicht mehr hin.

Wie haben die Kunden reagiert?
Christian Hoefliger:
Wir haben im letzten Sommer Kunden verloren – ein schmerzhafter Prozess. Man kann reduzieren, aber im letzten Sommer sind wir wohl sogar unter die kritische Untergrenze gefallen, die der Gast nicht mehr akzeptiert. Er fühlt sich nicht mehr ernst genommen, wenn er am 20. Juni hochkommt und keine Bahn fährt. Das nimmt der Gast persönlich, dafür hat er kein betriebswirtschaftliches Verständnis.

Die vier Leistungsträger stehen geschlossen hinter dem Antrag. Das kommt nicht so häufig vor.
Christian Hoefliger:
Als Leistungsträger stehen wir in der Verantwortung. Wichtig ist auch die Kommunikation. Das «gemeinsame Positive» ist gegen aussen enorm wichtig. Den Gast interessieren unsere Probleme hier nicht. Er kommt als Konsument, er will das Angebot geniessen. Wenn der Stimmbürger eine positive Nachricht versendet, ist das auch für den Gast ein positives und gutes Signal. Und ein Bekenntnis, dass uns die Bergbahnen wichtig sind. Ebenso ein Vertrauensbeweis für die Gesellschaft und für jene, die dafür arbeiten. Unbestritten, jeder Mensch, wir alle machen Fehler. Aber in den letzten zwei Jahren wurde mit viel Einsatz gearbeitet. Der Moment wäre da, dies zu würdigen. Wir reden hier nicht von einer Luxusvariante, schiessen nicht mit Kanonen auf Spatzen. Der Antrag ist ausgegoren, auch wenn er unter einem gewissen Zeitdruck entstanden ist.
Jonas Wanzenried: Als direkt betroffener Unternehmer kann ich bezeugen, dass die BDG sehr haushälterisch mit ihrem Geld umgeht. Trotz starrem öffentlichen Vergaberecht schafft sie es zudem, das örtliche Gewerbe zu berücksichtigen. Wir stehen hinter der Grundinvestition von gut zwei Millionen Franken – sie entsprechen dem Sanierungsbericht. In den Dolomiten beispielsweise werden für jede neue Bahn 50 % vom Staat übernommen. Das ist Wirtschaftsförderung pur. Und Italien steht betreffend den europäischen Märkten in direkter Konkurrenz zu uns. Wir sind der Meinung, dass die Öffentlichkeit, sprich die Gemeinde, im Sinn des Wettbewerbs den geforderten Betrag zur Finanzierung beitragen kann.

Profitiert das Gewerbe von den Zusatzleistungen?
Jonas Wanzenried:
Der Detailhandel ist direkt betroffen, er kann von einer guten Frequentierung profitieren. Und wenn unsere Gegend attraktiv ist, profitieren auch die Bauwirtschaft und die Immobilienbranche. Die Bergbahnen gehören zum Gesamtangebot, das ist auch sehr wichtig für Chaletgäste und Zweitwohnungsbesitzer. Und nicht zu vergessen: Eine funktionierende Infrastruktur muss unterhalten und erstellt werden, von diesen kann das Gewerbe direkt profitieren. Und sind die Hotels voll, können auch diese Investitionen tätigen.
Christian Hoefliger: Die BDG ist letztlich auch ein grosser Arbeitgeber. Für die Vorlage spricht, dass sie eine sehr gute Balance ist zwischen betriebswirtschaftlicher Realität – für die BDG – und Subventionen/öffentlichen Geldern – was generell bei vielen Bahnen Realität ist – sowie den Ansprüchen der Öffentlichkeit und der Gäste.
Jonas Wanzenried: Die Destinationsstrategie gibt klar vor, die Saison zu verlängern. Es ist wie beim Huhn und beim Ei: Was war zuerst? Wer beginnt? Verlängert die Hotellerie die Saison oder weiten wir das Angebot aus? Wir haben uns für Letzteres entschieden. Wir haben uns auf einen Kompromiss geeinigt und stehen hinter dieser Lösung. Aber sie muss wirtschaftlich sein. Das Management der BDG hat einen Sanierungsauftrag und die vorgeschlagene Lösung erscheint uns realistisch.

Heinz Brand, was sagen Sie dazu?
Heinz Brand:
Ich stehe voll hinter diesen Aussagen. Ich trage die Verantwortung für die Gesellschaft, für die Aktionäre usw. Aber auch die Volkswirtschaft liegt mir sehr am Herzen. Deshalb habe ich den Job angenommen. Ich will nicht das Saanenland «ds Bode fahre», ich will mithelfen, dass das Saanenland prosperiert, vorwärtskommt. Das Grundbedürfnis können wir abdecken. Aber zusätzliche – und zum grossen Teil berechtigte – Wünsche können wir mit unserer Ertragslage nicht finanzieren.
Christian Hoefliger: Das wird unter Umständen auch in Zukunft nicht besser sein. Wir werden eher sinkende Preise haben, die Leute werden nicht bereit sein, mehr zu bezahlen für eine Bergbahnfahrt. Die Divergenz zwischen Gäste-Erwartungen und betriebswirtschaftlichen Realitäten wird uns sicher noch einen Moment begleiten, auch wenn das Ziel der Bergbahnunternehmung sein muss, möglichst erfolgreich zu arbeiten.
Heinz Brand: Es ist davon auszugehen, dass der Service Public auch in Zukunft mittels Leistungsaufträgen finanziert werden muss.

Was passiert, wenn die Vorlage abgelehnt wird?
David Matti:
Das wäre fatal. Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Und wenn doch, gibt es eine neue Auslegeordnung und man müsste im Rahmen der dann bestehenden Möglichkeiten das Optimum herausholen.
Jonas Wanzenried: Für uns wäre der Fall klar: Man weicht vom Sanierungskonzept ab. Ohne heute die Details zu kennen, müsste man wohl eine neue Sanierung ins Auge fassen oder die Unternehmung wohl recht bald in den Konkurs schicken. Die bis heute getätigten Anstrengungen wären umsonst, die damals gesprochenen Gemeindefinanzen in den Sand gesetzt.
Christian Hoefliger: Die Vorlage wurde mit allen wesentlichen Anspruchsgruppen diskutiert und ausgearbeitet. Eine Ablehnung würde ich als Signal deuten, dass der Tourismus keinen prioritären Stellenwert hat im Saanenland.
Heinz Brand: Die Folgen wären fatal. Ich betone aber nochmals: Das Stimmvolk hat der Sanierung zugestimmt, wir fordern mit den 3,8 Millionen Franken nichts anderes als die Weiterführung des Sanierungsberichtes.

Was wäre, wenn die Gelder für zwei anstatt für fünf Jahre bewilligt würden und man dann nochmals über die Bücher geht?
Heinz Brand:
Dann wäre der ganze Finanzierungsplan gefährdet. Die zugesagten Gelder von Bund, Kanton usw. sind abhängig von anderen Zusagen. Wenn ein Zahnrad nicht mehr greift, kommt der ganze Zug ins Stottern oder zum Stillstand.
Jonas Wanzenried: Der Sanierungsplan sieht diesen Zeitrahmen vor.

Und wie geht es nach 2022 weiter?
Heinz Brand: Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir haben noch viele Altlasten und es stehen laufend Sanierungen und Erneuerungen an.
Christian Hoefliger: Das Problem ist noch nicht gelöst. Man hat zwar Löcher gestopft, das Segel gehisst und kann wieder weitersegeln. Aber man hat noch kein super Schiff. Wir sind produkteseitig noch nicht am Ziel.

Was braucht es noch?
Christian Hoefliger
: Wir müssen weiter an der Strategie arbeiten. Damit man wirklich erfolgreich arbeiten kann, brauchen wir bessere, attraktivere Angebote auf dem Berg. Auch das Thema Klimawandel wird uns beschäftigen. Wie gehen wir mit diesem Fakt um? Was ist das Buchungsmotiv in 25 Jahren? Diesbezüglich sind wir gefordert, wenn es 2022 wieder um Geld geht. Und nicht zuletzt müssen wir intern, unter uns Leistungsträgern, unbedingt unsere Diskussionsfähigkeit behalten und uns gegenseitig herausfordern.

Kam das bisher zu kurz?
Christian Hoefliger:
Das ist eine der Lehren, die ich aus den letzten 10 bis 15 Jahren gezogen habe. Wir lebten zu fest in einer Komfortzone. Man hat sich nicht herausgefordert, hat sich nicht die kritischen Fragen gestellt. Wir müssen aber in der Lage sein – so wie wir es im letzten Sommer gemacht haben – hart miteinander zu diskutieren, Anliegen gegenseitig einfordern und einander kritische Sachen sagen. Nur so kommen wir weiter. Für mich ist das ein ganz zentraler Punkt für die nächsten fünf Jahre.
Jonas Wanzenried: Die verschiedenen Sanierungs- und Überprüfungskonzepte, die man extern erstellen liess, kamen alle zum selben Schluss: Wir haben zu viele Bergbahnen, zu wenig Gäste. Ich wünsche mir, dass dieser Aussage auch Folge geleistet wird, dass also künftig noch mehr Bahnen geschlossen werden.
Christian Hoefliger: Wäre es dein eigenes Geschäft und du würdest feststellen, dass du jeden Monat mehr ausgibst, als du einnimmst, würdest du auch anfangen, Massnahmen zu ergreifen.
David Matti: Richtig, aber ebenso wichtig ist, dass die vorhandenen Bahnen und Berge attraktiv sind. Ein Bergbähnli, wie man es früher hatte, das die Leute von A nach B bringt, ist nicht mehr zeitgemäss. Entsprechend muss man jene, die man betreibt, so attraktiv gestalten, dass sie das Publikum ansprechen. Wie Christian Hoefliger richtig sagt, die Gäste wollen ein Erlebnis.
Heinz Brand: Wir sind uns bewusst, dass wir uns zum Klimawandel Gedanken machen müssen. Es liegen bereits Konzepte für den Rinderberg und die Wispile auf dem Tisch, heuer geht es um die Bewilligung dieser Konzepte und dessen anschliessende etappenweise Umsetzung. Der Verwaltungsrat hat pro Berg eine Million Franken bewilligt, um die Sommerattraktivität zu steigern.
Christian Hoefliger: Für die Destination kann dies auch eine grosse Chance sein.
Jonas Wanzenried: Die Kompetenz liegt beim Management. Es macht aber Sinn, zusammen zu diskutieren, in welche Richtung es gehen soll.
Heinz Brand: Im letzten Sommer wurde der gegenseitige Austausch auf Druck von Christian Hoefliger und dem Hotelierverein lanciert. Daran werden wir festhalten.

Welches Anliegen haben Sie konkret für die Gemeindeversammlung?
Alle:
Wir hoffen, dass möglichst viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger teilnehmen, damit das Resultat von einer breiten Öffentlichkeit getragen wird.


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