«La Folia» – eine barocke Vorführung zu Pfingsten

  23.05.2018 Kultur

Unter dem Motto «Extases baroques» fand über das Pfingstwochenende zum 18. Mal das Musikfestival «La Folia» in Rougemont statt. Verschiedene Künstler interpretierten von Donnerstag bis Montag in der Kirche Saint-Nicolas von Rougemont Barockwerke von Vivaldi, Sammartini, Babell, Förster, Landini, Händel, Biber, Froberger, Kapsberger, Rovetta, Legrenzi und Monteverdi.

ÇETIN KÖKSAL
Das Konzert von Samstagabend war dem Thema «Heldinnen – Die schönsten dramatischen Arien von Georg Friedrich Händel (168 –1759)» gewidmet. Es musizierten Sandrine Piau, Sopran, und das Ensemble «Les Paladins» unter der Leitung von Jérôme Correas. Am Sonntagabend gab das «Ensemble Luceram» mit der Geigerin Hélène Schmitt unter anderem Sonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644– 1704) zum Besten.

Heldinnen aus Händels Opern
Mit dem Engagement der französischen Sopranistin Sandrine Piau ist der künstlerischen Leiterin des Festivals, Capucine Keller, ein wahres Kunststück gelungen. Ganz im Gegensatz zum landläufigen Klischee der matronenhaften Operndiva ist Sandrine Piau eine sehr zierliche Erscheinung. Was sie jedoch ihrem Stimmorgan an Grösse, Tiefe und Kraft zu entlocken vermag, ist beeindruckend. In Verbindung mit ihrer präzisen Virtuosität, der fesselnden Bühnenpräsenz und der sehr ausgereiften, musikalischen Interpretation entstanden Momente, in welchen man das Gefühl für Raum und Zeit vergisst. Man verfällt der Sirene «Partenope» in «Voglio amare insin ch’io moro», steht mitten im Sturm, wenn Kleopatra es in «Da Tempeste» aus «Giulio Cesare» blitzen und donnern lässt, und man leidet unsäglich, wenn Alcinas Herz in «Ah! Mio Cor» zerbricht. Händels Heldinnen werden so unmittelbar auch zu den unseren. Sandrine Piau ist musikalisch eine derart gewaltige Erscheinung, dass die durchaus solide, ebenfalls ausgereifte Leistung der «Paladins» etwas in den Hintergrund geriet. Dabei waren sowohl das «Concerto grosso Op.6 Nr.4» als auch die beiden Ouvertüren zu «Ariodante» und «Rodrigo» ein willkommener und bereichernder Kontrast zwischen den Arien.

Bibers «Rosenkranzsonaten»
Hélène Schmitt schenkte dem wiederum zahlreich erschienenen Publikum mit ihrem «Ensemble Luceram» ebenso ein musikalisches Erlebnis, das eine geraume Weile in bester Erinnerung bleiben wird. Die erfahrene, prägnant und sehr lebendig spielende Barockgeigerin harmonierte vorzüglich mit ihren Mitmusizierenden Bruno Helstroffer, der eine prächtige Theorbe spielte, Francisco Manalich an der reich verzierten Viola da Gamba und François Guerrier, dem Organisten und Cembalisten. Den ausgewogenen Klangkörper, den die vier Musiker bilden, nahm man als eine über lange Zeit und intensiv erarbeitete Einheit wahr. Dies ist umso bemerkenswerter, weil Hélène Schmitt als Leiterin und Sologeigerin durchaus ein angenehm dominantes Spiel beherrscht. Ihre «Mitstreiter» folgten ihr erfreulicherweise auf Augenhöhe. Im «Lamento» von Johann Jakob Froberger (1616– 1667) für Solocembalo und der «Bergamaske» von Giovanni Girolamo Kapsberger (1580–1651) für Solotheorbe erhielt das Publikum eine weitere Kostprobe des Könnens dieser Künstler. Mit Hélène Schmitt als Solistin trugen alle zusammen die erste, vierte, neunte, zehnte, vierzehnte und sechzehnte Sonate der insgesamt 16 «Mysterien- oder Rosenkranzsonaten» vor. Heinrich Ignaz Franz Biber war selber ein berühmter Geigenvirtuose seiner Zeit, der in einigen Kompositionen die Skordatur benutzte. Darunter versteht man das Umstimmen von Instrumentensaiten um eine halbe oder ganze Tonhöhe hinauf oder hinunter. Bis auf die erste und letzte sind alle «Rosenkranzsonaten» auf skordierter Geige zu spielen. Eine unglaubliche Herausforderung für die Interpretin, da auch sie jeweils von den Tönen «überrascht» wird. Die gegriffenen Akkorde auf den Saiten entsprechen nicht der Erwartung, da die übliche Quintstimmung zwischen G-, D-, A-, und E-Saite von Sonate zu Sonate immer wieder verändert werden muss. Hélène Schmitt hat sich der Herausforderung des «tückischen» Biber mit Bravour gestellt.

Wir freuen uns jetzt schon auf die 19. Ausgabe von «La Folia» vom 6. bis 10. Juni 2019. Wer nicht so lange warten möchte, der kann das Konzert von vergangenem Samstag am 1. Juni in der Sendung «Concert du vendredi» auf «Espace 2» geniessen. Beide Konzerte vom 19./20. Mai wurden von der RTS aufgenommen. Dasjenige von Sonntag wird zu einem späteren, noch unbekannten Zeitpunkt auf «Espace 2» ausgestrahlt werden.


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