«Alles hat seine Zeit, jetzt ist meine Zeit»

  07.09.2018 Gstaad, Interview

Eric Favre hat das The Alpina Gstaad zu einem der wichtigsten Fünfsternehäuser der Schweiz gemacht. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere in Gstaad geht er neue Wege. Er sagt bescheiden: «Alles hat seine Zeit, jetzt ist meine Zeit.»

BLANCA BURRI

Eric Favre, haben Sie alle Ziele erreicht, welche Sie sich für das The Alpina gesteckt haben?
Ja, das Fünfsternehotel ist inzwischen in der Schweiz aber auch international als eines der besten Hotels anerkannt und genau das war meine Zielsetzung.

Wie können Sie das belegen?
Wir waren in Hotelrankings von zwei sehr wichtigen Schweizer Magazinen auf dem ersten Platz.

Wie haben Sie das erreicht?
Mit einem sehr guten Team, das in den vergangenen fünf Jahren sehr stabil war. Wir konnten so zeigen, dass das The Alpina eine Schweizer Referenz ist.

War das einfach?
Nein, überhaupt nicht. Das The Alpina wurde 2012, also ein Jahr vor meiner Ankunft in Gstaad, neu eröffnet und sogleich von Gault&Millau zum «Hotel des Jahres» ausgezeichnet. Das Evaluieren, welcher Markt zum Hotel passt, das Einführen eines neuen Hotels in den Markt, das Aufbauen eines Teams, das Definieren des Qualitätsanspruchs und die Anpassung an die Kunden sind gewaltige Aufgaben.

Und doch haben Sie all diese Aufgaben in recht kurzer Zeit erreicht.
Ich glaube, wir hatten Mitarbeiter, welche gewusst und verstanden haben, wie man diese Vorgaben umsetzt und wie man vorwärts kommt. Wir haben in jedem Bereich des Hotels ein tolles Team, sei das im Housekeeping, in der Conciergerie oder beim Empfang, alles stimmt.

Und jetzt gehen Sie …
Ja, deshalb ist es auf der einen Seite wirklich schwierig zu gehen. Auch für die Gäste und die Mitarbeitenden. Aber ich bevorzuge es, in einer Phase zu gehen, wo alles rund läuft. Aber auch in einer Zeit, wo ich merke, dass ich ein bisschen müde bin. Ich möchte mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen. Für mich ist es wirklich der richtige Zeitpunkt «au revoir» zu sagen. Ich glaube auch, dass dieser Abgang für das The Alpina eine Chance darstellen kann.

Welche Chance meinen Sie?
Das The Alpina ist auf einem hohen Stand und trotzdem gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten. Ein neuer Kopf hat neue Ideen, die auch zum Hotel passen können.

Was raten Sie dem neuen General Manager?
Ich rate ihm, die Mitarbeitenden zu behalten und eine Saison oder ein Jahr lang alles beim Alten zu lassen, damit er genug Zeit für die Analyse des Betriebes und die Entwicklung seiner Ideen hat. Ich ermuntere die Mitarbeitenden im Betrieb zu bleiben und meinen Nachfolger zu unterstützen.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie nun gehen?
Ich glaube, ich werde den Entscheid ein bisschen bereuen, trotzdem habe ich Lust, etwas zu verändern. Immer, wenn meine Familie Zeit hat, bin ich am Arbeiten und da bin ich kompromisslos: Wenn ich arbeite, tue ich das zu 100 %, dann habe ich für nichts anderes mehr Zeit.

Sie werden erst in vier Jahren pensioniert. Was werden Sie als Nächstes anpacken?
Ich habe einige Kontakte geknüpft. Wir werden sehen, was daraus entsteht.

Werden Sie wiederum an der Front tätig sein?
Nein, das sicher nicht. Ich kann mir aber sehr wohl vorstellen, strategisch zu wirken. Zum Beispiel als Verwaltungsrat oder als Berater. Was ansteht, weiss ich aber noch nicht.

Wohin ziehen Sie?
Meine Frau und ich haben seit Jahren ein schönes Haus auf dem Mont-Pèlerin, hoch über dem Genfersee. In dieses ziehe ich mich zurück. Natürlich werde ich nach Gstaad zurückkehren, ich möchte hier wandern und mich in den tollen Restaurants verwöhnen lassen.

Was war Ihr Markenzeichen?
Ich habe mich wirklich auf den Kontakt mit den Gästen konzentriert. Ich habe Sie bei der Anreise alle persönlich begrüsst und am Abreisetag verabschiedet. Bei durchschnittlich 30 Wechseln pro Tag waren das nicht wenige. Ich glaube, das hat dem Hotel seine Individualität und dem Kunden die gebührende Wertschätzung gegeben. Dass dies wichtig ist, sieht man in den Kommentaren, welche über «Trip Advisor» oder andere Plattformen zu uns gelangen.

Wie kann man sich heute von den Mitbewerbern abheben?
Es ist die Dienstleistung, der Service, den man bietet. Wir sind da, um für die Gäste zu denken, ihnen den Aufenthalt so schön wie möglich zu machen, indem wir ihnen so viel abnehmen, wie wir können. Wir sprechen nicht nur mit ihnen, sondern wir interessieren uns aktiv für sie.

Behandeln Sie alle gleich, egal wie viel sie für das Zimmer bezahlt haben?
Ja, unbedingt. In allen Bereichen. Wir stellen zum Beispiel in alle Zimmer die gleichen Aufmerksamkeiten in Form von reifen Früchten, Getränken, Schokolade und einer persönlichen Begrüssungsnotiz. Wenn man alle gleich behandelt, spricht sich das herum und die Mund-zu-Mund-Werbung ist nun mal die wichtigste und günstigste Werbung, die es überhaupt gibt.Wir haben inzwischen einen sehr hohen Stammgästeanteil.

Welcher Moment hat Sie am meisten berührt?
Das war in der Tat die Auszeichnung der «Bilanz» als bestes Ferienhotel 2017. Es war ein ganz besonderer Moment. Als ich im Mandarin Oriental in Bangkok arbeitete, war es das beste Hotel der Welt. Es gab so viele Gäste, die dort buchten, nur um zu erfahren, weshalb es das beste ist. Ich wusste, dass The Alpina das Potenzial für tolle Rankingplätze hat und zwar, weil die Infrastruktur stimmt. Wenn die Dienstleistung und die Verbindung zu den Gästen ebenfalls auf dem höchsten Niveau zelebriert wird, können wir dieses Ziel in Gstaad auch erreichen. Mit der Auszeichnung der «Bilanz» und der «NZZ am Sonntag» als bestes Hotel der Schweiz sowie die Listung unter den besten Ferienhotels im Ranking der «SonntagsZeitung» haben wir sehr viel erreicht, das war eine grosse Genugtuung.

Wenn Sie einen freien Wunsch für Gstaad hätten, was wünschten Sie sich?
(Lacht und überlegt) Dass es weitergeht wie bisher. Ich hoffe zum Beispiel, dass das Institut Le Rosey weiter nach Gstaad kommt, weil es für die Entwicklung der Region weiterhin sehr wichtig ist. Ich hoffe, dass zur Infrastruktur weiter Sorge getragen wird, wie bisher. Ich glaube auch, dass The Alpina seinen Beitrag leistet, denn als bestes Schweizer Hotel hat es einen Leuchtturmeffekt, der über das Saanenland hinausgeht.


ZUR PERSON

Eric Favre ist ursprünglich aus Château-d’Oex, hat dort aber nie gelebt. Er ist in Lausanne aufgewachesen und hat seine Laufbahn mit der Hotelfachschule in Lausanne begonnen. Der heute 61-Jährige ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Er hat zwei Grosskinder. Während seiner Laufbahn in der Hotellerie hat er in unzähligen Betrieben und Ländern gearbeitet. Geprägt haben ihn die Stationen im Le Mirador in Chardonne und im Mandarin Oriental in Bangkok. Seit 2013 ist er General Manager von The Alpina Gstaad, dessen Qualität er in den vergangenen fünf Jahren konsequent verbessert hat.


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