Familienprojekte machen Freilichttheater zu etwas Besonderem

  23.05.2018 Gsteig

«Der Schwarz Steff» ist ein dynamisches Theaterstück, das im Juli zur Welturaufführung kommt. Die Proben sind so weit fortgeschritten, dass sie vom anonymen Probelokal auf die Originalbühne in Gsteig verlegt wurden. Der «Anzeiger von Saanen» war an der ersten Tagesprobe dabei, wo aufgefallen ist, wie viele Familien das Theater als Familienprojekt betreiben und der Inszenierung so eine ganz besondere Kraft verleihen.

BLANCA BURRI
«Wir wollen den Weiberkrieg noch mal spielen!», riefen die Kinder nach dem Mittagessen. Regisseurin Ruth Domke liess sich schnell überreden. «In Ordnung, wir können ihn zum Aufwärmen noch einmal spielen.» Und dann musste man sich die Ohren zuhalten, denn die Freude der Kinder war so gross, dass sie laut losjohlten. Die Kinder verstoben in ihre Verstecke hinter den Büschen oberhalb der Hauptbühne. Danach schlich eine ganze Gruppe geduckter Frauen mit ernsten Gesichtern eine schwarze Gestalt an. «Packet ne!», schrie eine. Die anderen gehorchten. Mit lautem Gebrüll packten und fesselten sie ihn anschliessend. Dann war der ganze Spuk vorbei. Lachend zerstreuten sich die Schauspieler und machten sich für die nächste Szene bereit.

Familienband zieht sich durch alles
«Der Schwarz Steff» ist in jeder Hinsicht etwas ganz Besonderes. Das Stück wurde von Jürg Domke geschrieben und von seiner Frau Ruth Domke bearbeitet. Das ist das erste von vielen Familienprojekten, die hinter der Produktion stehen. Neben Ruth und Jürg Domke-Raaflaub sind einige weitere Mitglieder der Familie Raaflaub im neusten Freilichttheater des Freilichttheatervereins Saanenland integriert. Einige sind als Schauspieler auf der Bühne tätig, andere sind im Hintergrund, um die Technik zu gewährleisten, die Kulissen zu gestalten und aufzubauen oder die ganze Theatertruppe mit herrlichsten Köstlichkeiten zu versorgen.

«Eine innige Beziehung»
Die Raaflaubs sind aber nicht die Einzigen, die als Familie mitwirken. Drei Generationen der Familien Brand und Bütschi zum Beispiel sind mit dabei. «Es fägt total», strahlt Miriam Oehrli-Brand. «Ich habe eine ganz enge Beziehung zu meinem Vater Ueli Brand und geniesse die gemeinsame Zeit auf der Bühne sehr.» Dieses Jahr helfen erstmals auch ihre Söhne Benjamin und Nicolas mit. «Ich bin stolz, dass sie mit mir die Leidenschaft zum Theater teilen.» Gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten, verbinde enorm. Auch ihr Mann helfe im Hintergrund mit. Weil ihre Kinder noch recht jung sind, hatte Miriam Oehrli zuerst etwas Respekt, die Kinder bereits jetzt ins Theatergeschehen zu integrieren. Aber wir sind wie eine grosse Familie, es gibt immer jemand, der zu den Kindern schaut.»

Ein Kindheitstraum geht in Erfüllung
Für Eveline Gygax geht ein Kindheitstraum in Erfüllung. Obwohl sie in einer Theaterfamilie gross geworden ist, spielt sie dieses Jahr erstmals in einer Freilichttheaterproduktion mit und hat dazu auch gleich ihre beiden Buben Loris und Fabio motivieren können. Aber die Motivation scheint sowieso kein Problem zu sein. «Obwohl es viele Proben gibt, mussten wir unsere Kinder noch nie anspornen», sagt Anja Moosmann, die gemeinsam mit ihrem Mann und den beiden Kindern Luana und Lyonel mitwirkt. «Wir haben in der Theatergruppe eine ganz spezielle, sehr schöne Stimmung», sagt sie. Alle würden am selben Strick ziehen, sich gegenseitig helfen und sich unterstützen. «Ich geniesse es, dass ich so viele ganz unterschiedliche Leute kennenlernte», lobt Evelin Gygax einen weiteren Aspekt. Das Schauspiel, die Proben und das gemeinsame Ziel seien sehr verbindend.

Für Anja Moosmann hat es sich als richtig und wichtig erwiesen, dass nicht nur ein Teil, sondern die ganze Familie mitwirkt. «Die Produktion ist zeitaufwendig und man verbringt ganze Wochenenden mit der Theatergruppe. Obwohl wir vielleicht nicht so viel voneinander haben, so sind wir als Familie doch am gleichen Projekt am selben Ort.» Das sei ein tolles Familienerlebnis und fördere das Verständis füreinander.

Der Böse
Ruedi Hefti spielt nicht erst seit gestern Theater, es begleitet ihn schon eine ganze Weile. Neu ist aber seine Rolle als Bösewicht. In den früheren Rollen war er tollpatschig, lieb und lustig. Als «Der Schwarz Steff» aber muss er anecken, boshaft und aggressiv sein. «Am Anfang machte mir das schon etwas Mühe.» Inzwischen aber mache es Spass. Denn eigentlich schlummere alles schon irgendwo, man müsse es einfach rauslassen und diese neue Facette sei toll. «Ziel meiner Rolle ist, dass mich das Publikum am Schluss des Theaters hasst.»

Besser als gedacht
Jürg Domke beobachtete am vergangenen Wochenende das Geschehen vom Bühnenrand aus, wenn er nicht gerade Einsatz hatte. «Ich habe mir bei den einzelnen Szenen schon Bilder vorgestellt, was ich aber hier präsentiert bekomme, ist noch viel blumiger, als ich es mir erträumt habe.»

Die Welturaufführung findet am 20. Juli in Gsteig bei Gstaad statt.

www.freilichttheater-saanenland.ch
Video: https://tinyurl.com/y9fxwsxf
Fotoalbum: https://tinyurl.com/ycjvxbvr


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