Luft im Pneu

  07.09.2018 Leserbeitrag

Niemand kann von Luft alleine leben, aber ohne Luft läuft auch nichts. Und das gilt beim Velofahren erst recht. Denn da brauchen wir in einem doppelten Sinn Luft: Wir brauchen Luft zum Atmen und Luft in den Pneus. Wenn den Velofahrenden die Luft ausgeht, hilft meistens eine Pause. Wenn aber den Schläuchen in den Pneus die Luft ausgeht, hilft nur noch Schlauchflicken oder Schlauchwechseln. Und darauf sollte man auf Velotouren vorbereitet sein. Denn trotz bestem Material ist der Plattfuss nach wie vor eine der häufigsten Pannen beim Velofahren.

Velopneus und Menschen sind sprachlich miteinander verwandt. Denn das Wort Pneu hat seinen Ursprung im griechischen Wort «pneuma» und das bedeutet: Luft, Wind, Atem.

Eine alte Weisheit sagt: Die Erinnerung ans Leben besteht nicht aus den Momenten, in denen wir geatmet haben, sondern aus denen, die uns den Atem geraubt haben.

Das gilt wohl auch fürs Velofahren. Touren, bei denen man ausser Atem auf einer Passhöhe oder am Ziel angekommen ist, hinterlassen meistens nachhaltigere Erinnerungen als die Touren, die man mit leichtem Tritt und in guter Verfassung gemeistert hat. Denn Grenzerfahrungen hinterlassen besondere Spuren in den Erinnerungen, und es sind die aussergewöhnlichen und oft auch mühsamen Velo-Erlebnisse, von denen man unter Gleichgesinnten am runden Tisch gerne erzählt. Oder die Velotouren bleiben einem ganz besonders in Erinnerung, auf denen man im dümmsten Moment einen Platten eingefangen und die Velopumpe zu Hause vergessen hat.

Unterwegs, wenn das Wetter stimmt, der Adrenalinspiegel das Herz mit jeder Pedalumdrehung ein bisschen höher schlagen lässt und das Gefühl von Freiheit und Abenteuer einen erfüllt, da sollte man aber vor allem an die Zeiten denken, in denen man so richtig frei und unbelastet atmen konnte und die atemberaubend schön gewesen waren. In solch schönen Momenten stören die Gedanken an jene Augenblicke im Leben, in denen man «auf den Felgen» war, in denen es einem den Atem verschlagen hatte und «die Luft draussen» war. Denn die guten Erinnerungen – sie sind wie die Samen bunter, prachtvoller Blumen. Sie besitzen die wundervolle Kraft, unsere Herzen immer wieder aufs Neue erblühen zu lassen (Peter Pratsch). Die schönen Erinnerungen helfen durchatmen, wenn der Atem ins Stocken geraten ist. Sie geben Mut für jeden neuen Schritt und jeden neuen Tritt in die Pedale.

Es lohnt sich übrigens auch, den Luftdruck in den Reifen regelmässig zu prüfen. Denn zu wenig Luft im Pneu steigert den Pneuverschleiss, erhöht den Rollwiderstand und vermindert das Vergnügen beim Kurvenfahren. Und mit zu hohem Luftdruck fährt es sich zwar leichter, doch der Fahrkomfort sinkt. Denn die harten Pneus übertragen die kleinsten Schläge sofort aufs Gesäss.

Nur der richtige Luftdruck in den Pneus schenkt den wahren Fahrgenuss. Und nur das richtige und bewusste Atmen schenkt echte Lebensfreude. Im Alltag atmen wir meistens ganz automatisch, gesteuert vom vegetativen System. Es sei denn, Stress, Angst oder Nervosität behindere das tiefe Durchatmen. Velotouren über Land bieten darum die grosse Chance, den Alltag hinter sich zu lassen, wieder richtig tief und bewusst durchzuatmen, Nervosität abzubauen und die Lebensfreude zu steigern. Denn das Atmen verbindet uns mit der Natur. Man spürt: Atem ist Leben, Velofahren auch. Unterwegs in den Schönheiten der Natur, mit dem idealen Luftdruck in den Pneus und frischem Sauerstoff in der Lunge kann man dem Dichter Theodor Fontane zustimmen und sagen: Es ist und bleibt ein Glück, vielleicht das höchste, frei atmen zu können.

ROBERT SCHNEITER


«Anzeiger von Saanen» Leserreise 2019 – Velowoche plus
12. bis 19. Mai 2019 – Frühling in der Provence und Camargue Teilnehmende ohne Velo sind herzlich willkommen.


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