Wo Trinkwasser draufsteht, ist Trinkwasser drin

  31.08.2018 Region

Alljährlich zur Wandersaison beginnt das Rätseln: Kann man von jedem Brunnen trinken? Grundsätzlich gilt in der Schweiz: Öffentlich zugängliche Brunnen führen Trinkwasser, es sei denn, ein Schild weist ausdrücklich auf das Gegenteil hin. In der Praxis ist es nicht immer so einfach.

MELANIE GERBER
Für das Trinkwasser sind die Gemeinden zuständig. Kommt also aus unserem Wasserhahn zu Hause Trinkwasser, so geschieht dies, weil das Haus am Trinkwassernetz der Gemeinde angeschlossen ist und diese regelmässig gemäss den Vorschriften des Lebensmittelgesetzgebung die Wasserqualität überprüft. Nun fliesst das kühle Nass jedoch auch aus Brunnen und gerade im Sommer sind diese ein beliebter Wasserspender für durstige Wanderer.

Kann man aber von jedem Brunnen ohne Bedenken trinken? Grundsätzlich gilt: Aus dem Brunnen fliesst Trinkwasser, ausser er ist klar angeschrieben – mit einer Plakette, die darauf hinweist, dass es sich nicht um Trinkwasser handelt.

Verantwortung beim Besitzer
Nun ist es in der Praxis aber ein bisschen komplexer und hängt von der Verantwortlichkeit ab. «Bei Gemeindebrunnen ist die Wasserversorgung verantwortlich», antwortet Arno Romang, stellvertretender Leiter der Wasserversorgung Saanen, «bei privaten Brunnen der Parzelleneigentümer oder der Eigentümer der Quelle. Sollte aus seinem Brunnen kein Trinkwasser kommen, so ist er vom Lebensmittelgesetz her dazu verpflichtet, dies mit Text und Symbol zu signalisieren.»

Private Brunnen beziehen das Wasser aus eigenen Quellen. Für den Eigengebrauch gibt es keine Kontrollpflicht. Liegt aber ein Brunnen leicht zugänglich an einem Wanderweg, so muss der Besitzer davon ausgehen, dass Drittpersonen davon trinken könnten und hat dafür zu sorgen, dass niemand zu Schaden kommt. «Rechtlich gesehen gilt die Werkeigentürmerhaftung», so Matthias Freiburghaus vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs (SVGW). Das heisst gemäss Artikel 58 des Obligationenrechts: Wer anderen durch nicht trinkbares Wasser schadet, haftet für die Folgen, und das selbst dann, wenn er die Verunreinigung nicht selber verursacht hat.

Klare Beschriftung
Um rechtlichen und gesundheitlichen Problemen aus dem Weg zu gehen, rät der technische Berater für Wasser beim SVGW, Matthias Freiburghaus, dazu, private Brunnen explizit anzuschreiben. Ansonsten wäre der Eigentümer dazu verpflichtet, das Wasser in seinem Brunnen regelmässig zu überprüfen und die Gemeinde dürfte ihn sogar dazu zwingen, ein Schild mit der Aufschrift «Kein Trinkwasser» anzubringen.

Um Verwirrungen auf dem Gemeindegebiet Saanen zu entgegnen, praktiziert die Wasserversorgung gar die umgekehrte Politik, wie Arno Romang mitteilt, und beschriftet die gemeindeeigenen Brunnen mit Plaketten, die explizit auf Trinkwasser hinweisen. Dies ist zwar nicht Pflicht, jedoch sieht Freiburghaus darin die einfachste Variante, Passanten und Touristen auf garantiert trinkbares Wasser hinzuweisen.

Dialog und Anreiz statt Sanktion?
Gerade weil in der Praxis nicht alle privaten, an Wanderwegen gelegenen Brunnen mit einem Hinweisschild versehen sind, kann es für Wanderer und Touristen schwierig sein, im Trinkwasserdschungel durchzublicken. Um Probleme zu vermeiden, sieht Matthias Freiburghaus die Lösung darin, dass die Gemeinde mit den Brunnenbesitzern den Dialog sucht und vor allem Anreize schafft, das Wasser untersuchen oder Markierungen anbringen zu lassen. «Einen Anreiz zu schaffen ist eine Möglichkeit», so Arno Romang. «Mit Wasserproben und Plaketten ist es jedoch noch nicht getan.» Die Lebensmittelgesetzgebung verlange zusätzlich eine minimale schriftliche Dokumentation der Anlagen, Gefahren und Lenkungspunkte müssten festgelegt werden, es brauche Aufzeichnungen der periodischen Arbeiten und regelmässigen Kontrollen sowie Information der Wasserbezüger. «Die kontrollpflichtigen Wasserversorgungen, die Gemeinde und Private, zum Beispiel Bauern mit Milchproduktion, unterstehen dem kantonalen Labor in Bern», führt Arno Romang aus. «Es könnte wahrscheinlich die zusätzlichen Wasserversorgungen nicht ohne Weiteres handhaben.» Die Gefahr bezüglich Brunnenwasser sei aber vom Gesetzgeber aufgrund der Anzahl versorgter Personen an Brunnen nicht als gross eingestuft.


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