Schwarz, weiss und der Raum dazwischen

  07.08.2018 Gstaad

Seit dem 18. Mai sind einige Werke der Scherenschnitt-Künstlerin Beatrice Straubhaar und des Papierschnitt-Künstlers Bruno Weber im Hotel Gstaaderhof in Gstaad ausgestellt. Wer jetzt denkt, solche Arbeiten seien nur schwarz-weiss, liegt auf den ersten Blick vielleicht richtig, auf den zweiten jedoch ist es deutlich mehr.

KEREM S. MAURER
Als die gebürtige Saanerin Beatrice Straubhaar vor 35 Jahren ihren ersten Scherenschnitt machte, arbeitete sie als Chef de Réception im Hotel Gstaaderhof. «Natürlich habe ich den in meiner Freizeit geschnitten», betont sie lachend am Apéro vom letzten Samstag im Gstaaderhof, wo Interessierte ein gemütliches Stelldichein mit den Künstlern genossen. Gastgeber Christof Huber schätzt sich glücklich, dass er eine Ausstellung mit Werken von Beatrice Straubhaar realisieren konnte. Denn jedesmal, wenn er sie diesbezüglich angefragt hatte, habe sie ihm einen Korb gegeben mit der Begründung, alleine zu wenig Ausstellungswerke zu haben. Dass diese Ausstellung jetzt zustande kam, ist dem Mitwirken des Aargauer Papierschnitt-Künstlers Bruno Weber zu verdanken. Weber habe sofort und mit grosser Freude zugesagt. «Obschon es für mich ein Wagnis ist, meine Werke im Saanenland, der eigentlichen Hochburg der Scherenschnittkunst, zu zeigen», sagt Weber nicht ohne Ehrfurcht. Dabei ist er kein Unbekannter in unserer Region. Diverse seiner Arbeiten zieren die Fassade des Restaurant Hüsy in Blankenburg und sein Metallschnitt zur Tour de France 2016, die auf ihrer 17. Etappe das Simmental und Saanenland querte, wurde zum touristischen Logo «Bienvenue Tour de France!» der hiesigen Tourismusverbände.

In der Ruhe liegt die Kraft
Die Arbeiten der beiden Künstler haben wenig und doch viel gemeinsam. «Das ist das Schöne an dieser Ausstellung, wir ergänzen uns beide wunderbar», sagt Straubhaar. Während ihre Werke oft traditionell ländliche Motive mit versteckten modernen Sujets in einer schwarz-weissen Zweidimensionalität zeigen, die durch viel Können und einem wachen Blick fürs Detail bestechen und deren Symmetrie nur auf den ersten Blick besteht, bringt Weber durch perspektivisches Arbeiten eine inspirierende dreidimensionale Tiefe in seine Werke. Weber schneidet das Papier in seinen Arbeiten so aus, dass im frei werdenden Raum neue Figuren entstehen, die oft erst auf den zweiten Blick erkennbar werden. Dadurch belebt er den Raum zwischen schwarz und weiss und schafft es, Licht- und andere Stimmungen in seine Werke zu zaubern. Für beide Künstler hat die Arbeit an einem Scheren- oder Papierschnitt etwas Meditatives. «Ich bin ein relativ ungeduldiger Mensch», sagt Weber von sich selbst. Aber wenn er an einem Papierschnitt arbeite, dann wachse seine Geduld mit der Arbeit. Meditativ ist diese Arbeit auch für Beatrice Straubhaar. Während den acht bis zweihundert Stunden, die sie – je nach Grösse – an einem Werk arbeitet, findet sie Ruhe und kann ihre Gedanken schweifen lassen. «Scherenschneiden macht irgendwie süchtig», sagt sie und ist froh, dass es nicht gesundheitsschädliche Auswirkungen hat. Diese Ausstellung im Gstaaderhof, die noch bis am 1. April 2019 läuft und für die Öffentlichkeit frei zugänglich ist, stellt zwei Künstler einander gegenüber, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten und die zusammen dennoch eine Einheit ergeben. Beide zeigen sich stolz darauf, an der Seite des anderen ihre Arbeiten präsentieren zu dürfen. Gezeigt werden insgesamt 23 Werke, 9 von Beatrice Straubhaar und 14 von Bruno Weber.

Straubhaars letzte Ausstellung
«35 Jahre sind genug!», sagt Beatrice Straubhaar, deren Perspektiven und Prioritäten nach einem Schicksalsschlag vor zwei Jahren nicht mehr die gleichen sind wie davor. Ausstellungen wie diese gegenwärtig im Gstaaderhof werde sie in Zukunft keine mehr machen. «Das ist meine letzte!», sagt sie und weist daraufhin, dass Werke von ihr nach wie vor im Restaurant Sonnenhof in Saanen zu bewundern sind. Für sie selber werde dieses alte Kunsthandwerk, solange sie die Augen, die Hände und die Geduld dazu habe, jedoch einen wichtigen Teil in ihrem Leben bleiben. So schliesst sich für Beatrice Straubhaar mit dieser Ausstellung im Gstaaderhof, wo alles vor 35 Jahren begann, ein Kreis und setzt gleichzeitig ein Ende. Und das ist gut so, sagt sie, denn sie hat neue Hobbies und neue Interessen, denen sie nun ihre volle Aufmerksamkeit widmen möchte.


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