Literaturszene mit grossen Persönlichkeiten

  18.09.2018 Kultur

Das dreitägige Literaturfestival «Literarischer Herbst Gstaad» ging am Sonntag mit dem traditionellen Spaziergang mit Rolf Hermann und zwei Lesungen im Hotel Bellevue zu Ende. Das Finale war grossartig. Mit Teresa Präauer und Hannelore Hoger traten nochmals zwei grosse Persönlichkeiten auf.

LOTTE BRENNER
Die österreichische Malerin und Germanistin Teresa Präauer befasst sich mit Umwandlungen vom Menschen in Tiere, und dies nicht nur im Kopf, sondern auch physisch. Die Umwandlung geschieht durch Wörter, Laute, Klang; sie nimmt die Sprache wörtlich und zieht sie sich phyisch über. In ihrem erst vor ein paar Tagen erschienenen Essay «Tier werden» wird eingangs erläutert: «Tier werden ist ein Vorgang, den Teresa Präauer mit Blick auf Kunst, Kultur, Film und Mode beschreibt, den sie aber darüber hinaus auch auf das Schreiben und Lesen von Literatur selbst anwendet. Während wir schreiben, reizen wir die Möglichkeiten des Sprechens aus und geraten an seine menschlichen Grenzen. Während wir lesen, verwandeln wir uns.» Und Präauer macht dies nicht einfach so locker aus dem Handgelenk; sie wendet profunde Erfahrungswerte aus jahrhundertelanger Kulturgeschichte an.

Der Roman «Oh Schimmi» erzählt von einem Taugenichts, der sich auf der Suche nach der nächsten Liebe zum Affen machen lässt. Sie beschreibt dies erotisch und äusserst komisch. Im Gespräch mit der Moderatorin Liliane Studer sagt die Autorin, sie denke über das Tier, den Menschen, über sich nach, aber in Abgrenzung zum Tier. Sie distanziere sich von der Meinung, sie sei eine Tierfreundin. Das Tier-Werden wirft Fragen auf wie beispielsweise: «Ist man nicht mehr Mensch und noch nicht Tier?»

Mit ihrer Literatur, wofür sie zweifach preisgekrönt wurde – mit dem aspekte-Literaturpreis für das beste deutschsprachige Prosadebüt 2014 für ihren Roman «Für den Herrscher aus Übersee» und dem Preis der Leipziger Kunstmesse 2015 für den Künstlerroman «Johnny und Jean»–, öffnet sie neue Sicht- und Denkmöglichkeiten.

Eine «Grande Dame» liest Walser
Ein absoluter Höhepunkt war das Finale des Literaturfestivals. Hannelore Hoger, bekannt als TV-Kommissarin Bella Block, las Miniaturen von Robert Walser, auf dessen Literatur das Festival traditionell von Anfang an basiert. Moderator Reto Sorg schlug die Brücke zwischen Walser und Hoger: «Auch Walser wollte ursprünglich mal Schauspieler werden.» So erklärt er die visuelle Sprache von Walser und meinte: «Wer könnte diese Texte besser lesen als eine Schauspielerin?»

Tatsächlich war die Lesung ein literarischer Leckerbissen ohnegleichen. Walsers Spezialität – eine Begebenheit oder ein Stimmungsbild mit unzähligen auserlesenen, präzisen Attributen zu bestücken und so den Leser oder Zuhörer darin schwelgend flanieren zu lassen –, diese Spezialität kam in Hogers Darstellung so richtig zum Tragen. Sie ist eine wunderbare Schauspielerin und eine wunderbare Frau und damit dem wunderbaren Autoren Robert Walser würdig.

Das Literaturfestival erfuhr so wieder einmal einen Finissage-Höhepunkt, nach welchem sich die Festivalgäste schon auf die nächste Saison freuen dürfen. Der «Literarische Herbst Gstaad 2019» findet vom 12. bis 15. September statt.


«LITERARISCHER HERBST GSTAAD» IM RÜCKBLICK

Liliane Studer, die seit drei Jahren für das Festival-Programm verantwortlich zeichnet, zeigt sich über die Entwicklung dieser Literaturveranstaltung im Berner Oberland erfreut. Auch die beiden Neuheiten hätten sich bestens bewährt und seien auch für nächstes Jahr vorgesehen. Da war einmal die Kinderlesung, die von über 50 Kindern und rund 20 Erwachsenen besucht wurde und dann die Zusammenarbeit mit dem Chor in Zweisimmen, die auch bestens funktionierte. Besonders fruchtbar taxierte Studer die Kontakte unter den Autoren, vor allem erwähnte sie den Austausch der Frauen, die sich sogar gegenseitig die Bücher signiert hätten. Das Festival ist laut Studer ein Ort der Begegnung, wo ein Austausch zwischen Autoren und dem Publikum möglich ist.

Es ist ein breites Publikum aus allen Teilen der Schweiz. Doch obschon sich das Festival immer mehr an Beliebtheit erfreut und von etlichen Sponsoren unterstützt wird, sind die Betreiber immer noch auf jeden Franken angewiesen.
Studer schliesst befriedigt: «Die Stimmung war sehr gut, und der literarische Spaziergang zog noch nie so viele Personen an wie heuer. Viele haben sich die Termine für 2019 bereits vorgemerkt.»

LOTTE BRENNER


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