Beschnuppern und für den Ernstfall proben

  02.11.2018 Gstaad

Für bis zu 20 Gebirgsflächensuchen pro Jahr wird Redog gerufen. Die Teams, bestehend aus Spezialhund und Halter, müssen oft trainieren, damit sie im Ernstfall bereit sind. Auch wie man einen Hubschrauber besteigt, gehört zum Ausbildungsprogramm.

BLANCA BURRI
Es ist neun Uhr früh, im Chalberhöni ist es noch sehr kalt, als ich an der Talstation der Bergbahnen vorbeifahre und kurz später parkiere. Der Treffpunkt ist nicht zu verfehlen. Leuchtend orange angezogene Männer und eine Frau stehen im Kreis und hören der Instruktion von Christian Brand, Air Glaciers, zu. Er erklärt den Ablauf der heutigen Übung mit der Air Glaciers. Bereits ist der Hubschrauber zu hören, der auf der Matte neben dem Treffpunkt landet.


Die Hunde bleiben im Auto, während sich die Leute zum Hubschrauber begeben. Dort übernimmt Christian Brand den theoretischen Teil. Besonders beeindruckend ist, wie er auf die Rotorenblätter aufmerksam macht. Noch stehen sie still, wenn sie aber drehen, kann ihre Wirkung verheerend sein. «Auch sehr erfahrene Leute machen manchmal Fehler. Beim Hubschrauber sind diese Fehler meistens tödlich», betont er den Ernst der Lage.

Endlich können die sechs Redog-Hundeführer in den Hubschrauber steigen, auf der Bank Platz nehmen, einen Moment verweilen und wiederum aussteigen. «Tretet vorsichtig auf das Trittbrett und zieht den Kopf ein», mahnt Brand.

Jetzt werden die Hunde geholt. Sie wirken aufgeweckt und verspielt, einige geben Laut. Die Hundehalter, darunter auch Rolf Schumacher aus Gstaad, ziehen ihnen Maulkörbe über. Das gefällt nicht allen gleich, trotzdem lassen es die Tiere über sich ergehen, schliesslich werden sie umgehend mit viel Lob, Streicheleinheiten und einem Leckerli belohnt. «Wohin mit dem Rucksack?», stellt sich plötzlich die Frage. Der Flughelfer nimmt den Rucksack ab. Rolf Schumacher bückt sich zu Duke hinunter, hebt ihn auf und setzt ihn auf dem Hubschrauberboden wieder ab. Duke ist noch ganz aus dem Häuschen. All die neuen Gerüche, die Umgebung und das Material verunsichern ihn. Rolf Schumacher setzt sich auf die Bank. Nach einem Moment setzt sich Duke auf seinen Schoss und schon ist klar, in welcher Position sie später fliegen werden.


Jetzt kommt der grosse Moment. Die Rotoren starten. Immer zwei Teams setzen sich in den Hubschrauber, dieser hebt ab und entschwindet in luftige Höhen. Ein paar Kilometer weiter setzt er die Teams wiederum ab. Die Gebirgssuchspezialisten steigen in gebückter Haltung aus, heben ihre Vierbeiner aus der Maschine und beugen sich schützend über sie. Danach hebt der rot-weisse Heli ab und holt das nächste Gespann. Hundehalter und Hunde richten sich auf. Wiederum erhalten die Hunde direkt Bestätigung für ihr tadelloses Verhalten, dann marschieren sie zum Treffpunkt, wo die Hunde festgebunden werden. Alle erhalten eine kleine Zwischenverpflegung, die Hunde und die Hundehalter. Nach der Kälte im Talboden sind sie froh, im sonnenbeschienen Gelände zu stehen. Die Sonnenstrahlen und eine warme Tasse Tee wärmt alle auf.


Danach reflektieren die Redog-Spezialisten über das Geschehene. Man ist sich einig, dass das Helifliegen mit den Hunden ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung ist. «Wenn die Hunde dies im Ernstfall zum ersten Mal erleben, kann es zu Stress führen. Das kann einen Hund ‹kaputt› machen», erklärt Matthias Pasinetti, Gruppenleiter der Regionalgruppe Berner Oberland. Das wäre schade für das Tier und schade für seine Fähigkeit, vermisste Menschen zu finden.


Quasi als Dessert dürfen sich die Hunde nun noch auf ihre eigentliche Kernaufgabe konzentrieren. Sie suchen Menschen, welche sich im Gelände versteckt haben und werden unmittelbar nach dem Erfolg – wie könnte es anders sein – mit einem Leckerli belohnt.


Letztes Jahr wurden die Suchhunde und ihre Halter insgesamt zu 20 Einsätzen gerufen. «Eine Person wurde lebend und zwei tod gefunden, die restlichen Suchen liefen ins Leere», sagt Matthias Pasinetti. Die Leersuchen ergäben sich, weil sich die vermisste Person nicht dort befände, wo man sie vermute.

Für die Suche eignen sich mittelgrosse, lernwillige und spielfreudige Hunde – viele Retriever, Border Collies und schäferartige Hunde sind darunter. Unter Normalbedingungen suchen die Hunde pro Stunde 10 Hektaren Fläche ab. Das ändere sich bei schwierigem oder besonders einfachem Gelände natürlich. Hunde und Hundehalter müssen also fit sein.

Redog gehört zum Schweizerischen Roten Kreuz und bildet Katastrophenhunde-, Gebirgsflächensuch- sowie Mantrailingteams aus und ist Teil der Rettungskette Schweiz.
Alarmnummer: Tel. 0844 441 144
Video: https://tinyurl.com/yabcmppz Fotogalerie: https://tinyurl.com/ybt4nz5y


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