Es werde Licht

  31.08.2018 Kirche

PETER KLOPFENSTEIN

Wurde die Welt in sechs Tagen erschaffen? – Evolutionstheorie und
Kreationismus

Bei Ausgrabungen im Paluxy River in Texas wurden gleich neben Dinosaurierfährten Fussspuren von Menschen gefunden – davon sind kreationistische Wissenschaftler überzeugt. Nun: Etwas gross geraten sind sie zwar schon, mit einer Länge von über 50 cm und einer Schrittweite von über zwei Metern. Vor der Sintflut waren die Menschen also wohl Riesen. «Geologen und Biologen» können «ihre Lehren und Modelle aufstellen, ohne diesbezügliche Aussagen der Bibel in Betracht ziehen zu müssen. Es gibt heute kaum eine grössere Gefahr im Christentum … Ich möchte eine Weltanschauung haben, in welcher ich die ganze Welt nach Grundsätzen erklären kann, wie Gott sie geoffenbart hat», schreibt der niederländische Kreationist Willem J. Ouweneel.

Hat die Bibel in allem Recht?
Kreationisten wenden sich gegen die Evolutionstheorie. Sie versuchen ein wörtliches Verständnis der biblischen Schöpfungsgeschichte wissenschaftlich zu belegen. Sie sehen durch die Evolutionslehre ihre Überzeugung in Gefahr, dass die Bibel in all ihren Aussagen wörtlich für wahr zu halten sei und als Orientierung zu dienen habe. Ouweneel benennt perfekt den Punkt: Er «möchte» die Ansicht, dass die Bibel in allem Recht hat, beibehalten.

Aus dieser Wunschhaltung heraus wird vorausgesetzt, die Welt sei in sechs Tagen erschaffen worden. Denn jeder Schöpfungstag in der Bibel werde ausdrücklich durch Abend und Morgen begrenzt. Der Mensch könne nicht mit den Affen verwandt sein. Da nun mal Dinosaurierknochenfunde nicht wegdiskutiert werden können, müssten diese vor der Sintflut mit den Menschen auf der Erde gelebt haben. Dann seien sie in der Flut, die die ganze Erde bedeckte, ertrunken, während alle anderen Grundarten der Lebewesen auf der Arche überlebten.

Kampfansage zwischen Kreationismus und Evolutionstheorie
Kreationisten stellen eigene, nach ihrer Meinung wissenschaftliche Forschungen an, um ihre Ansichten zu belegen. In den USA gibt es «Creation Museums», in denen Adam- und Evapuppen einträchtig neben enormen Dinosauriernachbildungen im Paradies sitzen. Aus den Lehrplänen vieler Schulen wurde die Evolutionstheorie gestrichen, es wird Schöpfungslehre unterrichtet.

Diesbezügliche Forderungen werden auch hierzulande erhoben – die Evolutionstheorie fördere den Atheismus und damit den Werteverfall, heisst es da etwa. Aber stimmt das denn wirklich? Zerstört die Wissenschaft den Glauben an Gott?

Die Schöpfungsgeschichte in historischer Sicht
Die Schöpfungsgeschichte ist ein poetischer Text, den die Israeliten etwa im 5. Jahrhundert v. Chr. niederschrieben, als sie sich im babylonischen Exil befanden. Aus dieser babylonischen Umwelt übernahmen sie dabei Vorstellungen und verknüpften sie mit ihrem eigenen Glauben. Die Gestirne waren für die Juden im Gegensatz zu den Babyloniern keine Götter mehr, sondern von Gott geschaffene «Lichter an der Feste des Himmels» (Genesis/1. Mose 1,14).

Diese Schöpfungsdichtung entsprach zwar dem damaligen Wissensstand, aber auch Kreationisten müssten heutzutage eigentlich einsehen, dass die dort beschriebenen Ansichten überholt sind: die Erde als eine Scheibe mit einer Art Käseglocke als Himmel, darüber und darunter überall Wasser. Ausserdem: In der Bibel gibt es noch einen zweiten Schöpfungsbericht, und darin wird, anders als im ersten, der Mensch schon vor den Tieren erschaffen.

Was die Bibel wirklich will
Nein, die Bibel wollte nie einen historischen Tatsachenbericht zur Entstehung der Welt liefern. Sie erzählt vielmehr vom Glauben – in poetischen Bildern, die den Vorstellungen der damaligen Zeit entsprachen. Sie erzählt von einem Gott, der der Grund für die Schönheit und die Ordnung in der Welt ist. In dessen liebender Zuwendung nahm alles seinen Anfang.

Glaube, der nicht allein Für-wahr-Halten ist, entscheidet sich nicht an der Frage, ob das in sechs Tagen geschah oder, durch einen Urknall angestossen, im Verlauf von Millionen Jahren oder ganz anders. Glaube vertraut auf den Schöpfergott hinter der Schöpfung. Davon erzählt die Bibel!


Schöpfung aus reformierter Sicht

Angesichts der Wunder und Wohltaten der Schöpfung wird niemand so töricht sein, «dass er daraus nicht folgern könnte, wie gross unser Gott ist, wie gross die Kraft Gottes ist, wie gut, reich und freigebig er gegenüber dem Menschen ist, der solches nicht verdient» (Heinrich Bullinger 1552).

Ein Spiegel des unsichtbaren Gottes
Dem Geschaffenen sind deutliche Spuren von Gottes Herrlichkeit eingeprägt, die Welt ist ein «Spiegel, in dem wir allenthalben den unsichtbaren Gott erschauen können, sie ist ein Gemälde, auf dem Gottes Kraft und Güte abgebildet» sind, sie ist das «Theater», wo wir aus den göttlichen Werken «fromme Erquickung … schöpfen».

Für den Menschen gilt es, «an der Macht und Güte, die Gott in seiner Kreatur offenbar werden lässt, nicht mit undankbarer Gedankenlosigkeit und Vergesslichkeit vorbeizugehen», sondern «diese Erkenntnis so auf sich anzuwenden … dass sie ihn im Innersten ergreift». Rechte Betrachtung des Geschaffenen führt deshalb dazu, Gott «zu vertrauen, ihn anzurufen, zu loben und zu lieben» (Johannes Calvin 1559).

Ganz abhängig von Gott
Eine wichtige Funktion der Schöpfungslehre ist ausserdem, die Differenz zwischen Schöpfer und Geschöpf klar zum Ausdruck zu bringen. Denn «was ungeschaffen ist, ist ewig, ist notwendig, hängt nicht von Gott ab, ist Gott nicht unterworfen, es ist Gott» (Johannes Coccejus 1665).

Besonders deutlich zeigt sich diese Funktion bei Friedrich Schleiermacher, bei dem der Satz «dass die Welt von Gott erschaffen ist» den Glauben daran ausdrückt, dass «die Welt nur in der schlechthinnigen Abhängigkeit von Gott besteht». Damit ist der Schöpfungsglaube ein Aspekt jeder Frömmigkeit, deren Wesen Schleiermacher bestimmt als «Gefühl», durch welches «wir uns unserer selbst als schlechthin abhängig … bewusst sind» (1830).

Schöpfung und Geschichte
Karl Barth verbindet in seiner Schöpfungslehre Gottes Handeln in Schöpfung und Geschichte. Ähnlich wie bei Calvin heisst es bei Bart zunächst: «Die Schöpfung ist die Erstellung des Raumes für die Geschichte des Gnadenbundes.» Beides steht aber in einem innigen Bezug. Die Schöpfung ist «äusserer Grund des Bundes», der Bund «innerer Grund der Schöpfung» (1945).

Ökologische Krise
Die ökologische Krise führt auch in den Kirchen zu einem veränderten ethischen und einem vertieften theologischen Umgang mit dem Geschaffenen. Zum einen entdeckt man, dass christliche Liebe auch «heisst, die Schöpfung zu hegen und zu pflegen» (Presbyterian Church of Canada 1984). Theologisch wird klarer, dass auch die aussermenschliche Schöpfung offen für Gottes ganz neues Handeln ist. Jürgen Moltmann hält es für notwendig, «das Reich Gottes als Erfüllung nicht nur der geschichtlichen, sondern auch der natürlichen Verheissungen der Welt zu verstehen» (1985).
(Nach: Erklärt – Der Kommentar zur Zürcher Bibel)

PETER KLOPFENSTEIN


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