«Die Region muss mehr Verantwortung übernehmen»

  21.09.2018 Interview, Region

Die Bergregion Obersimmental-Saanenland steht der eingeschlagenen Richtung betreffend der zukünftigen Gesundheitsversorgung positiv gegenüber. «In Zukunft wird unsere Region in Fragen der Gesundheitsversorgung mehr mitbestimmen und Einfluss nehmen können», schreibt sie in einer Medienmitteilung.

Die eingesetzte Arbeitsgruppe von Vertreterinnen und Vertretern der Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF), der Spital STS AG und der Bergregion hat am vergangenen Samstag die Erkenntnisse der mehrmonatigen Arbeiten zur zukünftigen Grund- und Spitalversorgung für die Region Simmental-Saanenland vorgestellt (wir haben berichtet). Die Prüfung von verschiedensten Optionen auf Vor- und Nachteile habe als zukunftsgerichtete und erfolgsversprechende Lösung die Bildung eines integrierten Versorgungsnetzwerks ergeben, schreibt die Bergregion in einer Medienmitteilung. Ein zu bildender Gesundheitscampus in Zweisimmen beinhalte einen 24-h-Spitalnotfall, Operationssaal und auch stationäre Betten. Weitere Gesundheitsleistungen im Campus seien Arztpraxen, Physio, Ergo, Apotheke, Spitex, Alterswohnen, Maternité u.a.m.

Für ein Gesundheitszentrum in Saanen sei eine 24-h-Anlaufstelle mit Arztpraxen, Triage sowie die Einbindung in den Rettungsdienst vorgesehen.

Mehr Einfluss, mehr Mitbestimmung, mehr Eigenverantwortung
In Zukunft werde unsere Region in Fragen der Gesundheitsversorgung mehr mitbestimmen und Einfluss nehmen können. «Dazu muss die Region aber auch mehr Verantwortung übernehmen.» Damit bestehe die Möglichkeit, das Leistungsangebot selbst zu beeinflussen und weniger von externen Entscheidungen abhängig zu sein. «Die Integration von ambulanten und stationären Fällen in eine ganzheitliche Betreuung im Netzwerk ergibt die optimale Versorgung und Betreuung der Bevölkerung. Zusätzlich ermöglichen flexible Nutzungen, die Angebote den sich wandelnden Bedürfnissen anzupassen», heisst es in der Mitteilung.

Finanzierung noch offen
Die GEF sowie die Spital STS AG seien sich ihrer Verantwortung bei der Finanzierung bewusst. Eine Optimierung der Kostenfaktoren, die Konzentration der Betreiberin auf die Kernkompetenzen und eine effiziente Nutzung schon bestehender Ressourcen in unserer Region liessen eine Verbesserung der Finanzierung erwarten, obwohl noch keine Betriebsrechnungen gemacht worden seien. Auch die Region und die beteiligten Gemeinden würden sich entsprechend ihrer Verantwortung sehr eng an den Überlegungen der Finanzierungslösung beteiligen.

Herausforderungen
Der Gesundheitscampus in Zweisimmen sei der zentrale Bestandteil der Überlegungen zum Gesundheitsnetzwerk im Simmental-Saanenland. Die Finanzierung mit den zugrundeliegenden Wirtschaftlichkeitsberechnungen seien von verschiedensten Faktoren abhängig. Die Vertreter der Bergregion halten fest: «Neben den stationären Leistungen sollten auf diesem Campus auch möglichst alle Praxen und Anlaufstellen von gesundheitsrelevanten Anbietern Platz finden. Dazu müssen sich aber Haus- und Fachärzte mit den weiteren Leistungserbringern im Gesundheitswesen und der neuen Situation auseinandersetzen und mit ihrer Präsenz vor Ort den Betrieb eines Campus überhaupt erst ermöglichen.»

Spitalbetrieb weiterhin sichergestellt
Mit dem Ziel einer langfristigen Lösung würden die laufenden Projekte (z.B. MedBase in Zweisimmen) auf die neue Ausgangslage abgestimmt und alle relevanten Akteure in den Prozess der Bildung des Gesundheitsnetzwerks einbezogen. In den kommenden Monaten würden die Gründung der Trägergesellschaft für das Gesundheitsnetzwerk und den Campus mit den notwendigen Konzepten inkl. Finanzierung und Wirtschaftlichkeitsberechnungen Priorität haben. «In der Zwischenzeit ist der Spitalbetrieb in Zweisimmen, bei gleichem Leistungsangebot durch die Spital STS AG sichergestellt.»

Mitbestimmung und Mitverantwortung bei der Gesundheitsversorgung
«Der Gesundheitscampus in Zweisimmen mit dem Gesundheitszentrum in Saanen und dem übergreifenden Gesundheitsnetzwerk stellen die Basis dar für die zukünftige Gesundheitsversorgung in der Region Simmental-Saanenland», heisst es weiter. Damit aus dieser Vision eine Realität werde, seien alle gefordert. «Wir in der Politik zusammen mit der Bevölkerung, den Leistungserbringern im Gesundheitswesen und unserer innovativen Unternehmerschaft sowie unseren Gästen haben die Möglichkeit, das zukünftige Leistungsangebot in der Region mitzubestimmen und mitzugestalten.»

«Wir politischen Vertreterinnen und Vertreter schätzen das sehr grosse Engagement der GEF und ihrem Direktor Pierre-Alain Schnegg für eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung. Wir stehen hinter dem am Workshop vom 15. September vorgestellten Konzept mit einem Gesundheitscampus in Zweisimmen, einem Gesundheitszentrum in Saanen sowie einem integrierten Gesundheitsnetzwerk für die gesamte Region Simmental-Saanenland.» Und sie versprechen: «Wir setzen uns für eine umgehende Konkretisierung und Umsetzung der Ideen im Hinblick auf eine langfristige Lösung in der Gesundheitsversorgung im Simmental-Saanenland ein.»

Unterzeichnet ist die Medienmitteilung von den Gemeinderatsvorsitzenden im Simmental-Saanenland, Toni von Grünigen, Ernst Hodel, René Müller, Albin Buchs, Fred Stocker, Markus Willen, Jörg Trachsel, Michael Blatti, Thomas Knutti, Simon Künzi, Martin Wiedmer, von Grossrätin Anne Speiser, den Grossräten Hans Schär und Thomas Knutti sowie von Nationalrat Erich von Siebental.

PD/ANITA MOSER


ANITA MOSER

Toni von Grünigen, als Gemeindepräsident von Saanen stehen Sie hinter der nun vorgestellten Idee mit einem Campus in Zweisimmen und einem Gesundheitszentrum in Saanen.
Ja. Ich sehe es als Chance, die wir packen müssen, damit wir weiterhin eine gute Gesundheitsversorgung in unserer Region haben. Es geht für einmal nicht um einen Abbau in einem Tal und einem Projekt im anderen, sondern es ist in beiden Tälern ein Angebot geplant.

Ein Gesundheitszentrum in Saanen hatten wir schon mal mit LocalMed, es hat aber nicht funktioniert.
Richtig, wir hatten schon etwas Ähnliches. Meines Erachtens war die Situation damals aber eine etwas andere, als wir sie künftig haben werden. Das neue Projekt ist mehr auf die Zukunft ausgerichtet als auf die heutige Situation.

Können Sie das näher erläutern?
Die Grundversorgung durch die Hausärzte funktioniert, man wollte ein zusätzliches Angebot schaffen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob unsere Grundversorgung auch längerfristig gut funktioniert ohne ein zusätzliches Angebot.

Sie sehen die vorgestellte angedachte Lösung als Modell der Zukunft?
Ich habe das Gefühl, ja. Und es ist wichtig für uns, auch in Zweisimmen ein Angebot zu haben. Nur die Triage und das Rettungswesen in Saanen und sobald etwas Schwerwiegenderes vorliegt, die Patienten in ein Spital ins Unterland zu fliegen, ist auch für uns keine gute Versorgung. Wir haben also allen Grund, das Angebot in Zweisimmen zu unterstützen. Aber es braucht Bemühungen und ein gemeinsames Vorgehen, damit man den Campus und das Gesundheitszentrum realisieren kann.

Eine Projektgruppe soll nun ein Projekt ausarbeiten. Sind die politischen Gemeinden in dieser Gruppe eingebunden?
Es wird von uns erwartet, dass wir uns engagieren. Folglich gehe ich davon aus, dass die politischen Gemeinden auch vertreten sind. Wie ist noch offen, der Aufbau der Projektgruppe ist noch nicht klar definiert.

In beiden Gemeinden geht es auch um die Standortfrage. Auch da haben die Gemeinden ein Mitspracherecht?
Genau. Politische Vertretungen, auch Unternehmer und auch die Region als Ganzes sollen mithelfen und müssten auch mitbestimmen können. Ziel des Projekts ist die integrierte Versorgung. Das heisst, man will versuchen, möglichst viele Angebote des Gesundheitswesens auf einen Standort zu konzentrieren. Und das gilt für den Campus in Zweisimmen wie für das Gesundheitszentrum in Saanen.

Im Campus in Zweisimmen ist eine Spitalversorgung vorgesehen. Bleibt die Spital STS als Anbieter im Spiel?
Im Campus in Zweisimmen wird es einen Operationsaal und stationäre Betten geben. Gehört das Gebäude einer Genossenschaft, ist es grundsätzlich offen, wer der Betreiber der stationären Betten und des OP-Trakts ist. Aber die Spital STS AG will mithelfen und sie will auch sicherstellen, dass der Spitalbetrieb in der Übergangszeit gewährleistet ist. Von dem her sind wir der Ansicht, dass das Projekt mit der GEF und der Spital STS AG realisiert werden soll.

 

Und in welchem Zeitrahmen?
Wir müssen den Sog unbedingt nutzen, bereits in sechs Monaten soll der nächste Workshop, die nächste Orientierung stattfinden. In einem Jahr sollte das Projekt stehen. Ich bin mir bewusst, es schwingt dabei ein namhafter Teil Hoffnung mit. Aber ich bin überzeugt, dass nun etwas Konkretes vorliegt, das uns weiterbringen könnte.


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