Lauenen ist «Feuer und Flamme»

  03.08.2018 Lauenen, Tradition

Die Rütliwiese von Lauenen war dieses Jahr wegen des Regens nicht auf dem Blatterli, sondern im Festzelt mitten im Dorf. Die Jungbürgerfeier und die 1.-August-Ansprache von Christian Schwizgebel fanden im festlichen Rahmen statt.

BLANCA BURRI
«Normalerweise flackert um diese Zeit das Feuer. Normalerweise krachen Raketen. Normalerweise zählen wir Höhenfeuer», sagte Susanne Brand, Präsidentin der Dorforganisation Lauenen, zu Beginn ihrer Abendmoderation. Aber eben, durch das Feuer- und Feuerwerkverbot sei dieses Jahr nicht alles wie im gewohnten Rahmen. Dieses Verbot war wegen der grossen Trockenheit weitflächig ausgesprochen worden. Paradoxerweise regnete es aber am Mittwochabend teilweise in Strömen und somit fand das 1.-August-Fest im Dorf statt und nicht wie gewohnt auf dem Blatterli. «Das soll uns aber nicht stören, denn das Wichtigste ist, dass wir Feuer und Flamme für den 1. August sind!», betonte Susanne Brand. Als Vorbild trug sie wie jedes Jahr die Tracht und zeigte damit ihre Verbundenheit zu den traditionellen Werten.

Gleichklang von Kirche und Leben
«Kuh- und Kirchenglocken darf man nicht trennen. Sie sollen im Gleichklang läuten», sagte Pfarrerin Kornelia Fritz zu den zahlreichen 1.-August-Gästen. Die Kirche solle im täglichen Alltag immer auch einen Platz finden, Leben und Kirche sollen im Gleichklang läuten, sagte sie. Sie zeigte es am Beispiel eines alten Hauses auf, unter dessen Dach man seit Generationen wohnt. Man könne im Wissen um den fachkundigen Baumeister und mit Gottes Segen darauf vertrauen, dass es einen schütze.

Jungbürgerfeier für Damen
Acht junge Damen – die neunte konnte nicht anwesend sein – bestiegen die Bühne für die Jungbürgerfeier. Nicht, dass man diese nach Geschlecht getrennt abgehalten hätte. «Das ist halt die Natur», lachte der gutgelaunte Gemeindepräsident Jörg Trachsel. Vier der volljährigen Damen heissen Reichenbach, drei Perreten und eine Brand. Das nahm der Präsident zum Anlass, im Wechsel einer Frau Reichenbach und einer Frau Perreten den Bürgerbrief zu übergeben. Elena Brand rief er zuletzt auf und wies darauf hin, dass es in Lauenen nicht nur Reichenbachs und Perretens gebe. Er unterliess es nicht, die Damen in die Pflicht zu nehmen. Er forderte sie auf, sich beim Bund und Kanton ebenso zu engagieren wie in der Gemeinde, bei Freunden, in Vereinen und bei Nachbarn. «Auch wenn dabei nicht immer ein Batzen herausspringt.»

Zweite 1.-August-Ansprache
Nach 17 Jahren hielt alt Schulmeister Christian Schwizgebel zum zweiten Mal in Lauenen die Festansprache. Er sagte, dass Nationalfeiern an ein Ereignis erinnern, das von nationaler Bedeutung ist. Nebem dem Rütlischwur erwähnte er zwei für die Schweiz schicksalsträchtige Ereignisse. Am 1.August 1914 wurde nämlich die Alarmierung ausgelöst, worauf sich die Feuerwehrmänner im Dorf Lauenen versammelten und sich für den Einsatz bereit machten. Der Gemeindepräsident informierte sie dann, dass es sich nicht um einen Feueralarm, sondern um die Mobilmachung handle. In der Folge zogen die Bewohner auf der Bank ihre Guthaben ab und belagerten die Lebensmittelläden, um sich mit Alltagsgütern einzudecken. Über diese einschneidenden Ereignisse wusste Schwizgebel aus Büchern. An den zweiten Schicksalstag aber erinnert er sich persönlich.

Er war sechs Jahre alt, als der Bund am 1. September 1939 zum Aktivdienst aufrief. «Ich bin mit meiner Mutter am Gartenhag gestanden, als eine etwas ältere Witwe in Schockzustand ins Dorf gerannt ist, um sich mit Lebensmitteln einzudecken.» Die Existenzängste seien damals gross gewesen. Er nannte Lebensmittelmangel und das Fehlen von Arbeitskräften als zwei der grössten Herausforderungen für die Daheimgebliebenen.

Friedensfeuer
Ein freudiges Erlebnis sei das Friedensfeuer gewesen, das er als Schulkind gemeinsam mit seinen Gspändli und dem Schulmeister am 8. Mai 1945 in Lauenen angezündet habe. «Es war der Tag der Waffenruhe», erklärt er.

Der ehemalige Lehrer unterrichtete während 11 Jahren im Emmental und 30 Jahre lang in Lauenen. Für ihn sind für die Gestaltung der Zukunft zwei Pfeiler wichtig: «Tradition und Fortschritt haben nebeneinander Platz.» Es sei wichtig, an Traditionen festzuhalten und trotzdem mit der Zeit zu gehen, ohne dass der Fortschritt alles Dagewesene überrolle. Er brachte diese Aussage mit dem Stausee Sanetsch, der vor 60 Jahren entschanden ist, in Verbindung. «Ich bin stolz darauf, dass sich die Gemeinde Lauenen dagegen gewehrt hat, das Geltenwasser in den Sanetschsee umzuleiten.» Deshalb habe Lauenen ein so attraktives Wanderwegnetz mit schönen Routen vorbei an sprühenden Wasserfällen.

Feuer und Flamme
Die anschliessende Nationalhymne sang der Männerchor «Echo vom Olden» mit Inbrunst in vier Landessprachen. Für den zweiten Teil erhob sich die Festgemeinschaft – von Susanne Brand charmant aufgefordert – und sang aus vollen Kehlen mit. Nach einem bunten Tag mit Markt, Musik, Laternenumzug und Reden ein wunderbarer Abschluss des offiziellen Teils. Wie lange die Feier danach bei Tanz und DJ noch weiterging, steht in den Sternen geschrieben.

Weitere Fotos unter https://tinyurl.com/yc3ojjv7

Nachfolgend die Festrede von Christian Schwizgebel im Wortlaut:

Zum 1. August 2018 
Liebi Fraue u Manne, liebi Chind, ganz härzlich begrüessen-i Euch alli zu ünser Augschtefyr hie obna uf – em Blatterli.«I weiss wahrhaftig e kei Ufsatz!»
Es gspässigs Thema für ne 1. Augschte-Asprach … Aber es hanget zäme mit-e-re Episode us myr Buebezyt, wa mich hät uf-e-ne Idee bracht … Da hät der Schuelmeischter emal syr Klass d’Ufgab ggä, en Ufsatz z’schrybe. Sy hei törfe ds Thema – mu hät däm albe «d’Uberschrift» gseit – sälber wähle. E Schüeleri hät g’wählt u gschribe: «Ich weiss wahrhaftig keinen Aufsatz!» Si hät du e zwöiehalbsytiga Ufsatz gschribe – uber ds Ufsatzschrybe! Im Zruggbsine an das Gschichtli han- i mer gseit: Bricht doch am 1. Augschte öppis uber- e-n 1. Augschte! Das probieren- i jetz!
Hüt begah wier ünsa NATIONALFYRTAG.
Im Lexikon lisen-i zu däm Stichwort: Als Nationalfeiertage werden Feiertage von Staats wegen als Erinnerung an Ereignisse von nationaler Bedeutung eingesetzt. Am 4. Juli fyret Amerika d’ Unabhängigkeit. A däm Tag ischt 1776 d’ Unabhängigkeitserklärig underzeichnet worde. Am 14. Juli fyret Frankrich der Bastillesturm als Symbol für di französischi Revolution.
Der 1. Augschte, ünsa Nationalfyrtag, muess also o uf-en-es Ereignis va nationaler Bedütig zrugg gah. Us der Gschicht wüsse wer, dass gäge Aendi vam 13. Jahrhundert – lut Uberliferig im Jahr 1291 – «zu Anfang des Monats August» – ( Zitat Bundesbrief) dä Bund ischt gschlosse worde, wa sich drus dür all di witere Jahrhundert bis hüt – die schwyzerischi Staatsform hät entwicklet.
Hüt würt o d’NATIONALHYMNE gsunge! Im Lexikon lisen-i zu däm Stichwort: Nationalhymne: «Ein Lied mit volkstümlicher Melodie, das als Ausdruck des National- und Staatsbewusstseins empfunden wird.» Gspilt u gsunge würt d’Nationalhymne zur Begrüessig u Ehrig va Staatsoberhäuptere, by Sportalässe, a Parteiversammlige, am Nationalfyrtag – also o hüt! Füür wärde azüntet – ar offizielle Fyr – va de Chüehjere uf de Bärgweide – u sogar uf de höije Bärggipfle – ds Material derzue hät mu müehsam uehi pugglet … Wäge der grosse Tröcheni u Brandgfahr müesse wer hür uf di schöne Füür verzichte – wi wer g’hört u g’läse hei.
I ha nid im Sinn, hie wytlöifig z’ergründe, was ds Azünte va däne Füür allz chönnti bedüte. I früehjere Zyte, was no kiner usklüegleti, technischi Uberwachigs – u Alarmsystem hät ggä, hät mu – grad bi Chriegsgfahr – dür Füürzeiche – Chutzefüür hät mu ne gseit – d’ Bevölkerig gwarnet u ds Militär ufbotte: Eso zum Byspiel ir Zyt va de Burgunderchriege im 15. Jahrhundert oder bim Franzosenifall 1798. O freudigi Ereignis aller Art sy mit em Azünte va Füür gfyret u bekannt gmacht worde. I bi sicher, dass bi däne Lüte, wa uf Höijeni u Gipfla styge u da obna Augschtefüür mache, o d’Freud mitgeit, ds Heimatgfüehl u – ganz töif im Härz, o we keina derva wurdi brichte, d’Heimatliebi.
Ds Jahr 1914 ist o für üns Land schicksalhaft gsy. Di grossi Chriegsgfahr im Summer 1914 hät de Lüte Angscht gmacht.
Im Buech vam Bärner Schriftsteller Kari Grunder – das Buech treit der Titel «Ds Wätterloch»– cha mu läse, wi sy am 1. Augschte der Dorflade hei bestürmt, für no zu Läbesmittelvorräte z’cho – wi sy d’Bank hei belageret, für ihru Sparbatze drus z’näh, will si gmeint hei, sicher sygi nume das, was sy im Sack heige …
Uf ds Mal häts Sturm glütet u gfüürhornet – d’Füüwehrmane hei d’Spritze fürhagschrisse u wäle fahre – da chunnt der Gmeinspresidänt cho z’springe u brüelet: (Zitat K. Grunder) «Halt, ihe mit der Sprütze! Das isch nid Füürlärme, das isch für d’Mobilisation! Vori isch Bricht cho, dass di ganzi schwyzerischi Armee mobilisiert syg. Der Chrieg ischt usbroche, alls ­muess a d’Gränze. Hüt u morn chunnt der Landsturm dra, am Mäntig der Uszug u nachhär d’Landwehr.»
Eso ischt das e Sach gsy am 1. Augschte 1914 …
A 1. Augschte 1939 bsinnen-i mi nüt mieh – aber ganz klar a 1. Septämber: Gnau glych wi 1914 isch’ ggange: Alarm mit Gloggeglüt u Füürhore – Chriegsusbruch - Mobilmachig! Guet bsinnen-i mi o a di 6 Chriegsjahr mit Aktivdienscht, Läbesmittelrationierig, Mangel a Arbeitschräfte, grad o ir Bureri, Fraui u Chind längsstück aleinig deheime … I bi 1939 6-jehrig gsy – eis Erläbnis vam 1. Septämber hani bis hüt nit vergässe: I bi mit der Mueter vor em Garte gstande – es ischr klar worde, dass dä Alarm nit Füür – dass er CHRIEG bedütet.En älteri Witfrau ischt in eir Angscht u Ufregig us der Vorschess dürha cho z’springe u hät gseit: «I wollt i ds Dörfli ga ggugge, ob i no es Brot uberchömi …!» E huuffe Jahr spieter isch mer du klar worde, dass ihra ierschti Sorg de Chinde, der Familie hät ggolte …
I ha igangs gseit, o bi freudige Ereignisse heigi mu Füür azüntet … Am Abe vam 8. Maie 1945 – am Tag var Wafferueh nach 6 Chriegsjahre – hei wer mit eme Grüppeli Schuelchinde, zäme mit em Schuelmeischter, uf der Höiji obna törfe hälfe es Friedensfüür azünte! Hüt fyre wer es witersch Mal der 1. Augscht – mit eme Dorfffäscht, wan es richtig schöns Gmeinschaftswärch ist worde – mit em Fäschtakt hie uf em Blatterli, wa ünser Jungbürger der Bürgerbrief uberchöme – mit em fröhliche Usklang im Fäschtzält! Di Tradition wie wer wyterfüehre – si verbindet Jung u Alt, Iheimischi u Gäscht. Tradition u Fortschritt – Entwicklig – hei näbenandere Platz – wichtig schynt mer, Traditioni z’pflege u sich va der Entwicklig nit la uberfahre!
Zum Schluss jetz no ganz e persönlichi Ussag: Für d’Bärner Wanderwäga hani 45 Jahr üns Tal törfe dürwandere, als Verantwortlicha für d’Marggierig va Wander- u Bärgwäge. Eini va de schönschte Tuure ischt ging ds Gältetal gsy: Im Ufstieg dür ds Tungeltrittli u ds Gältetrittli uf di usseri Gälte u derna uehi bis zur Gältehütte – im Abstieg am Gälteschutz verby, underem Schützli dür, ahi i Feissebärg u zum Lauenesie. Wenn-i de im Feissebärg ha zrugg gluegt – u weni hüt no zruggluege uf e Gälteschutz, de bin-i dankbar u stolz druf, dass sich ünsi Gmei vor mieh als 60 Jahre – was ischt drum ggange, ds Gältewasser us em Rottal i Sanetsch-Stausie abzleite – eimüetig u entschlosse hät ygsetzt zur Erhaltig va där wunderschöne Landschaft!
Jetz wünschen-i allne, Gross u Chly, no ganz e schöna, gmüetlicha Abe u danke vielmal für ds Zuelose! 

 


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