Zu den Wurzeln des Ländlers

  08.06.2018 Vorschau, Kultur

Am kommenden Montag, 11. Juni zeigt das Filmpodium Saanenland um 20.30 Uhr im Kino Gstaad den Film «Unerhört Jenisch» von Martina Rieder und Karoline Arn (Schweiz, 2017).

Das Filmpodium Saanenland beschliesst den diesjährigen Filmzyklus mit einem mitreissenden Musikfilm, der uns nicht nur vieles über unsere Volksmusik, sondern auch über den Umgang der Schweiz mit Minderheiten lehrt.

Stefan Eicher, der international bekannte Berner Musiker, hatte schon lange geahnt, dass er jenische Vorfahren hat. Die beiden Regisseurinnen Martina Rieder und Karoline Arn begleiten Eicher und seinen Bruder auf der Suche nach ihren familiären und musikalischen Wurzeln. Die Reise führt in die Bündner Berge, zu den einst zugewanderten jenischen Familien, die seit Generationen in Vaz ansässig sind und deren Abkömmlinge die Schweizer Volksmusik mitgeprägt haben. Doch die Geschichte dieser Musik erschliesst sich den Suchenden nur langsam und ist eng verbunden mit der Geschichte der Verfolgung der Jenischen.

Rieder und Arn stossen auf Publikationen des Bündner Psychiaters Joseph Jörger, der 1905 die Jenischen als «Vaganten» und als «blödsinnig» bezeichnete; es waren solche wissenschaftlichen Abhandlungen, die Anlass zur systematischen Registrierung, Überwachung und Diffamierung der Jenischen gaben und schliesslich zur Aktion «Kinder der Landstrasse» führten, in der Kinder von Fahrenden zwischen 1926 und 1973 «zwangsversorgt» wurden. Zwar stellte auch Jörger die besondere Begabung der Fahrenden für Musik fest. Tanzmusik war jedoch verpönt und galt als Laster, das die Leute zum Feiern, Trinken und Tanzen verführt. Die Musiktradition wurde in den Familien zwar weitergepflegt und von Generation zu Generation weitergegeben, jedoch nicht als jenische Tradition, sondern als Schweizer Volksmusik. Wer im Bündnerland Volksmusik spielte, hatte mit grosser Wahrscheinlichkeit jenische Wurzeln. So kommt es, dass die anscheinend schweizerisch urwüchsige Volksmusik auch starke Wurzeln in der beunruhigenden, als fremd und lasterhaft empfundenen und daher verfolgten jenischen Kultur hat, die schwierig zu verorten ist und der die beiden Regisseurinnen schon in ihrem letzten Film «Jung und Jenisch» nachgespürt haben.

Vielleicht ist es dieser Einfluss der Fahrenden, der die Sehnsucht und die Melancholie in die Schweizer Volksmusik gebracht hat, und der bei Stefan Eicher anklingt, wenn er singt «I weiss nid, was es isch, aber es isch, als wärs mis».

Lassen auch Sie sich mitreissen von diesem Film und der Musik, die Sie durch die Sommerpause begleiten wird, bis das Filmpodium im September wieder startet – wie immer am 2. Montag des Monats! FILMPODIUM SAANENLAND


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