Brasilianisches Melodien-Mosaik

  10.07.2018 Saanen, Kultur, Konzert

Das dritte und letzte Saaner Proms-Konzert 2018 stand ganz im Zeichen der brasilianischen Musik, interpretiert auf zwei Gitarren und einer Violine.

Bezeichnenderweise spielte am letzten Freitagabend zur gleichen Zeit die brasilianische Fussballmannschaft ihr WM-Achtelfinalspiel gegen Belgien. Während das Unheil für die Brasilianer auf dem Rasen seinen Lauf nahm, spielten die drei zierlichen Frauen auf ihren Saiteninstrumenten in der zeitlosen musikalischen Liga, wo Tore kassieren und ausscheiden keinen Platz haben.

Sehnsucht und Träumereien
Eröffnet wurde das Konzert von Anna Veronese (Violine) und Mathilde Chiappone (Gitarre) mit «Paçoca» (Chôro) und «Piazza Vittorio» (Chôro maxixe) von Celso Machao. Bereits nach den ersten paar Tönen ergriffen die wunderbaren Melodien die Seelen der Zuhörer. Manche verliessen wohl in Gedanken das trübe und nasse Saanenland und liessen sich in Sehnsucht und Träumereien auf dem feinen Klangteppich davontragen. Nach zwei eher kurzen Stücken von Heitor Villa-Lobos (Prélude I & 2), meisterhaft interpretiert von Elvin Yagan (Gitarre), setzte sich Mathilde Chiappone dazu, um das Duo «Mosaïque» zu formen.

Höchstform mit brasilianischer Seele
Die brasilianische Seele («Alma Brasileira») entfaltete sich so richtig im eigentlichen Hauptwerk des Abends. In der viersätzigen «Suite Retratos» von Radamés Gnattali erkannte man deutlich die vier Grundelemente und Einflüsse der brasilianischen Musik: Volksmusik, Klassik, aber auch Jazz und Improvisation. Mathilde Chiappone und Elvin Yagan liefen in diesem anspruchsvollen Werk zur Höchstform auf. Mit eindrücklicher Präzision im rhythmisch-technischen Bereich, aber auch in der musikalischemotionalen Ausgestaltung, die sich auch in der Mimik der Interpretinnen fortsetzte, tauchten die beiden den Landhaussaal in eine fast unwirkliche, musikalische Atmosphäre. Die feinen Töne am Ende der einzelnen Sätze liessen den Zuhörer den Atem anhalten. Alles in allem eine eindrückliche Demonstration der unglaublichen Vielfalt der brasilianischen Musik mit all ihren Rhythmen, Farben, Stimmungen und Melodien.

Nach einem weiteren brillanten Soloauftritt von Mathilde Chiappone (Walzer und Schottisch von Heitor Villa-Lobos aus der «Suite Populaire Brésilienne») schloss sich der Kreis mit dem zweiten Auftritt von Anna Veronese zusammen mit Elvin Yagan. Mit «Quebra queixo» (Chôro) und «Pé de moleque» (Samba) von Celso Machado fand das dritte und letzte Saaner Proms-Konzert einen würdigen Abschluss. Im Gegensatz zu der brasilianischen Fussballmannschaft, die inzwischen ganz Brasilien in kollektive Trauer stürzte, verliessen die Konzertbesucher, die bekannte Ohrwurm-Melodie der Zugabe («Manha de carnaval» von Luis Bonfá) summend, fröhlich und beschwingt das Landhaus.

ERNST OBERLI


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