Haben Elektroautos eine Chance im Saanenland?

  13.04.2018 Region

In Saanen und Gstaad gibt es seit vergangenem Jahr je zwei Ladestationen für Elektrofahrzeuge. Die Nachfrage für Elektroautos ist zum Teil auch bei den Garagen im Saanenland da. Doch eignen sich diese Autos auch für die hiesigen Gegebenheiten?

MELANIE GERBER
Wer im Parking Zentrum in Saanen oder im Parking Untergstaad sein Elektroauto abstellt, kann gleichzeitig auch Strom über die dort installierten Ladestationen beziehen. Wie der «Anzeiger von Saanen» am 8. September 2017 berichtete, werden diese durch die Elektromobilitätfirma «Move» betrieben.Dass Elektroautos ein Thema im Saanenland sind, zeigt sich bei den Kunden der Garage Mark. Obwohl die Garage als Vertreter der Marken Subaru und Suzuki keine Elektroautos anbietet, ist die Nachfrage vorhanden. «Es sind sowohl einheimische Kunden als auch Touristen», sagt Reto Mark auf Anfrage. Grundsätzlich seien die Kunden sehr verunsichert, wenn es um den Kaufentscheid gehe, vor allem wegen dem Diesel-Dilemma bei VW. «Es ist aber nicht so, dass sie mit dem Autokauf warten, bis ihre bevorzugte Marke ein Elektroauto herausgibt.» Ganz anders erlebt es Andrea Gehret von der Garage Gehret in Feutersoey. «Elektroautos sind bei unseren Kunden kein Thema», sagt sie. Als Vertreter der Marke Ford hätten sie zwar einen elektrobetriebenen Ford Fokus im Sortiment, dessen Batterie sei aber so gross, dass sie viel Platz wegnehme und ihre Kunden würden sich doch lieber für alltagstauglichere Fahrzeuge entscheiden.

Hauptproblem Akku
Die Batterie scheint aber nicht nur wegen ihrer Grösse problematisch zu sein. Im Unterschied zum Hybridfahrzeug, welches mit einer zweiten Autobatterie ausgerüstet ist, die sich bei Abwärtsfahrten auflädt und den Motor unterstützt, sobald es bergauf geht, ist ein Elektroauto mit einem Akku ausgerüstet, der, laut Reto Mark, eher umstritten ist. Bereits die Produktion des Akkus sei sehr teuer, so Mark. Dazu komme dann noch die Entsorgung, die sich als problematisch gestalte. «Ein Akku im Tesla kostet 15 000 Franken und kann nicht zurückgebaut und recycelt werden. Er gilt als Sondermüll und muss in einem Bunker vergraben werden», kommentiert Reto Mark die Thematik rund um die Batterie. Ausserdem nehme die Akkuleistung nach einigen Jahren rasant ab. «Wer möchte schon ein Auto, das nicht mehr so gut läuft und mit voller Ladung nur noch 100 km statt 250 km machen kann?» fragt Reto Mark. Auch für die Kunden der Garage Gehret spielen die Kosten eines Elektroautos eine Rolle. «Wir arbeiten mit einer Marke auf der Mittelklasse», so Andrea Gehret. Elektrofahrzeuge seien eher teuer und sprächen eine andere Klientel an.

Winter- und bergtauglich?
Mehrheitlich kämen die Kunden mit Autos der Marke Tesla auf die Garage Mark zu. Tesla ist momentan der einzige Hersteller, der ein Allradauto anbietet. Subaru werde nächstes Jahr ebenfalls mit einem allradbetriebenen Elektroauto auf den Markt kommen, so Mark. Ein zweiradbetriebenes Elektroauto sei jedoch auch im Saanenland nicht weniger problematisch als sein benzinbetriebenes Pendant. Dennoch, rund 80 % seiner Kunden mit Elektroauto fahren einen Allrad. Und genau hier sieht Andrea Gehret die Problematik der Elektroautos im Saanenland: Diese erfüllen die Ansprüche eines bergtauglichen Autos noch nicht.

Mit den im Saanenland vorherrschenden Gegebenheiten sind die Voraussetzungen für ein Elektroauto nämlich anders, als dies in einer Stadt mit schneearmen Wintern und weniger tiefen Temperaturen der Fall ist. Entsprechend wird der Akku bei kalten Temperaturen gefordert. «Man muss sich das vorstellen wie bei einem Smartphone, das bei Minus 20 Grad innert zehn Minuten abstellt», erklärt Reto Mark.

Auf Elektroautos eingestellt
Im Saanenland ist man trotz den eher ungünstigen Gegebenheiten auf Elektroautos eingestellt. Dies zeigen zum einen die Parkplätze mit Ladestation. «Wir sind zufrieden mit den Standorten», berichtet Stéphane Rosset, der Anfang dieses Jahres die Firma Move Mobility AG gegründet hat. Schweizweit würden immer mehr Kunden Strom für ihr Elektroauto über das öffentliche Ladenetz beziehen. Die Kunden melden zurück, dass es ideal sei, auch in Gstaad eine Ladestation zu finden. Das Angebot sei auch wegen dem Tourismus im Saanenland sehr wichtig, so Rosset, denn es ziele unter anderem auf Kunden ab, die am Flughafen ein Elektroauto beziehen und auf der Grand Tour of Switzerland bis ins Saanenland und noch weiter fahren. Stéphane Rosset, der mit seinem Renault Zoe 300 bis 500 km fahren kann, bevor er ihn ans Stromnetz anschliessen muss, betrachtet dieses und das kommende Jahr noch als Übergangs- und Aufbauphase. «Ich denke, dass die Industrie ab 2020 am Autosalon Genf sagen wird, dass sie bereit ist», so Rosset.

Zum anderen zeigt aber auch die Ausbildung der Polizei und Rettungskräfte, dass man bei Unfällen mit Elektroautos umzugehen weiss. «Es ist Hochvolt im Spiel», äussert sich Reto Mark auf die Frage, ob ein Unfall mit einem Elektroauto anders gehandhabt werden müsse. «Unsere Polizisten sind für Unfälle mit Elektroautos ausgebildet», bestätigt Markus Brosi, Dienstchef Unfalltechnischer Dienst der Kantonspolizei Bern. Die grösste Schwierigkeit überhaupt sei die, zu erkennen, ob es sich beim Unfallauto um ein Elektrofahrzeug handle. Die Polizisten seien darauf geschult worden, anhand der für Elektrofahrzeuge typischen orangenen Kabel, dem fehlenden Auspuff oder Beschriftungen am Auto sehr schnell zu erkennen, um was für ein Fahrzeug es sich handelt.

Gibt es Alternativen?
Der Skandal um den Diesel bei Volkswagen hat letztlich viele Kunden verunsichert. Trotzdem sieht Andrea Gehret das Elektroauto im Moment nicht als Alternative. «Ich weiss nicht, ob es die Zukunft ist», sagt sie, während sich Stéphane Rosset sehr sicher scheint, dass diese Zukunft bereits in zwei Jahren da sein wird. Reto Mark hingegen denkt, dass Wasserstoff zukünftig ein Thema sein wird. «Der Vorteil ist, dass der produzierte Wasserstoff in einem Tank unter hohem Druck gespeichert werden kann», so Mark. Dadurch brauche das Fahrzeug keine zusätzliche Ausrüstung, die dann nur schwer wieder entsorgt werden könne.


ELEKTROAUTO

– mehrheitlich 2-Radantrieb

– Kälte mindert Akkuleistung

– Akkuleistung nimmt mit der Lebensdauer stark ab, bereits nach 8 Jahren erreicht die Batterie nur noch ca. 60–70 % der Leistung

– teuer in der Anschaffung

– zunehmend wachsendes Netz mit Ladestationen

– Laden dauert lange

– kein Recyceln der Batterie möglich


BENZIN/DIESEL

– mehr Anbieter für Allradautos

– Kälte hat nur Einfluss auf die Autobatterie, nicht aber auf den Antrieb

– Fahrzeuge für jedes Budget

– viele Tankstellen

– Auftanken geht schnell


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote