Auch ohne Feuer stimmungsvoll

  03.08.2018 Saanenland, Tradition, Saanen

Die traditionellen Feuerwerke und Höhenfeuer fielen heuer wegen der Trockenheit ins Wasser. Pünktlich zum 1. August kam dann doch noch der Regen. In den verschiedenen Orten des Saanenlands kam auch ohne Feuerwerk feierliche Stimmung auf, wofür Musik, Reden, Fackelumzüge und gemütliches Beisammensein sorgten.

Während in Saanenmöser Ansprache und Fackelumzug auf das nächste Jahr verschoben und stattdessen bei Markstimmung und gemütlichem Beisammensein der Geburtstag der Schweiz gefeiert wurde, sprach in Saanen Regierungsrat Christoph Ammann von der Bundesverfassung und den Auswirkungen der digitalen Revolution. In Lauenen wiederum feierte man die Jungbürger.

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Regierungsrat Christoph Ammann berief sich in seiner Festrede auf die Entstehung der Bundesverfassung. Musikalisch umrahmt wurde die traditionelle Feier von der Brass Band «Harmonie» Saanen und vom Ländlertrio «Wart nu ä Schutz».

ANITA MOSER
Etwas mehr als «ä Schutz warte» mussten am Nationalfeiertag in Saanen die Kinder mit ihren Lampions und Fackeln. Und das Warten auf das Ende der musikalischen Einstimmung und der Festrede hat sich gelohnt: Es hörte auf zu regnen und zufrieden reihte sich Gross und Klein, mit und ohne Fackel oder Lampion, hinter der Dorfmusik ein für den Fackelumzug durchs Dorf.

Frenetischer Beifall für die Dorfmusik
Der Feierlichkeiten begannen bereits am Nachmittag mit Festwirtschaft auf dem Sanonaplatz und dem Konzert vom Ländlertrio «Wart nu ä Schutz». Die drei jungen Innerschweizer spielten nach dem offiziellen Teil auch noch zum Tanz auf. Frenetischen Beifall erntete die Brass Band «Harmonie» Saanen unter der Leitung von Markus S. Bach am Abend für ihre musikalische Einstimmung im voll besetzten Zelt.

Unsere Region – «eine kleine Schweiz»
Nach seiner kurzen Begrüssung übergab Niclas Baumer, Präsident der Dorforganisation Saanen, das Wort an Regierungsrat Christoph Ammann. Die just am Nationalfeiertag einsetzenden Niederschläge bezeichnete der Festredner als Freudentränen des Himmels. «Wir feiern heute an einem wunderschönen Flecken unseres Landes, an einem typischen Flecken für unser Land: ländlich geprägt und doch auch international und an der Sprachgrenze gelegen. Selbstbestimmt und unabhängig als Gemeinde und doch weltoffen. Eigenheiten einer Gemeinde und ihrer Menschen, die man schon im Gemeindewappen und seiner Geschichte feststellt: Der Kranich im Wappen, ‹la grue›, gehörte zur Grafschaft Greyerz.» Aus Geldnot hätten die Grafen von Greyerz ihre Rechte im 15. Jahrhundert durch Freibriefe veräussert. «In Geldnot ist auch der Kanton Bern immer wieder. Aber das Saanenland zu veräussern, kommt aus wohlbekannten Gründen niemandem in Bern in den Sinn …», sagte Ammann. Mit einem zufriedenen Kopfnicken quittierten die Zuhörenden diese Worte.

Die Bande zwischen dem deutschsprachigen Saanenland und dem welschen Pays-d’Enhaut seien bis heute eng geblieben. «Die Sprachgrenze darf kein Hindernis sein», sagte Ammann. «Das Saanenland und das Paysd\\'Enhaut zeigen auf positive Art, was die Region ist: eine kleine Schweiz.»

Der Schweiz gehe es verglichen mit allen anderen Ländern dieser Welt sehr gut. Aber Freude und Stolz sollten nicht davon abhalten, mit wachsamem Blick rundum zu schauen – auch über die Landesgrenze hinaus – in ein Europa, das vor grossen Herausforderungen und Unsicherheiten stehe.

Digitalisierung und Globalisierung als Herausforderungen
«Unsere Vorfahren blickten ebenfalls und noch viel stärker auf ein noch viel unruhigeres Europa in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in den Jahrzehnten nach Napoleon. Und sie blickten auch auf eine Schweiz im Umbruch.» Die Industrialisierung habe das Land und das Leben mit grosser Geschwindigkeit verändert.

In einer solchen Zeit hätten sich vor 170 Jahren 23 Vertreter aus den Kantonen – darunter mehrheitlich Regierungsräte –, von der Tagsatzung beauftragt, an die Arbeit gemacht, eine Bundesverfassung zu erarbeiten. «Nach 51 Tagen und 31 Sitzungen war das Werk vollbracht, der Entwurf wurde den Kantonen vorgelegt und alle akzeptierten dieses Verfassungswerk», betonte der SP-Regierungsrat. «Die Verfassungsmacher zimmerten in kürzester Zeit ein politisches Gesamtkunstwerk, welches das damals zerrüttete Land zum stabilsten Staat und zur einzigen demokratischen Nation Europas machte.» Insgesamt sei die Schweiz damals Pionierin in Europa gewesen und die Schweizerinnen und Schweizer in einer Aufbruchstimmung. Ammann zitierte den Schweizer Schriftsteller Max Frisch: «Damals hatten sie einen Entwurf. Damals wollten sie, was es zuvor nicht gegeben hatte, und freuten sich über das Morgen, das Übermorgen. Damals hatte die Schweiz eine geschichtliche Gegenwart. Hat sie das heute?»

«Hat sie das heute?», frage Ammann in die Runde. «Hat sie einen Entwurf, Freude an der Gegenwart, Vorfreude auf die Zukunft?» Er selber sei sich da nicht immer ganz so sicher. «Sicher ist aber, dass wir vor ähnlichen Herausforderung stehen wie damals, dass wir auch in einer Zeit des Umbruchs stehen.» Er denke dabei weniger an einen politischen Umbruch. Die Demokratien in der westlichen Welt seien fest verankert und die politische Stabilität sei auch mit gewissen Scharmützeln und Geplänkeln in den Nachbarländern nicht in Gefahr. Zwei der grossen Herausforderungen seien die Digitalisierung und die Globalisierung. Mit der Digitalisierung sei die nächste industrielle Revolution in vollem Gang. Sie verändere die Unternehmen, die grossen wie die kleinen, und sie beeinflusse das Alltagsleben. «Denken wir nur an das Smartphone. Es ist heute mein wichtigstes Arbeitsinstrument in meinem Berufsalltag.» Digitalisierung bedeute Roboter, Drohnen, 3-D-Druckverfahren, Maschinen, die miteinander kommunizierten, «die selber, ohne Einwirkung des Menschen, Daten auswerten, Schlussfolgerungen ziehen beziehungsweise berechnen, und entsprechende Korrekturen oder Anpassungen an einem Arbeitsvorgang nehmen.»

Ein Beispiel nehmen an den Vorfahren
Die Schweiz sei umgeben von Nachbarländern, liege inmitten von Europa. «Die Schweiz ist aber auch den Einflüssen einer globalisierten Welt ausgesetzt, und diese Welt ist nicht überall demokratisch organisiert», betonte der Festredner aus Meiringen. «Das sind die Herausforderungen und Entwicklungen, die wir beobachten und die wir mitgestalten müssen, die wir beeinflussen wollen.» Deshalb habe er die Geschichte in den Vordergrund gestellt. «Wir sollten uns die Verfassungsmacher von 1848 als Vorbilder nehmen. Sie sind zusammengestanden, sie haben das Gemeinsame als Ausgangslage angenommen, sie haben ohne Zeit zu verlieren, Lösungen gesucht und sie haben diese Lösungen auch gefunden. Und sie haben vor allem auch – und vielleicht haben sie gerade deshalb Lösungen gefunden – mit Zuversicht auf die Zukunft geblickt im Bewusstsein, diese gestalten zu wollen.»Es scheine ihm wichtig, so Ammann, gerade an einem Nationalfeiertag, «dass wir uns immer wieder bewusst machen, dass diese Stärken, die unser Land stark gemacht haben, nicht selbstverständlich sind, dass wir sie beleben, entwickeln müssen, wie wir das seit 727 Jahren, seit 170 Jahren machen.» Jede Generation sei aufs Neue herausgefordert.

«Wir sind der Staat»
«Wir stehen in einer Mitverantwortung, unser Land mitzugestalten, die Vereine, die Wohngemeinde, die Kantone. Ich meine, in dieser Region klappt das noch vorbildlich.» Das sei nicht überall so und das bereite ihm Sorgen. «Ich denke, dass die Globalisierung mit dazu führt, dass der Dienst an der Gemeinschaft für viele in den Hintergrund gerückt ist, im Unterschied zu 1848.» Er sei überzeugt, dass «wenn wir alle gemeinsam im Geiste unserer Verfasssungsmacher mit Mut, Offenheit, Tempo und Solidarität an diesen Stärken, an solchen Herausforderungen arbeiten, wenn wir das im Bewusstsein machen, dass der Staat nicht die anderen sind, sondern dass wir der Staat sind, dann bin ich überzeugt, dass man auch rückblickend auf unsere Zeit – vielleicht in 170 Jahren – vielleicht auch von einem Rednerpult aus feststellen wird, dass auch in unserer Zeit unser Land, die Schweiz, Bedeutendes geleistet hat.»

Niclas Baumer dankte Christoph Amman für dessen treffenden Worte, nicht nur zum Geburtstag unserer Heimat, sondern auch zur Einzigkeit und Wichtigkeit unserer Region. «Es sind nicht nur freudige Worte, sondern auch Worte, die zum Nachdenken anregen. Uns geht es sehr gut, hoffen wir, dass mit richtigen Entscheidungen an die grossen Herausforderungen der Zukunft herangegangen wird.»

Weitere Fotos unter https://tinyurl.com/yajlho3l


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