Feldforschung im Saanenland

  07.09.2018 Saanenland

«Wer weiss etwas über Frieda Hauswirth?», fragte die Masterstudentin Claire Blaser per Flugblatt, das sie an verschiedenen Orten in der Region platzierte. Für ihre Forschungsarbeit war sie auf der Suche nach Informationen zur Saanerin, die im frühen 20. Jahrhundert nach Indien ausgewandert war und Bücher über ihr Leben in der Fremde geschrieben hatte.

MELANIE GERBER
Aus London reiste die gebürtige Bernerin Claire Blaser an, auf der Suche nach Spuren zur Saanerin Frieda Hauswirth. Im Saanenland verteilte sie Flugblätter und ging von Beiz zu Beiz, um an Stammtischen Kontakt zu möglichen Nachfahren der Frau zu finden, über die sie ihre Masterarbeit an der School of Oriental and African Studies in London schreibt. Aus der wissenschaftlichen Arbeit für ihr Religions- und Weltpolitikstudium sollte eine detektivische Spurensuche werden, wie die Studentin bald feststellte.

Von Lausanne nach London, von Gstaad nach Indien
Die gebürtige Bernerin studierte zuerst an der Universität Lausanne und später an der University of London. Früh konzentrierte sie sich auf Südasien und Indien. Ihr Interesse wurde geweckt, als sie im Artikel eines ETH-Professors über Frieda Hauswirth las – und das Thema ihrer Masterarbeit war schnell klar. «Ich wollte zwei Sachen verbinden», erklärt Blaser. «Einerseits die Schweiz, wo ich auch herkomme, und andererseits Indien.» Über ein Jahr lang las die Studentin sich in das Leben der Saanerin ein, online und im Archiv, immer auf der Suche nach biografischen Angaben. «Frieda Hauswirth ist 1886 in Gstaad geboren und wanderte später nach Indien aus», erzählt Blaser. Hauswirth wurde Autorin, schrieb über das aktuelle Geschehen in Indien und versuchte, es dem westlichen Publikum aufzuzeigen. «Sie schrieb viel über die Frauenbewegung in Indien», so die Studentin, die auf ihrer Spurensuche Kontakt zu Menschen in Indien bekam, die sogar noch Bücher von Frieda Hauswirth besassen und sie ihr zur Verfügung stellten. Eins fehlte Blaser jedoch noch: Informationen zu den Saaner Nachfahren.

Hinweise über viele Ecken
Claire Blaser entwarf ein Flugblatt und reiste ins Saanenland, um gleich selber auf Spurensuche zu gehen. «Direkt auf den Aushang meldeten sich Benz Hauswirth und seine Frau Brigitte Leuenberger», erzählt sie. «Aber das Flugblatt hat mir viele Türen geöffnet.» Sie lacht und führt aus, wie sie damit die Lokale ausfindig gemacht hat, in denen vor allem Einheimische verkehren, wie sie auf die Stammtische zugegangen sei und hier und da spannende Hinweise erhalten habe. Man verwies sie an Fritz Müllener, diesem wiederum hinterliess sie eine Notiz und bekam später eine E-Mail-Nachricht mit weiteren Namen und stiess letztlich auf Walo Perreten sowie Christian und Reinhold Welten, die Grosskinder des Bruders von Frieda Hauswirth.

Spuren im Saanenland
Obwohl Frieda Hauswirth bereits im frühen 20. Jahrhundert ausgewandert war, hinterliess sie im Saanenland Spuren, die Claire Blaser wiederentdeckte. Über Adolf Hauswirth gelangte sie an Heini Hauswirth, der sich für Genealogie interessiert und der Studentin als Erster sagen konnte, wer Frieda Hauswirth war. Von ihm bekam sie den Hinweis auf einen Artikel, der im «Anzeiger von Saanen» erschienen war.

Im Archiv des «Anzeigers von Saanen» wiederum stiess sie auf jenen Artikel aus dem Jahr 1991, der berichtete, wie eine Freundin von Frieda Hauswirth aus Kalifornien angereist war, um deren Nachlass zu regeln. Dies führte Blaser ins alte Archiv der Gemeinde Saanen, wo ein Teil des Nachlasses von Frieda Hauswirth zu finden ist.

«Es war eine besondere Erfahrung», sagt Blaser über die Spurensuche. Sie habe bereits in den Artikeln von Frieda Hauswirth über die Landschaft des Saanenlandes gelesen. «Aber dann genau das zu sehen, was sie beschreibt, gab mir einen ganz anderen Zugang zu den Texten.» Eindrücklich sei auch gewesen, dass die Geschichte von Frieda Hauswirth stark lokal verankert ist. «Es ist eine Frau, die man nicht weltweit kennt, die aber an den Orten, an denen sie gelebt und gewirkt hatte, sehr bekannt ist.»

Interessante Aussichen
Für die Masterarbeit, die kurz vor Abschluss steht, konnte Claire Blaser letztlich nur einen Teil der biografischen Forschungsresultate verwenden. Ein Grossteil der Arbeit beschäftigt sich mit fachwissenschaftlichen Aspekten. Trotzdem sind die Informationen jetzt da. «Ich habe noch keine konkreten Pläne für all das Material», so Blaser. Das Thema stosse aber auf grosses Interesse und es könnte sein, dass sie es in einer Doktorarbeit vertieft.


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