Geschichten in Sand gemalt

  30.10.2018 Kultur

Letzten Donnerstag fand im Landhaus Saanen ein ganz besonderer Abend statt. Ruedi und Claudia Kündig zeigten uns auf begeisternde Weise, wie man alte Geschichten spannend erzählen und zu neuen Leben erwecken kann. Mit Sprache, Ton, Licht und – Sand!

DANIELA ROMANG-BIELER
Nicht jeden Tag reist das im Thurgau wohnhafte Ehepaar ins Saanenland. 180 Interessierte packten die Gelegenheit am Schopf und durften die beiden Künstler bei einer sehr einmaligen Art von Spektakel beobachten.

Der Saal ist abgedunkelt. Rechts vorne steht Claudia an einem Tisch. Das ist der «Sandkasten». Links vorne steht ihr Mann, ebenfalls an einem Tisch, oder besser gesagt, an einem Mischpult. Gehen wir zu Claudias «Sandkasten»: Der sehr feine und trockene Sand liegt auf einer Glasplatte, die von unten mit verschiedenen Farben beleuchtet wird. Die Platte wird von oben gefilmt und das Bild per Beamer auf die Leinwand übertragen. Claudia arbeitet mit dem Kontrast: Dichter Sand erscheint auf der Leinwand schwarz, das saubere Glas weiss. Um das Bild zu gestalten, schiebt sie Sand auf die Seite oder giesst den Sand aus ihrer Hand auf die saubere Oberfläche. Das ist Sandpainting. So machen es auch andere.

Nun ist da aber noch die gute zweite Hälfte: Ihr Mann Ruedi ist ein begnadeter Erzähler und bringt sein wertvolles pädagogisches und technisches Wissen ein. Während Claudia auf ihrer Seite malt, erzählt er am Mischpult leidenschaftlich seine Geschichte. Um Spannung und Leben in das «Wort» zu bringen, braucht er Musik und andere Sprechstimmen, die er gekonnt und in perfektem Zusammenspiel mit Claudias Malen abspielt. «Soll mal einer sagen, Männer können nicht mehrere Dinge auf einmal tun», schwärmte Claudia.

Ausgeklügelte Choreografie
Ein Programm erfordert viele Übungsstunden, und um die fertige Choreografie für ein Werk zu haben, muss viel getüftelt werden. Die Bilder, die Claudia malt, hat sie ebenfalls mehrere Male geübt. Ein Storyboard, das sie für ihre Auftritte oben an ihrem Sandkasten angebracht hat, zeigt kleine Vorlagen der Bilder, sozusagen kleine Spickzettel. Was aber genau herauskommt oder welches Bild gerade am besten gelingt, ist für sie selber jedes Mal eine Überraschung.

Gesichter zu malen sei beim Sandpainting auch nach jahrelanger Erfahrung etwas vom Schwierigsten, sagt sie. Wenn ein Gesicht misslinge, sei es sehr schwierig, etwas daran zu ändern. Man darf nicht ausser Acht lassen, dass Claudia die Bilder blitzschnell hinzaubert. Sie hat ja nur so viel Zeit, bis ihr Mann wieder das Thema wechselt. «Manchmal finde ich es schade, das Bild wieder auszuwischen. Manchmal bin ich aber auch sehr froh!»

Verstaubte Geschichten zu neuem Leben erwecken
Claudia und Ruedi Kündig arbeiten für den Bibellesebund Schweiz. Die Geschichten, die sie erzählen, kennen viele Menschen. Für viele sind sie aber mehr oder weniger verstaubt. Es sind biblische Geschichten, die sie während ihrer Auftritte zu neuem Leben erwecken wollen.

Nachdem sie mit dem Werk «Sein Leben in Sand gemalt» auf Tournee gewesen waren, führten sie letzte Woche das erste Mal das neue Programm auf. Die Zuschauer erlebten also eine Uraufführung. Kündigs wollen beleuchten, was im Alten Testament über Jesus schon prophezeit wurde. Das Nachforschen brachte erstaunliche Resultate: «Peinlich genau» wurden viele Details von Jesu Leben, Sterben und Auferstehen schon Jahrhunderte vorher vorausgesagt. «Das Stöbern in den biblischen Propheten ist uns sehr nahe gegangen und hat uns total begeistert», schwärmt das begnadete Künstler-Ehepaar. Die gemeinsame Leidenschaft für die Bibel wollen sie weitergeben.

«Es ging mir nie um die Kunst an sich oder mich in meinen Werken selbst zu verwirklichen. Sondern meine Frage war von Anfang an: Wie kann ich mein grosses Hobby und das, was am meisten mein Herz bewegt, zusammenbringen?», erzählt Claudia.

Not macht erfinderisch
Zuerst gingen Kündigs in verschiedene Kirchen und spielten mit den Leuten dort Theater, um die erzählten Geschichten oder Predigten ansprechender zu machen. Doch einmal war der Platz für ein Theater zu klein. So kamen sie auf die Idee, Claudia könnte ja die Geschichte, die Ruedi erzählt, gleichzeitig auf ein Whiteboard zeichnen. Diese Idee begeisterte die Anwesenden und die beiden wussten: «Da müssen wir dran bleiben.»

Es ist nicht beim Whiteboard-Malen geblieben. Claudia liebt die Abwechslung und malt auf ganz verschiedene Weisen und mit unterschiedlichsten Techniken. Als Ehepaar treten sie draussen und drinnen, auf kleinen und grossen Bühnen auf. Neben den gemeinsamen Auftritten bietet Claudia zahlreiche Malkurse an. Sie lieben es auch, Kinderwochen oder -lager durchzuführen, immer mit dem einen Ziel: den alten – und doch so vielen Menschen bekannten – biblischen Geschichten neue Farbe und neuen Saft zu verleihen und sie für alle «gluschtig» zu machen.


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