Emotionaler Infoanlass zur Postschliessung

  05.06.2018 Saanen

Die zwei Poststellen Saanen und Schönried schliessen ihre Pforten. Dafür gibt es in beiden Dörfern eine Postagentur in den jeweiligen Tourismusbüros. Eine Win-win-Situation sagen die Verantwortlichen. Für einen Teil der Bevölkerung aber ist die Neuerung schwierig zu akzeptieren.

BLANCA BURRI
Etwas zwischen Show und Begräbnis, Fortschritt und Rückschritt oder Information und «Chropfleerete» war der Infoanlass zum Thema «Neue Postfilialen mit Partnern in Saanen und Schönried». Eingeladen haben die Post, die Destination Gstaad und die Gemeinde Saanen. Dazu fand sich am vergangenen Donnerstagabend im Landhaus Saanen ein eher älteres Publikum ein. Durch den Abend leitete hauptsächlich Andreas Neugebauer, Leiter Region Die Post.

Veränderung
«Wer hat diese Woche online verderbliche Ware bestellt?», wollte Andreas Neugebauer wissen. Niemand hob die Hand. «Wer hat online unverderbliche Ware bestellt?» Etwa fünf Leute meldeten sich. Bei der Frage «Wer hat je einmal in einem Geschäft mit einer Karte bezahlt?», gingen fast alle Hände in die Höhe. Spannend wurde es beim Thema Briefpost. Ziemlich viele hatten am Donnerstag einen Brief erhalten, aber kaum jemand hatte selber einen geschrieben und nur eine Person hatte einen Fax erhalten. An den rund 80 Anwesenden zeigte Andreas Neugebauer auf, in welchem Spannungsfeld sich die Post befindet, die sich darauf spezialisiert hat, Informationen zu transportieren.

«Es wäre fatal, wenn wir uns nicht an die neuen Gegebenheiten anpassen würden», betonte er. Er verglich die Situation mit der Postkutsche, die früher für die Austragung der Post zuständig war. «Wir verteilen sie heute ja auch nicht mehr mit der Postkutsche, sondern haben uns an die Veränderungen angepasst.» Das sei auch das Erfolgsrezept der Post, die bald 170-jährig wird. Die Veränderungen zeigte er zudem an den Schalteraktivitäten auf. Innerhalb der letzten 17 Jahre wurden dort 68 % weniger Briefe und 44 % weniger Pakete aufgegeben sowie 44 % weniger Einzahlungen getätigt.

Ein Drittel weniger Schalter
Ein Zuhörer wollte schon während der Präsentation wissen, wie viele Schalter in den lezten Jahren geschlossen wurden. Das seien rund 30 % aller Schalter, so Neugebauer. Das brachte den Fragenden dazu, die sinkende Schaltertätigkeit mit der Anzahl Schalter in Verbindung zu bringen, was Andreas Neugebauer aber dementierte. Das eine habe mit dem anderen nichts zu tun. Vielmehr gehe es um das veränderte Kundenverhalten. «Wir sind unterwegs und digital immer online, was neue Angebote vonseiten der Post notwendig macht.» Zum Beispiel könne man per SMS sehr einfach eine Briefmarke kaufen. Er forderte einige Anwesende auf, dies sofort zu testen – und es klappte einwandfrei.

Zweieinhalb Stellen gehen verloren
Im Saanenland gibt es zurzeit in Gstaad, Saanen und Schönried noch eigene Postfilialen. In Lauenen, Gsteig und Saanenmöser gibt es Postagenturen in Partnerbetrieben, im Grund, im Turbach und in der Feutersoey wird der Hausservice angeboten. Schon in einem Monat wird in Schönried im alten Bahnhofgebäude die Agentur in Betrieb genommen und die Filiale geschlossen. In Saanen wird die Postagentur im Frühling 2019 im neuen Infopavillon beim Dorfplatz eröffnet. Der heutige Posthalter von Schönried tritt in den Ruhestand und auch in Saanen soll der Stellenabbau durch Pensionierungen oder Frühpensionierungen erfolgen. «Ja, wir streichen rund zweieinhalb Stellen, es wird aber niemand entlassen», betonte Andreas Neugebauer. Noch immer biete die Post vielen jungen Berufsleuten eine tolle Chance und tue sehr viel für ihre Mitarbeiter.

«Chropfleerete»
Die anschliessende Diskussionsrunde wurde rege genutzt. Themen wie Anforderung zur Beschaffenheit des Briefkastens und dessen Standort wurden ebenfalls auf den Tisch gebracht wie Postfächer, bei denen der hohe Mietpreis bemängelt wurde. «Ich verstehe nicht, dass Sie im peripheren Gebiet in Kauf nehmen, dass es weniger Postfachnutzer gibt. Für Sie ist es doch viel günstiger, ein Postfach zu bedienen, als an einen abgelegenen Ort zu fahren», entrüstete sich ein Anwesender. Man sei immer noch in der Auswertung der Bedürfnisse und in der Planung der Zustellung, deshalb könne man noch keine detaillierten Auskünfte über dieses spezifische Thema geben. Man versuche, die Paketpost von der Briefpost zu trennen, damit die Zustellung der Briefpost einfacher gehe, sagte Christoph Eberhard, Leiter Zustellregion Die Post.

Ein Votant konnte nicht verstehen, wieso er das Geld nicht mehr von der Bank holen und ein paar Meter weiter bei der Post einzahlen kann. Er betonte, dass noch nicht alle eine Bankkarte besässen, um die Zahlungen auf den Agenturen zu erledigen. Bareinzahlungen sind nämlich in der Postagentur nicht mehr möglich, jedoch können diese an der Haustüre über den Briefträger abgewickelt werden. Der Spezialist erklärte zudem weitere Formen für das Bezahlen von Rechnungen.

Auf den Postagenturen kann auch Geld abgehoben werden. Wer mehr als die limitierten 500 Franken erhalten will, muss das mit mehrere Bezügen pro Tag bewerkstelligen.

Frühe Zustellung gefordert
Auch wurde gefordert, dass die Zustellung der Postfächer vor acht Uhr morgens erfolgen müsse, weil es ein paar Hotels gebe, welche ihren Gästen beim Frühstückstisch Zeitungen anbieten wollen. Eine andere Person fragte nach einem Postomat und eine Dritte nach einem 24-Stunden-Paketautomat.

Niclas Baumer, Präsident der Dorforganisation Saanen, äusserte Bedenken zum Lärm. «Saanen hat so lange für eine verkehrsarme Strasse gekämpft, wie wird die Anlieferung beziehungsweise der Abtransport der Post organisiert?», wollte er wissen. «Und wo parkieren die Kunden künftig?», war ein anderes Thema. «Die Post nimmt all diese Anregungen auf und versucht, sie in die Planung miteinzubinden», versprach Andreas Neugebauer. Denn man wolle eine Lösung, die möglichst für alle gut sei.

Eine gute Alternative
Jemand warf den Behörden und der Post vor, sie hätten das Postfilialenbegräbnis hinter dem Rücken der Öffentlichkeit und der Postangestellten geplant. Dagegen wehrten sich beide Parteien. Gemeindepräsident Toni von Grünigen betonte, dass sich die Gemeinde «auf die Hinterbeine» gestellt habe und oft im Gremium diskutiert habe, was die beste Lösung sei. Mit den Agenturen habe man nun eine Lösung, die eine Zukunft verspreche. Auch Rolf Schwenter, Präsident der Dorforganisation Schönried, findet die Agentur eine gute Lösung für das Dorf, denn Tourismus und Post gehen gut zusammen.

Im Anschluss an die Veranstaltung wertete Andreas Neugebauer den Abend als konstruktiv. «Es ist eine Veränderung, da ist es normal, dass die Emotionen hochgehen.»

 


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