Gstaad – der Weg zum Weltkurort

  25.09.2018 Event, Kultur, Gstaad

2002 hat Gottfried von Siebenthal seinen ersten Bildband zur Geschichte von Gstaad veröffentlicht. Nun liegt sein drittes Werk vor. «Gstaad – der Weg zum Weltkurort» ist die zweite Ergänzung seines vergriffenen Erstlingswerkes «Eine Reise in die Vergangenheit».

ANITA MOSER
Über 200 Personen folgten am vergangenen Freitagabend der Einladung von Gottfried von Siebenthal ins Hotel Landhaus zur Vernissage seines Buches «Gstaad – Der Weg zum Weltkurort». 404 Seiten stark und 2600 Gramm schwer ist das eindrückliche Werk. Die meisten der 42 Kapitel hat der Autor überarbeitet, 15 neue sind dazugekommen. Das Buch beinhaltet auch ein Résumé auf Französisch und Englisch.

Grundstein vor rund 60 Jahren gelegt
Die Leidenschaft für die Dorfgeschichte hat Gottfried von Siebenthal vor rund 60 Jahren gepackt. Als Schulbub habe er seinen Verwandten und Bekannten im Dorf Gstaader Geschichten und Geheimnisse entlockt und in sich aufgesogen, erzählte Andrea von Siebenthal, Moderatorin und Tochter des Autors. Und der Dorfbub von damals habe auch bald seine Faszination für Fotos entdeckt. «Er hat angefangen, Postkarten zu sammeln zu einer Zeit, als das noch nicht üblich war.» Und so seien zu seinen Geschichten im Kopf auch Bilder dazugekommen, welche die Geschichten illustrierten. Er habe die Geschichten niedergeschrieben, aber nie mit der Idee, ein Buch zu schreiben. «Gegen das Vergessen – und vor allem Daten waren mir wichtig», so von Siebenthal. Erst viele Jahre später hat er sich wieder der Vergangenheit von Gstaad zugewandt, sein erstes Geschichtsbuch «Eine Reise in die Vergangenheit» veröffentlichte er 2002, 2007 folgte der zweite Band als Fortsetzung.

Das erste Buch sei schon lange vergriffen, es werde aber noch sehr viel verlangt, erklärte Gottfried von Siebenthal. Er habe noch sehr, sehr interessante Bilder gefunden, deshalb habe er sich für eine komplette Überarbeitung entschieden. «Ich habe die Geschichten weitererzählt, fast jedes Kapitel überarbeitet, 15 neue Kapitel geschrieben und 150 neue Fotos eingefügt.»

Viele dieser Fotos und Postkarten habe er im Estrich über seinem Geschäft gefunden, viele habe er gekauft oder angeboten bekommen. Vor ein paar Jahren sei Frau Béatrice Brelaz-Zwahlen aus Saanen mit einem dicken Album vorbeigekommen, welches sie auf einem Flohmarkt in Paris erstanden hatte. «Sie hat gesehen, dass das Album Fotos von Gstaad enthält. Das ist eine Sensation!», so Gottfried von Siebenthal. «Einige Fotos waren Privataufnahmen von einer englischen Familie. Ich habe ausfindig machen können, wann sie in Gstaad waren, nämlich 1911 in der ersten Wintersaison im Parkhotel.»

Es war Brandstiftung
Der Dorfbrand von 1898 geht wie ein roter Faden durch sehr viele der 42 Kapitel. «Er hat mich schon als Kind fasziniert», betonte von Siebenthal. «Er hat das Dorf unglaublich beeinflusst, er hat die Leute beeinflusst – viele haben alles verloren und mussten bei Null anfangen.» Und im neuen Buch schreibt er auch über die Brandursache. Es war Brandstiftung, ausgelöst durch ein Beziehungsdelikt. Erzählt hat ihm diese Geschichte Margrit Feldmann. «Sie war die Frau von Bundesrat Feldmann, eine Cousine meines Grossvaters, ihre Mutter war die Schwester von Palace-Erbauer Robert Steffen und ihre Grossmutter die legendäre Emelie Steffenvon Siebenthal, welcher man die Schuld am Dorfbrand gegeben hat.» Er habe die Geschichte schon vor dem ersten Buch gekannt, sich aber erst nach dem Tod von Margrit Feldmann gewagt, sie öffentlich zu machen.

Ein Visionär
Von Irma Steffen-Fricker, der Schwiegertochter von Palace-Erbauer Robert Steffen, habe er vor 20 Jahren eine 3500 Seiten starke Briefdokumentation von Robert Steffen geschenkt bekommen. «Ein Wahnsinns-Erlebnis», erinnert sich Gottfried von Siebenthal.«Robert Steffen hatte überall die Finger drin – aber im positiven Sinn. Er war ein Visionär im höchsten Grad.» Er habe Briefe geschrieben voll Enthusiasmus zu einer Zeit, als der Erbauer vom Hotel Alpenblick in Inseraten noch mit «Pension Alpenblick, Ebnit bei Saanen» geworben habe. Gstaad habe man damals nicht gekannt. Aber Robert Steffen habe bereits damals geschrieben: «Gstaad wird das St. Moritz der Westschweiz. Gstaad wird sämtliche Kurorte der Schweiz überflügeln.»

In jedem Satz von Gottfried von Siebenthal spürt man dessen Leidenschaft und die Liebe zu Gstaad, zu seinem Dorf. «Meine Vorfahren väterlicherseits waren alle Urgstaader. Ich nehme an, die Liebe zu Gstaad liegt im Blut», meinte Gottfried von Siebenthal mit einem Schmunzeln.

Der Aufschwung begann mit der MOB
Zweifelsohne gehöre der Bau der MOB zu den wichtigsten Entwicklungsschritten von Gstaad auf dem Weg vom Bergdorf zum Weltkurort. Und eine ganz wichtige Rolle hätten die Institute gespielt, die Hotellerie, die Bergbahnen und zuletzt natürlich die Umfahrungsstrasse, für die Gottfried von Siebenthal sehr gekämpft hatte und die ihm den Namen «Mister Gstaad» eingebracht hat. «Der Wasserngrat war der erste Sessellift weltweit», erklärte von Siebenthal. In seinem Fundus habe er über 4000 Fotos von Gstaad, darunter seien bestimmt über 200 vom Wasserngrat. «Er wurde fotografiert bis zum Gehtnicht-Mehr …»

Das Landschaftsbild von Gstaad und dem Saanenland hat sich mit der touristischen Entwicklung in wenigen Jahrzehnten rasant verändert. Vieles habe man richtig gemacht. Es gebe aber auch ein paar Wermutstropfen. So bedaure er, dass das Bodäbnetseeli verschwunden sei, betonte der Autor. «Und was mir auch nicht so gefällt, ist, dass 1985 die Eisenbahnbrücke im Dorf abgerissen wurde.» Für die damalige Zeit sei der Entscheid zwar nachvollziehbar. Dennoch: «Heute wäre die Brücke mit den Bogen und dem Fachwerk in der Mitte ein Bijou im autofreien Dorf.»

Die jungen Leute begeistern
Mit seinen Büchern wolle er die jungen Leute für die Geschichte von Gstaad und dem Saanenland begeistern, betonte von Siebenthal. «Damit sie realisieren, dass wir eigentlich im Paradies leben. Wir haben landschaftliche Schönheiten, eine immer noch funktionierende Landwirtschaft und wir halten an Traditionen fest. Tragt Sorge zu dem, was ihr habt», appellierte er. «Es bietet Kurortsqualität und gleichzeitig Lebensqualität für uns Einheimische.»

Eine «Gstaad Music Hall»
Für die Zukunft wünsche er sich, «dass wir bald einmal zu einer ‹Gstaad Music Hall› kommen und dass es nicht 35 Jahre dauert, bis wir wissen, was wir wollen.» Denn 35 Jahre habe der Bau der MOB gedauert, 35 Jahre bis man sich über den Standort der Kunsteisbahn geeinigt habe und 35 Jahre habe es gedauert, bis die Umfahrungsstrasse realisiert worden sei. «Jetzt soll es nicht nochmals 35 Jahre gehen, bis die ‹Gstaad Music Hall› steht!»

Auf dem richtigen Weg
Gottfried von Siebenthal habe die Gabe, interessant zu erzählen, ohne jemanden blosszustellen», betonte Gemeindepräsident Toni von Grünigen in seinem Grusswort. Genauso habe er auch das Buch gestaltet. «Es wird manch spannendes Porträt von Personen erzählt, es werden Erfolge und Misserfolge dargestellt, nie aber auf Kosten der Betroffenen», so von Grünigen. «Wir können lesen, welche Hoffnungen, aber auch welche Ängste mit der Entwicklung vom Tourismus verbunden waren. Man lernt, dass auch schwere Schicksalsschläge wie der Dorfbrand zu Chancen werden können. Chancen, die man sehen und ergreifen muss.» Die Story von Gstaad sei mit diesem Buch nicht fertig erzählt, weil das Leben immer noch an ihr schreibe. «Wir haben es – zumindest zu einem Teil – in der Hand, dass auch die zukünftige Geschichte von Gstaad weitergeschrieben werden kann», so der Gemeindepräsident. «Das heisst, wir müssen einen Weg finden zwischen zu viel und zu wenig Leben in Gstaad, zwischen Freiheit und Einschränkung, zwischen Gold und schwarzweiss. Damit wir den richtigen Weg für die Zukunft wählen können, dient es uns, wenn wir wissen, welchen Weg wir gekommen sind.» Im Buch werde dieser Weg mit vielen eindrücklichen Berichten beschrieben. «Das Buch wird uns helfen, auch für die Zukunft den richtigen Weg zu finden.»

Der wahre Mister Gstaad
Gottfried von Siebenthal habe sich in den 90er-Jahren wie kein Zweiter für eine verkehrsfreie Promenade eingesetzt und sei damals zu Recht von der Presse zum Mr. Gstaad geadelt worden, betonte Tourismusdirektor Sébastien Epiney. Weshalb seine Vorgänger ausgerechnet einen Internet-Blog unter dem Namen «Mr. Gstaad» geführt hätten, sei ihm ein Rätsel. Denn: «Tourismusdirektoren kommen und gehen, aber Gottfried von Siebenthal bleibt. Also steht ihm dieser Titel viel eher zu.» Gottfried von Siebenthal habe mit Erfolg für den autofreien Dorfkern gekämpft.

«Dass es letztlich genau die richtige Entscheidung war, sieht man daran, dass auch Saanen nachgezogen sei und das Zentrum zur Fussgängerzone umgebaut hat.»

Musikalische Unterhaltung
Anschliessend an den offiziellen Teil waren die Anwesenden von Familie von Siebenthal zu einem Apéro riche eingeladen. Für die musikalische Unterhaltung sorgten die Riedhubel-Jodlerinnen, bei denen auch Käthi von Siebenthal, die Frau des Autors, mitsingt. Sie sei eine Perle, meinte Gottfried von Siebenthal in seinen Dankesworten. «Sie musste mich manchmal aufstellen und motivieren weiterzuschreiben.» Mit dem «Geburtstagsjutz», vorgetragen von den vier Riedhubel-Jodlerinnen, verstärkt durch die Enkeltochter Marie und die Gebrüder Hefti vom Jodlerklub «Gruss vom Wasserngrat», kamen die Anwesenden in den Genuss einer Uraufführung.

Das Buch «Gstaad – der Weg zum Weltkurort» ist erhältlich in den Buchhandlungen Cadonau, Gstaad, und Au Foyer, Saanen. ISBN 978-3- 03818-172-9

 


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