«Märli-Stubete»-Atmosphäre an der Erzählnacht

  12.10.2018 Kultur

Die Erzählnacht in der Grubenberghütte vom Samstag, 6. Oktober stand nicht nur im Zeichen des Erzählens allein, sondern wurde erstmals in ihrer 13-jährigen Geschichte auch musikalisch untermalt.

Mit dem bekannten Schweizer Geschichtenerzähler Jürg Steigmeier und dem Örgeli-Virtuosen Thomas Aeschbacher wartete die diesjährige Ausgabe der Erzählnacht mit einer besonders hochkarätigen Besetzung auf. Jürg Steigmeier, der seine Geschichten, Sagen und Märchen auf sehr lebendige, packende und bildhafte Art erzählt, zog das Publikum an jenem Abend sogleich in seinen Bann.

Dass sich der Fleiss ausbezahlt und die Faulheit ein böses Erwachen nach sich ziehen kann, zeigte auf eindrucksvolle Weise die Eröffnungsgeschichte von den beiden Geschwistern Babe und Bethli auf. Richtiggehend tragisch ist der Ausgang der Erzählung, die sich im Bündnerland zugetragen haben soll. Annetta bricht das Herz und stirbt schliesslich sogar an ihrem Liebeskummer, weil ihr Geliebter Aratsch ins Welschland in den Krieg eingezogen wird. Als Aratsch nach der Schlacht schliesslich wieder in das heimische Bündnerland zurückkehrt und von Annettas Tod erfährt, prescht er mit seinem Pferd zum nahegelegenen Gletscher und verschwindet für immer im ewigen Eis. Dieser unheilvolle Hergang soll dem Morteratschgletscher schliesslich seinen Namen gegeben haben. Der brutale Ausgang der Geschichte vom Statterbub, welcher vom bösartigen Älpler kurzerhand in den siedenden Suppentopf geworfen wurde, sorgte beim anwesenden Publikum für blankes Entsetzen und Bestürzung.

Dass das Repertoire von Jürg Steigmeier an jenem Abend auch eine Erzählung zum Sagenmotiv «Sennentuntschi» beinhaltete, liegt auf der Hand. Daneben gab der begnadete Erzählkünstler, der hauptberuflich Kindergärtner ist, unter anderem auch noch das Märchen vom Äschengrübel (eine Ableitung vom bekannten Grimm-Märchen «Aschenputtel») sowie von der weissen Frau in der Gletscherhöhle am Sigriswiler Rothorn zum Besten.

Musikkalische Begleitung
Zusätzlich aufgewertet wurde die Erzählnacht durch die musikalische Begleitung des herausragenden Klangkünstlers Thomas Aeschbacher. Das «Örgelen» lernte er von seinem Vater, Werner Aeschbacher, mit dem er zehn Jahre lang erfolgreich in einem Schwyzerörgeli-Trio gespielt hatte. Aeschbacher, der auch als Musiklehrer, Sänger und patentierter Sportlehrer tätig ist, bewies an der Erzählnacht auf eindrückliche Weise, dass er ein Meister seines Faches ist. Im wahrsten Sinne des Wortes «locker vom Hocker» entlockte er seinen mitgebrachten Schwyzerörgeli und altertümlichen Langnauerli wundervolle Töne und Melodien, die wechselweise mal melancholisch oder im feurigen Tango-Rhythmus daherkamen und die Herzen des anwesenden Publikums berührten. Dies gab dem Ganzen die Atmosphäre einer «Märli-Stubete»!

Die unheimlichen Geschichten, welche die Zuhörerinnen und Zuhörer an der Erzählnacht 2018 dargeboten bekommen haben, machten deutlich, dass es bei uns in den Bergen sehr geheimnisvoll zu und hergeht.

Jürg Steigmeier gab den Zuhörenden schliesslich noch eine Erzählung mit auf den (Heim)Weg, die besagt, dass in der Zeit nach dem Alpabzug die Berge den Alpgeistern gehören und die Menschen dort oben nichts mehr zu suchen haben. Da waren die Gäste, welche sich nach der Erzählnacht in der Finsternis auf den Heimweg machten, wahrlich nicht zu beneiden …

Seien wir gespannt, was für Geschichten in der nächsten Erzählnacht in einem Jahr wieder für Gänsehaut sorgen werden!

PD


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