Vorlesen macht Kinder glücklich

  25.05.2018 Gstaad

Glücklich wurden sie, die Kinder und auch die Erwachsenen, die am ersten Schweizer Vorlesetag die Bibliothek Saanenland besuchten. Andächtig lauschten sie den Geschichten, die Brigitte Zahnd und Vreni Müllener am Mittwochnachmittag auf Mundart erzählten.

MELANIE GERBER
«Ein Kind, das liest, geht allein auf eine Reise. Ein Kind, dem man vorliest, bekommt eine Reisebegleitung. Kinder, denen man gemeinsam vorliest, werden zu einer Reisegruppe ins Land der Fantasie.» Dies sagt Franz Hohler zum ersten Schweizer Vorlesetag, der am 23. Mai mit knapp 5000 Veranstaltungen schweizweit stattfand. In der Bibliothek Saanenland nahmen Brigitte Zahnd und Vreni Müllener die Rolle der Reisebegleiterinnen ein. In gemütlichen Ecken der Bibliothek führten die beiden Vorleserinnen kleine und grössere Kinder und sogar Erwachsene ins Land der Fantasie, wo hässliche Entlein leben und Bienen sich in Spinnenetzen verfangen. «Aber wieso denn?» fragte eine junge Zuhörerin von Zeit zu Zeit, wenn die Geschichte so richtig spannend wurde. «Es kommt dann schon gut», beruhigte sie Vreni Müllener. «Du musst keine Angst haben.»

Zum ersten Mal offizielle Vorleserinnen
Man würde gar nicht glauben, dass die beiden Vorleserinnen dies zum ersten Mal machten. «Ich habe natürlich den eigenen Kindern vorgelesen», so Vreni Müllener. Und auch in der Sonntagsschule habe sie immer wieder Geschichten erzählt. Aber dies nun in so einem Rahmen zu tun, sei ein besonderes Erlebnis. «Ich staune, dass kleine Kinder mit gerade mal vier Jahren so gut zuhören können», ergänzte sie. Das Vorlesen empfinde sie als Bereicherung zum Angebot, das heutzutage bestehe. Und es erinnere sie an die Zeit, in der sie ihren eigenen Kindern regelmässig vorgelesen habe, nicht weil sie dachte, es sei gut für deren Wortschatz, sondern einfach deshalb, weil auch die eigene Mutter dies schon so getan hatte. «Jetzt wo das Vorlesethema so aktuell und wichtig ist, sehe ich, dass ich es richtig gemacht habe.» Auch Brigitte Zahnd hat ihren eigenen Kindern und ihren Schulklassen vorgelesen. «Ich habe immer schon gerne auf Berndeutsch erzählt», so Brigitte Zahnd, «auch wenn die Geschichte auf Hochdeutsch geschrieben war.» Nur bei fremdsprachigen Kindern habe sie jeweils auf Hochdeutsch gewechselt, da sie die Schriftsprache als wichtiges Mittel zur Integration empfinde. «Meinen Kindern habe ich jeden Abend ein Kapitel vorgelesen. Und sie haben sich immer besonders gefreut, wenn das Kapitel lang war.»

Zeit geben, zuzuhören
Bibliotheksleiterin Silvia Bircher zeigte sich zufrieden mit dem Anlass, der in dieser Form zum ersten Mal durchgeführt wurde. «Wir haben beim Schweizer Vorlesetag mitgemacht, um den Menschen Zeit zu geben, wieder einmal zuzuhören», sagte sie. Es freue sie sehr, dass nebst den Kindern auch erwachsene Zuhörer/innen den Vorlesetag zum Anlass genommen haben, sich für eine Stunde hinzusetzen und den Geschichten zu lauschen. Und das taten sie: Die Kleineren hörten bei Vreni Müllener Geschichten auf Saanendeutsch, in denen Bienen und Käfer die Hauptfiguren spielten, während die älteren Kinder und die Erwachsenen bei Brigitte Zahnd in einer gemütlichen Ecke eine Stunde lang gebannt zuhörten und durch nichts abzulenken waren.


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