Rummelplatz Gstaad

  31.07.2018 Leserbriefe

Am 4. Juli 2018 brachte die «Neue Zürcher Zeitung» einen längeren Bericht über den Hasliberg und seine Entwicklungs- und Tourismusstrategie. Da war von einem sanften Tourismus die Rede, der die Stammgäste pflege und ihnen das bieten wolle, was sie in den Städten eben gerade nicht haben, womit man sich explizit vom «Rummel» in Destinationen wie Gstaad oder auch Grindelwald distanziert. Einen Tag zuvor war ich wie seit über vierzig Jahren für die Sommerferien nach Schönried gekommen.

Vier Wochen später kann ich, auch wenn es zum Weinen ist, einmal mehr nur bestätigen: Gstaad ist ein Rummelplatz geworden. Menschenmassen, überbordender Verkehr, mit beidem verbunden Lärm, Unkultur. Das einzige, was hier noch an einen Kurort erinnert, ist die Kurtaxe. Das hiesige Tourismuskonzept scheint, allen schönen Worten zum Trotz, auf Umsatzmaximierung durch Maximierung des Tagesund Eventtourismus ausgerichtet zu sein. Der Stammkunde und sein wichtiges Segment, die Zweitwohnungseigentümer, spielen keine Rolle.

Was die Eigentümer angeht, so hat es ein leitender Beamter der Gemeinde Saanen einmal trefflich auf den Punkt gebracht. Als ich mich wie alle meine Nachbarn darüber entsetzte, dass vor unseren Chalets und im Landwirtschaftsgebiet ein Winterparkplatz für die Kundschaft der Hornegglibahn entstehen sollte, und laut darüber nachdachte, dass man in diesem Fall die Wohnung im Winter kaum mehr nutzen und daher auch verkaufen könnte, antwortete er: «Das ist uns egal. Wenn Sie verkaufen, kauft es ein anderer. Und dann zahlt der.»

Und was generell die Stammkunden angeht, so scheint im Saanenland die irrige Meinung zu bestehen, dass man diese auf jeden Fall auf sicher habe und daher im Tourismuskonzept keinerlei Rücksicht auf sie nehmen müsse. Das äussert sich konkret darin, dass die Interessen der Stammkunden, die naturgemäss älter als der Durchschnitt der Tagestouristen sind, konstant gegenüber den jüngeren Kunden vernachlässigt werden. Um nur eines von fast beliebig vielen Beispielen zu nennen: Auch beliebte Promenadenwege dürfen inzwischen von Bikern befahren werden. Die Vertreibung der Wanderer wird zu allem Hohn auch noch mit einem Aufruf zur gegenseitigen Toleranz kaschiert. Das erinnert mich an ein in Finanzkreisen wohlbekanntes Diktum des legendären Berliner Bankiers Fürstenberg, welches abgewandelt auf die hiesige Einstellung zum Stammkunden wie folgt lautet: «Der Stammgast ist dumm und frech. Dumm, weil er immer wieder kommt. Und frech, weil er auch noch anständig behandelt werden will.»

Wann endlich wird man sich im Saanenland einmal seriös mit den Fragen auseinandersetzen, ob man erstens wirklich die unterschiedlichsten Kundensegmente à la longue nebeneinander bedienen kann und zweitens, für welches Segment man sich entscheidet, wenn sich herausstellt, dass dies nicht möglich ist?

HENNER KLEINEWEFERS, SCHÖNRIED UND GRENG


Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote