100-jährige Landi ist aktueller denn je

  23.05.2018 Saanen

Die Landi Saanenland wurde vor 100 Jahren gegründet, was die heutige Landi Simmental-Saanenland am vergangenen Freitagabend im Hotel Landhaus feierte. Sie ist trotz des hohen Alters nicht müde, sondern ganz am Puls der Zeit.

BLANCA BURRI
Wenn ein Mensch heutzutage 100-jährig wird, ist das trotz der steigenden Altersentwicklung noch immer eine Ausnahme. Viele in diesem Alter sind pflegebedürftig und die Tage ziehen nur langsam an ihnen vorbei. Nicht so bei der Landi Saanenland. Sie scheint ein Jungbrunnen zu sein. Sie ist schliesslich auch kein Mensch, sondern eine Genossenschaft. Gegründet wurde sie, um ihre Mitglieder zu unterstützen. Sie hat dafür gesorgt, dass diese möglichst günstig zu Produkten kamen, die sie für ihre landwirtschaftlichen Betriebe benötigten. Das hatten die Bewohner des Saanenlandes auch bitter nötig, denn 1918, am Ende des ersten Weltkrieges, ging es der Region nicht gut, wie Willi Bach, Präsident der Landi Simmental-Saanenland, an der Generalversammlung vom vergangenen Freitagabend ausführte. Wegen der Armut seien viele Leute in andere Regionen der Schweiz, in den Osten und sogar nach Amerika ausgewandert.

Vom Selbstversorger zum Käse- und Fleischproduzenten
Willi Bach erklärte, dass die Geschichte der Landi mit der Geschichte der Region korrespondiere. «Unsere Vorfahren waren meist Selbstversorger, später hat sich ihre Leidenschaft und Freude aber auf die Produktion von Käse verlagert.» Deshalb habe man sich schliesslich recht stark auf die Viehhaltung spezialisiert. In den Kriegszeiten sei dies aber schwierig gewesen, wer habe sich schon teuren Käse oder Fleisch leisten können. Wenn der Viehmarkt übersättigt gewesen sei, habe man die Kuh vom Viehmarkt wieder mit nach Hause genommen und kein Geld gehabt, um die Rechnungen zu bezahlen. Deswegen hätten einige ihr Heim verloren.

Der Bau der MOB nach 1900 spielte nicht nur für den Tourismus, sondern auch für die Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Sie war der Zugang zum überregionalen Markt, weil mit ihr zum Beispiel Holz, Käse oder Kühe transportiert wurden.

Zeit des Aufbruchs
In der Altjahrswoche 1918 wurde die Landi Saanenland also gegründet. «Es war eine Zeit des Aufbruchs, bei der die Bevölkerung zusammengespannt hat», betonte der Präsident. Neben der Gründung der Landi gab es viele weitere Veränderungen, zum Beispiel wurden verschiedene Viehzuchtgenossenschaften und Skiclubs gegründet.

Damals war die Gleichstellung von Mann und Frau aber noch ein Fremdwort. «Weibliche Mitglieder waren an der Generalversammlung nicht gestattet», las Willi Bach aus den Statuten vor. Überhaupt hätten Frauen nicht Mitglieder werden können. Wenn aber der verstorbene Ehemann eines gewesen sei, so habe die Ehefrau die Mitgliedschaft geerbt. An die Versammlung musste sie dann einen männlichen Vertreter schicken. Bach ergänzte: «Zum Glück hat sich dies inzwischen geändert.» Er schaute in die Reihe der anwesenden 81 Stimmberechtigten, unter denen sich auch Frauen befanden.

Zum Glück war der Mist schon draussen
Der erwartete wirtschaftliche Aufschwung zwischen den beiden Weltkriegen blieb aus. Dafür aber begann 1939 der Zweite Weltkrieg. Und mit den Soldaten mussten auch die Arbeitstiere, die Pferde, in den Aktivdienst. «Zum Glück war der Mist schon ausgetragen, bevor meine älteren Brüder einrückten», las Bach aus einem bewegenden Dokument vor. In dieser Zeit hat man sich auf die Selbstversorgung zurückbesonnen und wieder vermehrt Getreide angebaut. Die Landi hat dies mit Beiträgen unterstützt. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr die Landi – wie das ganze Saanenland – einen grossen Aufschwung. In diverse Immobilien wurde investiert und Mobilien wurden angeschafft.

Standort prüfen
Mit dem Neubau der Coop-Filiale 1981 am aktuellen Standort in Gstaad wurde auch ein immenser Keller der Landi sowie die gemeinsame Anlieferung gebaut. «Dieser Bauentscheid war wegweisend und dient uns noch heute.»

Die Umfahrung Gstaad sei eine grosse Herausforderung gewesen, weil plötzlich der Standort im Dorf zur Diskussion gestanden sei. «Ist unser Standort im Zentrum von Gstaad noch richtig?», habe sich der Vorstand gefragt. Der Standort wurde diskutiert, weil man gewusst habe, dass die Landi wegen den geplanten Pollern künftig nur noch von Norden her mit Fahrzeugen zugänglich sein würde. Deshalb habe sich die Landi gegen die Poller beim Bahnhof gewehrt, sagte Willi Bach, «obwohl wir im Innersten wussten, dass ein Schleichweg durchs Dorf ausgenützt worden wäre und dies für den Tourismusort nicht gut gewesen wäre.» Schliesslich habe sich der Vorstand und die Geschäftsleitung für den Standort Gstaad entschieden und danach mit der Neupositionierung der Landi begonnen. Dazu gehörten auch der Umbau zum heutigen Landi-Laden, den Neubau des Agrocenters im Grund sowie der Umbau des Raiffeisen-Bank-Gebäudes neben der Tankstelle in Gstaad.

Aktueller denn je
Anfang der 2010er-Jahre hat die Landi die Fusion mit Därstetten, Zweisimmen und Lenk geprüft und 2014 durchgeführt. Seit der Fusion heisst sie Landi Simmental-Saanenland. Das bedeutete auch die Neupositionierung der bestehenden Verkaufsorte sowie den Neubau des Landi-Gebäudes mit Top-Shop in Zweisimmen. Heute hat die Landi keine Altlasten mehr, sondern sechs topaktuelle Verkaufsläden, die laut Geschäftsführer Mario Cairoli den Kundenbedürfnissen entsprechen.

Steigender Umsatz
Mario Cairoli konnte die Rechnung erstmals mit einem ganzen Betriebsjahr der neuen Landi in Zweisimmen präsentieren. Der Gesamtumsatz lag im vergangenen Geschäftsjahr bei 34 143 000 Franken, so hoch wie noch nie. Dabei machte der Detailhandel mit 49 % fast die Hälfte aus. Die Agrarwirtschaft war in den letzten Jahren rückläufig. Erst 2017 gab es eine leichte Steigerung, vielleicht auch dank der die Offensivstrategie, welche die Landi verfolgt. Sie hat Aussendienstmitarbeiter engagiert, welche die Landwirte beraten. Der Verlust von 164 407 Franken wird auf die neue Rechnung vorgetragen, was das Eigenkapital auf 2 645 843 Franken schrumpfen lässt. Die Neulancierung der Landi Zweisimmen habe zu diesem Verlust beigetragen, wie Cairoli im Anschluss an die Versammlung erklärte. Innerhalb von fünf Jahren sollen aber wieder schwarze Zahlen geschrieben werden, versprach er.

Wenn möglich regional
Ein Anwesender bemängelte, dass viele Produkte aus dem Ausland stammten. Mario Cairoli entgegnete, dass die Landi möglichst viele Produkte aus der Schweiz und wenn immer möglich aus der Region im Sortiment habe. Sie biete aber auch Konkurrenzprodukte aus dem Ausland an. Da diese oftmals viel günstiger seien, würden sie entsprechend häufig gekauft. «Es kommt also auf Sie, liebe Landwirte, an, welche Produkte Sie kaufen», hielt er fest. Auch Aufträge versuche die Landi, wenn immer möglich, in der Region zu vergeben.

Starker Detailhandel
Mit der Entwicklung aller Standorte (Gstaad, Zweisimmen, Lenk und Därstetten) zeigte sich Mario Cairoli sehr zufrieden, wobei sich der Detailhandel in den vergangenen Jahren besonders gut entwickelte. Seit 2013 stieg der Umsatz von 13 350 000 Franken auf 16 785 000 Franken an.

Die Personalkosten stiegen durch dem neuen Standort Zweisimmen markant, aber der übrige Betriebsaufwand blieb relativ stabil und alle Abschreibungen konnten getätigt werden.

Wechsel im Vorstand
Fritz Batzli (Därstetten) und Thomas Raaflaub (Gstaad) traten aus dem Vorstand zurück. Neu wurde Jürg Ueltschi (Weissenburg) gewählt, ein Sitz bleibt vakant. Nach vier Jahren musste der gesamte Vorstand wiedergewählt werden. Zur Wiederwahl stellten sich Willi Bach (Gstaad), Manfred Abbühl (Weissenburg), Brigitte Knubel (Zweisimmen), Erika Reuteler (Gstaad), Thomas Gafner (Weissenburg), Matthias Kuhnen (St. Stephan) sowie Rolf Aegerter (Lenk), welche mit Akklamation gewählt wurden.

Ehrungen und Lob
Diverse Mitarbeiter wurden für ihre Dienstjubiläen von 5, 10 und 15 Jahren geehrt. Seit 20 Jahren ist Mario Cairoli bei der Landi, seit 2004 als Geschäftsleiter. Die Laudatio durch Willi Bach war sehr persönlich und von Dank geprägt.

Unter Verschiedenem lobte Martin Keller, CEO von der Fenaco die grosse Arbeit der Landi Simmental-Saanenland. Sie sei ein zuverlässiger Partner. Auch die Fenaco feiert dieses Jahr Jubiläum und zwar ein Vierteljahrhundert. Deshalb zahlt sie eine Rückvergütung aus. Um diese zu erhalten, müssen sich die Mitglieder auf der Website von Fenaco registrieren.

Willi Bach wünschte allen Landwirten einen guten Tal- und Bergsommer und lud gegen 22 Uhr zum Imbiss mit musikalischer Unterhaltung ein.

Die Broschüre 100 Jahre Landi Simmental-Saanenland gibt einen eindrücklichen Einblick in die Geschichte der Landi.

 


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