«Das ist meine Freude»

  22.06.2018 Kultur, Konzert

Samstag- und Sonntagabend fand das Konzert des Kirchenchors in der reformierten Kirche Lenk statt.

Die Besucherinnen und Besucher der Konzerte des Kirchenchors Lenk haben sich in den letzten Jahren daran gewöhnt, dort fesselnden Werken zu begegnen, deren Komponisten ihnen bisher völlig unbekannt gewesen waren. Man fragt sich jeweils: Wie ist es möglich, dass so hinreissende Musik einfach verloren gegangen ist? Dem Chorleiter Johannes Göddemeyer ist es auch dieses Jahr meisterhaft gelungen, ein stimmiges Programm weitab vom gängigen Repertoire zusammenzustellen. Unter dem Titel «Das ist meine Freude» versammelte er Stücke der kirchlichen Chormusik, die im Verlauf der letzten 350 Jahre in Deutschland,Österreich, England und Amerika entstanden sind. Wo die Stücke die Möglichkeiten des Chors überstiegen – so etwa, weil ihm an der Lenk kein komplettes Orchester für die Begleitung zur Verfügung steht – passte er sie den gegebenen Verhältnissen an.

Die Ausführenden waren der Kirchenchor Lenk, der hier nicht weiter vorgestellt werden muss, die Sopranistin Leticia Kahraman, der kurzfristig eingesprungene Bass-Bariton Daniel Pérez, die im Simmental bestens bekannte Pianistin Stella Timenova, Arev Immer und Andrea Schmid, Violinen, Anina Lauber, Viola, Alexandra Lüthi, Cello, und Cecilia Perfetti, Kontrabass.

Dreimal «Das ist meine Freude»
Das Programm wurde eröffnet mit der Motette «Das ist meine Freude» von Georg Philipp Telemann, ein trotz seines biblischen Inhalts sehr diesseitiges Werk, in dem von der Freude am Wirken Gottes nicht bloss die Rede ist, sondern diese Freude auch musikalisch direkt zum Ausdruck bringt. Im weiteren Verlauf des Konzerts begegnete man diesem Titel zwei weitere Male: einmal in der Motette von Johann Ludwig Bach, einem Angehörigen der im Osten Deutschlands ansässigen, weit verzweigten Musikerfamilie Bach, sowie in der Motette von Johann Rosenmüller, dem ältesten der im Konzert vertretenen Komponisten. Seine Motette entstand 1652. Als zweites Werk erklang die Pastoralmesse von Karl Nussbaumer. Der 1875 in Salzburg geborene Komponist fiel als Soldat 1916 im Ersten Weltkrieg im Trentino. In den schlichten, bezaubernden Melodien sei nes Werks wirkt das Erbe Schuberts nach, seine Musik ist Ausdruck schlichter Volksfrömmigkeit.

Ausflug in die Klassische Moderne
Darauf folgte das jüngste der dargebotenen Werke, die 1910/1911 entstandenen «Five Mystical Songs» des Engländers Ralph Vaughan-Williams. Verstanden die bisher genannten Komponisten ihre Schöpfungen als Ausdruck ihres Glaubens, als Bekenntnismusik, bezeichnete sich Vaughan-Williams selber als agnostisch. Trotzdem gelang ihm mit den mystischen Gesängen ein Werk voller spiritueller und mystischer Kraft. Die Musik des bei Maurice Ravel geschulten Komponisten ist gemässigt modern. Bewundernswert, wie der Solist, der Chor und die Pianistin diese schwierige Partitur bewältigten. Die Pianistin kam anschliessend gleich wieder zum Einsatz: Sie interpretierte das Solostück «Pastorale» des irischen Komponisten John Field (er gilt als der «Chopin Irlands»). Johann Kuhnau wirkte als unmittelbarer Vorgänger von Johann Sebastian als Kantor an der Thomaskirche in Leipzig. In seiner Kantate «Gott sei mir gnädig» überraschte der effektvolle Wechsel zwischen Solisten und Chor.

Klangvoller Schlusspunkt
Klangvoller Schlusspunkt war das Werk «Der Herr ist mein Licht» des 1820 in Amerika geborenen George Frederick Root. Seine Musik ist der europäischen Romantik verpflichtet. Chorleiter Göddemeyer verstand es, das einfache Chorlied mit Klavierbegleitung zur kleinen, opulenten Oper mit solistischen Partien und solchen für den Chor auszubauen.

Abschliessend noch ein Wort zu den Solistinnen und Solisten: Sie alle sind vielseitig ausgebildete Meisterinnen und Meister ihre Fachs und Trägerinnen und Träger renommierter Preise. Sie alle gaben an der Lenk eindrückliches Zeugnis ihrer Kunst. Die Sopranistin hat, dies sei nebenbei bemerkt, verwandtschaftliche Beziehungen zur Lenk. Das Werk von Johann Kuhnau schliesst mit den Worten: «Lass mich hören Freude und Wonne, dass die Gebeine fröhlich werden.» Die Bitte wurde erhört. Das schöne, aparte Konzert liess die Gebeine, zumindest jene des Berichterstatters, sehr fröhlich werden.

H.U. GAMMETER


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